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Zum Tod der Mezzosopranistin Christa Ludwig Ein Leben für den Gesang

Unverkennbar im Timbre hat Christa Ludwig viele Liederabende zum Ereignis gemacht. Auf der Opernbühne und im Aufnahmestudio setzte sie Maßstäbe – in Werken von Mozart bis Berg. Nun ist die Mezzosopranistin im Alter von 93 Jahren gestorben.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Ich glaube, ich würde nie wieder Sängerin werden wollen. Nein!
Christa Ludwig

Die das sagte, anlässlich eines Interviews zu Ihrem 80. Geburtstag im Jahr 2008, war doch beinahe fünfzig Jahre lang genau dies: eine Sängerin von Kopf bis Fuß, die ihr ganzes Leben auf den Gesang, auf ihre Stimme, dieses sensibelste und privateste Instrument des Menschen, fokussiert hatte.

"Der Sängerberuf ist ein so schwerer. Dieses Wissen, dass man an einem bestimmten Tag in drei Jahren wunderbar bei Stimme sein muss – durch einen Vertrag – und dass man nie einen Schnupfen kriegen darf, dass man nicht reden darf, dass man nicht rauchen darf, dass man nicht trinken darf … Ha, ich war so froh, als ich das hinter mich gebracht hatte."

Christa Ludwig, die Mezzosopranistin mit der klangschönen, wohl timbrierten, leuchtend warmen Stimme, die – Verführung und Hexe zugleich – in dämonische Abgründe tauchen konnte und dabei umso mehr verführte. Sie war einfach für die Bühne geboren. Kein Wunder, denn als Kind zweier Sänger wurde sie wie selbstverständlich auf den Brettern, die die Welt bedeuten, groß. Die Bühne, sich auf ihr zu bewegen, sie singend zu bespielen, war für die am 16. März 1928 in Berlin geborene Künstlerin von klein auf das Selbstverständlichste der Welt. Von Anfang an nahm ihre Mutter, die Altistin und Gesangspädagogin Eugenie Besalla-Ludwig, sie in ihre gesangspädagogische Obhut. Sie blieb die erste und einzige Lehrerin Christa Ludwigs.

Gelebte Weiblichkeit – privat und auf der Bühne

Der Rat der Mutter: "Du behältst die Stimme, bis Du weißt, worum es sich handelt!" wurde Christa Ludwigs Lebensmaxime. In ihrer aktiven Zeit ging sie dennoch zuweilen über die Grenzen ihrer Stimme hinaus, musste aber einsehen, dass ihre geliebte hochdramatische Partie der Isolde für ihre Stimme einfach nicht gemacht war. Das führte sie nur wieder dahin zurück, wo sie ihre stupende Technik brillant und versiert zum allerbesten und eindringlich-berührendsten Ausdruck führen konnte: zu den großen Mozart- und Strauss-Partien, zu den Rollen der chimärenhaft suchenden Kundry, der düster-taktierenden Ortrud und der erotisch-narkotisierenden Venus; nicht zu vergessen ihre einzigartige Carmen jenseits aller rockraffenden spanischen Klischees.

Der "Rosenkavalier" mit Christa Ludwig (als Maschallin) und Gwyneth Jones (als Oktavian) in der Wiener Staatsoper. 1968. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Christa Ludwig als Marschallin im "Rosenkavalier" | Bildquelle: picture-alliance/dpa Unvergessen der naiv-aufkeimende Eros, den sie in die Rolle des Cherubino legte, oder die merkwürdig androgyne Sexbesessenheit des Playboys Octavian – zwei Hosenrollen, die die Ludwig trotz ihrer Erfolge nicht liebte. Der Grund: In diesen beiden Rollen musste sie eines vollkommen vergessen, was für sie zum grundlegenden Selbstverständnis gehörte: ihre Weiblichkeit. Und genau die lebte sie zu gern, privat als Frau mit ihrem unbändigen Faible für feine und kostspielige Roben wie auch in ihren Rollen. Die Marschallin, ihre Paraderolle, legte sie ganz im Gegensatz zur silbrig-eleganten Marschallin der Sopranistin Elisabeth Schwarzkopf mit ihrem dunklen, weiblich-tönenden Mezzo voller Sinnlichkeit an. Da klingt eine Frau, die ihre besten Jahre verflossen sieht – erotisch, betörend, demütig und doch entschlossen, dem quälenden Fluss der Zeit mit Leichtigkeit zu begegnen.

Drei große Förderer: Böhm, Karajan, Bernstein

In den drei Dirigenten Karl Böhm, Herbert von Karajan und Leonard Bernstein hatte Christa Ludwig drei Förderer und Bewunderer gefunden, mit denen sie auf jeweils individuelle Weise Sternstunden der Musikgeschichte zauberte. Karajan bettete sie stets auf orchestralen Rosen und Bernstein eröffnete ihr endgültig den Weg zur Marschallin. Ohne ihn – so bekennt sie in ihrem Buch "Und ich wär so gern Primadonna gewesen" – hätte sie niemals zu ihrer Ausdruckskraft in der "Winterreise" von Franz Schubert gefunden. "She is simply the best, and the best of possible human beings" – "Sie ist einfach die Größte, der beste Mensch überhaupt": Leonard Bernsteins Bewunderung für Christa Ludwig war immens!

Legende schon zu Lebzeiten

Christa Ludwig beim Finalisten-Konzert vom 9. Internationaler Hilde Zadek Gesangswettbewerb im Gläsernen Saal / Magna Auditorium des Musikvereins. Wien, 11.04.2015 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Christa Ludwig, 2015 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Auch wenn Christa Ludwig ihre Karriere als Sängerin bezeichnenderweise unmittelbar nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1994 beendete, strahlt ihr Stern weiter unangefochten hell am Himmel der Mezzosoprane. Sie pflegte ihre Stimme mit Klugheit, unbändigem Optimismus und preußischer Disziplin. Manchmal strapazierte sie sie zu sehr, lenkte sie aber sicher durch Krisen, aus denen sie am Ende doch glücklich-schadlos hervorging. Diese von Christa Ludwig auch gehasste Sensibilität und eherne Verantwortlichkeit ihrem so sensiblen Organ gegenüber haben sie den Sängerolymp scheinbar mühelos erklimmen lassen. Stets suchte sie den Menschen und seine Beweggründe hinter den Rollen. Als begnadete Liedsängerin suchte sie dessen Seele. Ihrem Publikum bescherte diese große menschliche Künstlerin tiefe Momente des Glücks, schickte es in solch seligen Momenten mit ihrer reich tönenden Stimme – um mit Stendhal zu sprechen – "zu den Engeln". Nun ist Christa Ludwig selbst auf diesem Weg. Sie hat die irdische Bühne verlassen, und wir dürfen froh und dankbar sein, daß sie, wie sie selbst einmal sagte, "nur dieses eine Talent" hatte.

Sendung: "Allegro" am 26 April 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

BR-KLASSIK würdigt Christa Ludwig in zwei Sondersendungen: Am Montag, 26. April, in einer Sonderausgabe der
"Klassik-Stars" und am Dienstag, 27. April, mit einer Wiederholung von "Meine Musik" aus dem Jahr 2018. Und auch der Opernabend am 1. Mai widmet sich Christa Ludwig: mit einer Aufnahme von Mozarts "Così fan tutte" aus dem Jahr 1962 unter der Leitung von Karl Böhm.

Kommentare (4)

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Montag, 26.April, 17:13 Uhr

Markus Vorzellner

Christa Ludwig

Danke für diesen Nachruf! Sie war die Größte! Ich bin froh und dankbar, dass ich ihr hin und wieder als Studienkorrepetitor zur Verfügung stehen durfte. Sie hat mein Leben geprägt wie nur wenige - sie reißt ein tiefes Loch in unser aller Existenzen.

Montag, 26.April, 00:40 Uhr

News Journalist

Fantastischer Nachruf

Das muss der schönste Nachruf sein, den ich jemals gelesen habe.

Sonntag, 25.April, 19:00 Uhr

Axel Peppermueller

Christa Ludwig

Es ist sehr traurig, aber es bleiben ja ihre wunderbaren Aufnahmen zum Beispiel
Lied von der Erde unter Carlos Kleiber.
Ich hatte da große Glück sie sehr oft an der Deutschen Oper Berlin hören zu dürfen als
Amneris, Ortrud, Dorabella, Marie Wozzeck und ganz oft als Leonore in Fidelio.
Später dann bei den Salzburger Festspielen in ihren zahlreichen Liederabenden denn auch
das war Christa Ludwig,
Dann als ich an der Staatsoper Wien tätig war entwickelte sich zwischen uns eine wunderbare
Freundschaft.
Ich war und bin ein ganz großer Fan von ihr und heute doch auch unendlich traurig.
Leb wohl geliebte Christa Ludwig.

Sonntag, 25.April, 18:59 Uhr

Karin Schumann

Zum Tod Christa Ludwigs

Ich hoerte Christa Ludwig um ersten Mal im September 1952 in Darmstadt als Eboli. Ich war 17 Jahre alt,, hatte DON CARLOS noch nie gesehen und wurde von Christa Ludwigs herrlicher Stimme einfach umgeworfen.
Spaeter kam Christa Ludwig an die Oper in Hannover, wo ich wohnte. So konnte ich sie in vielen herrlichen Rollen hoeren.
Welch wunderschoene Erinnerungen, nun wollen wir der Kuenstlerin die Ruhe goennen.

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