Der israelische Dirigent Omer Meir Wellber gründete vor einem Jahr in der Wüste Negev in Israel das "Sarab"-Projekt. Beduinenkinder kommen dabei zum ersten Mal mit klassischer Musik in Berührung und sollen schon bald im Orchester spielen. Es gibt bereits erste Erfolge.
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Mozart in der Wüste
Musikunterricht für Beduinenkinder
Wenn sie groß ist, möchte Sena von Beruf Violinistin werden. Schon der erste Schritt auf dem langen Weg dorthin war für die schmale Viertklässlerin mit den langen schwarzen Haaren schwieriger als für die meisten Kinder mit dem selben Traum: Denn Sena ist ein Beduinenmädchen.
Sena lebt in Rahat, einer Stadt, die für Beduinen in der Wüste Negev in Israel gebaut worden ist. Es ist eine trostlose, staubige Stadt, Arbeitslosigkeit und Kriminalität sind hoch. Doch Rahat verfügt neuerdings über etwas Einmaliges: Über die erste und einzige Schule für Beduinen, an der es Musikunterricht gibt. "Mein Vater war ein großer Freund der Beduinen und hat diese Schule hier gebaut, in der wir jetzt mit unserem Projekt "Sarab" begonnen haben", erzählt Dirigent Omer Meir Wellber.
Die Beduinenkinder sind in der israelischen Realität fast vergessen. Sie sind keine Palästinenser, fühlen sich aber auch nicht wirklich israelisch.
Dirigent und "Sarab"-Initiator Omer Meir Wellber | Bildquelle: © Felix Broede Wellber stammt aus Be'er Scheva in Israel, der größten Stadt in der Wüste Negev. Sie wurde einst für jüdische Einwanderer gebaut. Er weiß um die soziale Lage der Beduinen, die in der Jugend seine Nachbarn waren. "Nach Rahat fährt man eigentlich nur, wenn man Drogen kaufen will", sagt der junge Dirigent. Damit sich das ändert, hat er gemeinsam mit der lokalen Hilfsorganisation A new Dawn in the Negev und dem Konservatorium von Be'er Scheva das Projekt "Sarab" gegründet - auf deutsch: Oase.
Für den Unterricht mit den Kindern wurde Anna Arama engagiert, eine Musiklehrerin aus Russland. Von dort hat sie die sprichwörtlichen resoluten Unterrichtsmethoden mitgebracht. Sie muss mit allen Kindern bei Null beginnen. Die Kinder hatten noch nie in ihrem Leben Kontakt zu klassischer Musik. "Sarab" ist zunächst an der Al Salem-Grundschule in Rahat gestartet, später sollen weitere Schulen miteingebunden werden.
Omer Meir Wellber wurde 1981 in Be'er Scheva in der israelischen Wüste Negev geboren.
Er begann zuerst mit Akkordeon und Klavier, bekam aber bereits mit zehn Jahren Kompositionsunterricht. Von 2008 bis 2010 war er Assistent von Daniel Barenboim. Er dirgierte in den vergangen Jahren das London Philharmonic Orchestra und das Leipziger Gewandhausorchester. In der Saison 2015/16 dirigierte er "Mefistofele" an der Bayerischen Staatsoper.
Im März 2017 wird Omer Meir Wellber an die Bayerische Staatsoper zurückkehren, um die Neuproduktion von Umberto Giordanos "Andrea Chénier" unter der Regie von Philipp Stölzl zu leiten.
Omer Meir Wellber mit junger Geigenschülerin | Bildquelle: © Sarab Die talentiertesten Kinder bekommen nach einem Jahr zusätzlichen Unterricht am Konservatorium in Be'er Scheva. Dort gibt es seit langem ein Streichorchester mit jüdischen Schülern, in das nun die Beduinenkinder integriert werden. "Das wird neu für das Orchester. Das bedeutet, dass die jüdischen Kinder die europäische Tradition mitbringen und die Beduinenkinder mit ihrer Tradition kommen. Alle sollen alles spielen", beschreibt Wellber seinen Traum. Allerdings ist das noch Zukunftsmusik, denn es wird noch eine Weile dauern, bis die Beduinenkinder aus Rahat geübt genug sind, um überhaupt im Orchester mitspielen zu können. Und außerdem muss Omer Meir Wellber die Kinder wieder an ihre eigene traditionelle Beduinen-Musik heranführen, bevor sie diese mit ins Orchester-Repertoire einbringen können.
Die Kinder haben sich sehr verändert. Sie sind geduldiger und ruhiger geworden. Das ist nur mit klassischer Musik möglich.
Weil sich die Beduinenkinder kaum noch für die traditionelle Musik interessieren, droht diese verloren zu gehen. Es gibt keine gedruckten Noten, kein Archiv, keine Aufnahmen. Auch das will Omer Meir Wellber mit seinem "Sarab"-Projekt ändern. Er möchte die Schüler wie Musikethnologen mit Aufnahmegeräten losschicken, um die Musik aufzunehmen, die heute noch manchmal in den Straßen von Rahat zu hören ist. Für dieses Projekt werden die Unterstützer einen langen Atem brauchen: Lehrer, Geduld beim Musikunterricht, Geld für Aufnahmegeräte - und vor allem Zeit für das Archivieren der Originalaufnahmen.