Claude Debussys Vorstellung von Musik war revolutionär. Er entwickelte einen Stil, der die Musikgeschichte verändern sollte. Als Zauberer der Klangfarben sollte er in die Geschichte eingehen. Viele seiner Zeitgenossen jedoch verstanden ihn nicht. Nun jährt sich sein Todestag zum 100. Mal.
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Die Natur und vor allem das Meer liebt Debussy schon als Kind. Als Achille-Claude Debussy kommt er am 22. August 1862 in Saint-Germain-en-Laye bei Paris zur Welt. Seine Eltern besitzen einen Laden, in dem sie Steingut und Porzellan verkaufen. Das Verhältnis zu ihnen ist schwierig - vor allem zur Mutter, die wenig gefühlvoll mit dem sensiblen Kind umgeht. Anders ist es mit Debussys Paten, dem Bankier Achille Arosa. Bei ihm und seiner Frau verbringt Debussy viel Zeit in Cannes am Meer. Vielleicht sind es auch diese frühen Erinnerungen, die ihn später zu seiner Komposition "La Mer" inspirieren.
Dieses Kind muss Musiker werden!
Debussys musikalisches Talent zeigt sich früh. Angeblich klimpert er bereits als Vierjähriger Melodien am Klavier nach. Mit neun wird er Schüler von Madame Mauté de Fleurville, die einst Unterricht bei Frédéric Chopin hatte. Und für die steht fest: "Dieses Kind muss Musiker werden!"
Ein Jahr später wird Debussy am Pariser Konservatorium aufgenommen. Doch mit seinen Lehrern am Konservatorium hat Debussy wenig Glück. Sie kommen mit seinem Naturell nicht zurecht. Debussy verliert das Interesse am Klavier und beginnt zu komponieren. Ihn reizt das Entdecken und das Spielen mit Klängen. Das Konservatorium mit seinen spießigen Harmonielehrevorschriften geht ihm auf die Nerven. Für Debussy zählt bei Akkorden einzig der Klang. Gerne schockiert er auch seine Mitschüler, indem er sich ans Klavier setzt und drauflos spielt.
In Paris erlebt Debussy 1889 die Weltausstellung. Sie sollte seine Musik stark beeinflussen. Hier hört Debussy zum ersten Mal Musik aus Spanien und dem Fernen Osten. Das Exotische fasziniert ihn sofort. Anklänge an diese Musik finden sich immer wieder in Debussys Werken.
Seiner ersten großen Liebe Gabrielle Dupont widmet Debussy eines seiner berühmtesten Werke: "Prélude à l’apres-midi d’un faune". Als Vorlage dient Debussy ein Gedicht von Stéphane Mallarmé. Es ist faszinierend, wie Debussy die verschiedenen Orchesterinstrumente einsetzt. Der Klangteppich, den sie weben. Die Musik kreist in sich. 1894 wird das Prélude in Paris uraufgeführt. Das Publikum ist so begeistert, dass das Stück wiederholt werden muss.
Im November 1900 werden Debussys "Nocturnes" uraufgeführt - drei Stücke, in deren Mittelpunkt wieder die Natur steht. Sie gehören zu Debussys bedeutendsten Kompositionen. Inspirieren ließ sich Debussy von einem Gemälde James Abbott McNeill Whistlers: Es zeigt einem grauen, wolkenverhangenen Himmel. Auch Debussys Musik bietet keine Kontraste. Sie klingt atmosphärisch, flüchtig. Kein Wunder, dass Debussy spätestens ab jetzt mit dem Impressionismus in Verbindung gebracht wird.
Debussy selbst ärgert sich, wenn er als Impressionist bezeichnet wird – und fühlt sich missverstanden. Er will Neues schaffen. Und das betrifft vor allem den Umgang mit Harmonien und Klängen. Er setzt die Musik mit Farben gleich. Die verschiedenen Farben kann Debussy nun auch miteinander kombinieren und mischen. Das tut er zum Beispiel in seinem nächsten großen Werk "Pelléas et Mélisande". Fast zehn Jahre lang arbeitet Debussy an dieser seiner einzigen vollendeten Oper.
Von seinem großen Vorbild Richard Wagner hat sich Debussy inzwischen ziemlich distanziert. Es gibt vieles, was er selbst anders machen möchte. Große ausladende Gesangslinie sucht man bei Debussy vergeblich. Er möchte, dass seine Sänger natürlich auftreten. Der Gesang bleibt deshalb nah an der Sprache, zuweilen wird sogar geflüstert - so wie Mélisande es tut, wenn sie Pelléas ihre Liebe gesteht. Trotzdem ist Wagners Einfluss zu spüren. So arbeite auch Debussy mit Motiven für seine Figuren, die ähnlich wie Wagners Leitmotive immer wieder auftauchen. Nur: die Art und Weise wie Wagner seine Motive beispielsweise im "Ring des Nibelungen" einsetzt, erscheint Debussy überhaupt nicht erstrebenswert.
Das wirkt so fade und dumm, als ob jemand, der Ihnen seine Visitenkarte überreicht, Ihnen lyrisch vordeklamieren würde, was darauf steht.
Bei Debussy hingegen passen sich die Motive der jeweiligen Stimmung und psychischen Entwicklung der Figuren an. Und noch etwas baut Debussy in seine Oper ein, was eher ungewöhnlich ist: die Pause, das Schweigen als Stilmittel. Hier will Debussy das Unsagbare ausdrücken.
Debussy ist 47 Jahre alt, als bei ihm Krebs diagnostiziert wird. Ab jetzt geht es bergab. Sein letztes Orchesterwerk ist "Jeux" - ein Ballettstück, in dem eine Art Tennisturnier dargestellt wird. Am Ende seines Lebens schreibt Debussy ein paar sehr zukunftsweisende Kammermusikwerke. Einige von ihnen bleiben unvollendet. Debussy stirbt am 25. März 1918. Frankreich steckt noch mitten im Ersten Weltkrieg, und die Zeitungen sind voll von Berichten über die neueste Schlacht. So geht Debussys Tod in dem ganzen Trubel unter. Seine Musik aber bleibt. Und auch heute - 100 Jahre nach Debussys Tod - gibt sie uns noch immer Rätsel auf.