Der kanadische Pianist Bruce Liu ist für Konzerte in Regensburg, München und Nürnberg beim Münchener Kammerorchester zu Gast. 2021 gewann der inzwischen 26-Jährige Liu den Chopin-Wettbewerb in Warschau. Für ihn ist Chopin der "Dichter des Klaviers".
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BR-KLASSIK: Bruce Liu, wenn Sie den Chopin-Wettbewerb 2021 nicht gewonnen hätten, wäre es dann ein anderer Job für Sie gewesen? Was wären Ihre Alternativen zum Pianisten gewesen?
Bruce Liu: Tja, PIanist ist natürlich ein wundervoller Beruf. Wir lieben alle, was wir tun, aber realistisch gesehen, ist es schwierig damit und davon zu leben. Es kann sehr hart sein. Wenn es nicht geklappt hätte, und darüber machen wir uns alle Gedanken….dann wäre ich vielleicht Koch geworden.
BR-KLASSIK: Oh wie schön. Was ist das beste Gericht, dass Sie kochen können?
Bruce Liu: Oh, das kann ich gar nicht sagen. Ich esse sehr gerne, was andere Menschen kochen. Ich mag das, was ich selber koche, aber gar nicht so gerne. (lacht)
BR-KLASSIK: Wenn es einen Adelstitel für Pianisten gäbe, dann hätten Sie den. Denn Sie haben nun einmal diesen wichtigen und renommierten Chopin-Wettbewerb gewonnen. Fühlen Sie sich dadurch geadelt?
Bruce Liu: Nun ja, künstlerisch gesehen bin ich immer noch dieselbe Person, die ich vor dem Wettbewerb war. Aber natürlich ist das eine große Ehre. Chopin und ich werden jetzt eine ganze Weile zusammengehören. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht auch an einem anderen Repertoire arbeite. Aber es ist ein gutes Gefühl, sich für eine Weile an jemanden zu binden. Wenn ich auf meine Ausbildung zurückblicke, habe ich – wie viele andere Pianisten – ein bisschen gebraucht, meine eigene künstlerische Identität zu finden. Und es hat mir geholfen, mich für eine bestimmte Zeit auf einen Komponisten zu konzentrieren und wirklich in seine Persönlichkeit und sein Leben einzutauchen.
BR-KLASSIK: Was hat sich nach dem Wettbewerb für Sie verändert?
Bruce Liu: Mein Terminplan hat sich verändert, denn vor dem Wettbewerb war ich noch ein Student und hatte Zeit, Stücke zu üben. Nun muss ich Zeit zwischen den Konzerten dafür finden – das Gegenteil von dem, was ich gewohnt bin. Außerdem sind viele Dinge auf mich zugekommen, die ich als Musiker nicht erwartet habe, als ich noch nicht Teil der Industrie war. Es gibt einfach viel Neues zu lernen, aber es auch ist etwas, das ich gerade ganz gerne für mich entdecke.
In diesem Land, in dieser Stadt, wo einfach jeder Mensch Chopin kennt. Das war eine ganz besondere Atmosphäre.
BR-KLASSIK: Finden Sie, dass Wettbewerbe nicht mittlerweile auch ein bisschen aus der Zeit gefallen sind?
Bruce Liu beim Chopin-Wettbewerb 2021 in Warschau. | Bildquelle: Wojciech Grzędziński / NIFC Bruce Liu: Das ist eine sehr schwierige Frage, denn das hängt für mich davon ab, wie die Musikerinnen und Musiker da herangehen, wie deren Philosophie dahinter ist. Denn jeder denkt sehr unterschiedlich drüber. Für mich waren zum Beispiel Wettbewerbe immer eher eine Plattform, über die ich nie als Wettkampf nachgedacht habe. Es ist im Grunde genommen nur eine Bühne, auf der du dich selbst zeigen kannst. Für mich ist es das Gleiche wie beim Konzert – Emotionen und Erfahrungen mit dem Publikum zu teilen. Natürlich geht man trotzdem mit bestimmten Erwartungen dort hin. Allein wegen der Atmosphäre dort und dem Drumherum, da denkt man natürlich ans Gewinnen. Wenn man das alles vergessen kann, dann ist das sehr hilfreich fürs Musizieren, denn eigentlich ist es nur hinderlich. Beim Üben kann es vielleicht noch motivierend sein und dich disziplinieren, etwas, das alle Künstler brauchen. Aber ab einem bestimmten Punkt sollten wir all das ausblenden. Ich war auch gegen Ende des Wettbewerbs kurz davor zu gehen, aber im Endeffekt war ich glücklich darüber, dass ich es geschafft habe, in meiner Blase zu bleiben. Ich konnte einfach nur an das Spielen von Chopin denken. In diesem Land, in dieser Stadt, wo einfach jeder Mensch Chopin kennt. Das war eine ganz besondere Atmosphäre – da musste ich auch einfach gleichziehen.
Chopin ist der Dichter des Klaviers.
BR-KLASSIK: Sie haben ein großes Repertoire. Aber Frédéric Chopin muss immer dabei sein. Was begeistert Sie so an seiner Musik?
Bruce Liu: Er ist der Dichter unseres Instruments. Er ist einer der Wenigen, die nur für ein Instrument geschrieben haben. Und ich spüre diese spezielle Reinheit in seinen Meisterwerken. Und eine Sache berührt mich so sehr: Es gibt endlose Möglichkeiten, seine Musik zu spielen. Wenn man sich all die verschiedenen Versionen der großen Interpreten anhört, sind sie so verschieden, aber zugleich auch so überzeugend. Für mich ist das ein Komponist, der ganz offen ist, dessen Werke ganz zugänglich sind. Die Musik ist nie ein verschlossenes Buch. Und das fasziniert mich an Chopin.
Bruce Liu live mit dem Münchener Kammerorchester
24. Februar: Regensburg, Audimax
25. Februar: München, Prinzregententheater
28. Februar: Nürnberg, Meistersingerhalle
Programm:
Wolfgang Amadeus Mozart
Symphonie Nr. 33 B-Dur KV 319
Frédéric Chopin
Variationen über Mozarts "Là ci darem la mano"
Jean Sibelius
Valse Triste op. 44/1
Ludwig van Beethoven
Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 19
BR-KLASSIK: Bei Ihrer Tournee, die jetzt ansteht, werden Sie Variationen von Chopin über ein Duett aus Mozarts "Don Giovanni" spielen. Was bedeutet Ihnen dieses Stück?
Bruce Liu: Das ist eines seiner frühen Werke. Chopin war so um die 14 Jahre alt, als er das komponiert hat. Das ist einfach pure Eleganz und natürlich viel Freude. Überraschenderweise ist es technisch gesehen eines der schwierigsten Stücke, die er je geschrieben hat – und das in seinen jüngsten Jahren. Aber ich habe in meinem jungen Alter vielleicht noch eine ähnliche Energie und kann so versuchen, mich ihm beim Spielen näher zu fühlen.
Sendung: "Allegro" am 22. Februar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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