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Wie Bläser und Sänger sich vor Corona schützen können Sicherheits-Tipps vom Experten

Wann können Musiker wieder proben und Konzerte geben? Diese Frage beschäftigt momentan viele in der Musikwelt. Die Universität der Bundeswehr in München hat das Infektionsrisiko erforscht und Empfehlungen für Sänger und Bläser veröffentlicht. Studienleiter ist Christian Kähler vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik. Im BR-KLASSIK-Interview erklärt er, wie Musiker sich schützen können.

Hornisten des BBC Philharmonic Orchestra | Bildquelle: picture alliance / empics / Dave Thompson

Bildquelle: picture alliance / empics / Dave Thompson

BR-KLASSIK: Zunächst rein praktisch und ganz konkret: Wie war denn eigentlich die Versuchsanordnung? Haben Sie die Leute in irgendeine Vorrichtung pusten, blasen, singen lassen? Wie haben Sie Luft und Moleküle untersucht auf ihre Infektionsgefahr oder auf ihre Virenlast?

Christian Kähler: Es gibt ja zwei wichtige Dinge, auf die man achten muss. Das eine ist der Ausstoß von Partikeln aus den Instrumenten beziehungsweise aus dem Mund der Sängerinnen und Sänger. Und der zweite wichtige Punkt ist, wie weit kann denn das Aerosol, also die kleinen Tröpfchen, die man ausatmet, über die Luft transportiert werden. Wir haben dazu Versuche durchgeführt, in denen die Person mit ihrem Instrument in der einen Raumhälfte saß und in dem anderen Raumbereich konnten wir mit Lasermesstechnik anschauen, wie der Austritt der Aerosol-Tröpfchen aus dem Instrument erfolgt und wie diese Tröpfchen in den Raum hineingetragen werden durch die Luftströmung.

Wir können Abstandsmaße ausmessen aus unseren Ergebnissen.
Christian Kähler

Christian Kähler am Schreibtisch | Bildquelle: Christian Kähler Bildquelle: Christian Kähler Dazu wird der Raum geseeded mit kleinen Öltröpfchen (d.h. die Öltröpfchen werden im Raum verteilt. Anmerkung der Redaktion). Diese Tröpfchen werden visualisiert mit einem Laserlichtschnitt und dann mit einer digitalen Kamera aufgezeichnet. So gelingt es dann, dass man sowohl den Transport dieser kleinen Tröpfchen als auch die Strömungsgeschwindigkeit feststellen kann. Das wichtige Kriterium ist, dass man sagt, wo nichts strömt, da kann auch nichts hinkommen. Deshalb kann man auf diese Art und Weise sehr gut erfassen, bis wohin überhaupt eine Ausbreitung der Viren möglich ist. Wir konnten also quantitative Messungen machen – im Vergleich zu anderen Studien, die qualitativ sind. Wir können wirklich Abstandsmaße ausmessen aus unseren Ergebnissen.

Erkenntnisse mithilfe der Strömungsmechanik

BR-KLASSIK: Interessant ist, dass sowohl das Blasen auf Holz- als auch auf Blechblasinstrumenten – die Querflöte scheint ein bisschen eine Sonderrolle zu spielen –, weniger kritisch ist, als sogar das Sprechen. Ist also ein Bläserquintett, das in einem Raum probt, weniger kritisch als fünf Personen, die in einem Büro sitzen und ein Teammeeting abhalten?

Christian Kähler: Das kann durchaus der Fall sein. Wir haben festgestellt, dass aus den Instrumenten wenig rauskommt. Und zwar umso weniger, je größer die sind. Umso größer der Trichter, umso langsamer die Austrittsgeschwindigkeit. Das ist einfache Strömungsmechanik. Und deshalb ist es so, dass je kleiner die Instrumente und der Trichter, umso schneller kommt es da raus und deshalb ist auch der Einflussbereich umso größer, auf den man achtgeben muss.

Bei einem Meeting ist eben das Gefährliche, dass man sich gegenübersitzt, sich direkt die Aerosole zuschiebt.
Christian Kähler

Beim Sprechen hängt es davon ab, wie weit man den Mund öffnet. Das heißt, wenn man hohe Töne singt oder tiefe Töne singt, ist ja der Mund anders geöffnet. Und das führt auch zu einer schnelleren oder langsamen Strömungsgeschwindigkeit. Und so ist es natürlich auch, wenn man in einem Meeting sitzt mit mehreren Personen und sich sogar noch anschaut, was man ja im Konzert nicht tut. Da bläst oder singt man in eine Richtung. Bei einem Meeting ist das Gefährliche, dass man sich gegenübersitzt, sich direkt die Aerosole zuschiebt. Und das macht es durchaus gefährlicher, in einem Raum eine Konferenz abzuhalten, als mit anderen Leuten zu musizieren.

BR-KLASSIK: Kommen wir mal zum Kondensat, also zum Kondenswasser, was in den Blasinstrumenten entsteht. Von dem könnte man ja auch annehmen, dass sich da potenziell Viren befinden. Wie geht man am besten mit Kondensat um?

Christian Kähler: Das Kondensat ist ein durchaus wichtiger Punkt. Die Musizierenden reinigen ihre Instrumente beziehungsweise wischen sie sie durch. Lässt man dieses Kondensat ab, dann sprüht man es bislang einfach auf den Boden. Ich würde empfehlen, dass man das kontrolliert ablässt in ein kleines Schälchen. Und da die Viren offenbar Spülmittel schlecht abkönnen, kann man auch ein bisschen Spülmittel reingeben in dieses Schälchen, um die Viren wirksam abzutöten.

Ich empfehle auch, dass man die Instrumente häufiger reinigt.
Christian Kähler

Ich empfehle auch, dass man die Instrumente häufiger reinigt beziehungsweise auswischt. Wenn sich nämlich Kondenswasser am Instrumenten bildet, dann entsteht ein kleiner Flüssigkeitsfilm an der Instrumentenwand. Bei diesem Flüssigkeitsfilm kann es dazu kommen, dass – wenn er schnell umströmt wird – sich kleine Tröpfchen bilden und die dann wieder austreten können. Deshalb mein Hinweis aus strömungsmechanischer Sicht: Reinigen Sie die Instrumente sorgsam und häufig. Damit auch dieser Mechanismus kein Problem darstellt im Hinblick auf eine Infektion.

Corona-Erkrankte bei Chorkonzert in Amsterdam nicht beim Singen infiziert

BR-KLASSIK: Kommen wir noch mal konkret zum Singen. Uns hat eine Nachricht erreicht aus den Niederlanden. Ein Laienchor hat am 8. März eine Johannes-Passion aufgeführt. Von diesen 130 Chormitgliedern sind 102 an Corona erkrankt. Wie passt das zusammen damit, dass Sie eigentlich sagen, Singen ist doch deutlich weniger kritisch als das Spielen von Blasinstrumenten und das Sprechen?

Christian Kähler: Der Punkt ist aus meiner Sicht der, das hier oft Korrelation mit Kausalität verwechselt wird. Natürlich stellt man fest, dass jetzt viele Mitglieder dieses Chores infiziert worden sind. Aus meiner Sicht muss man einige Dinge berücksichtigen: Zunächst einmal war das zu einer Zeit, wo die Sensibilität für die Ausbreitung des Virus übers Aerosol noch nicht vorhanden war. Der zweite Punkt ist, dass die Proben in kleinen Räumen stattgefunden haben.

Aus meiner Sicht sind hier Fehler im Sozialverhalten gemacht worden.
Christian Kähler

Wenn Sie sich die Berichte genau ansehen, dann stellen Sie fest, dass die Chormitglieder quasi gedrängt standen. Es konnte nicht auf Abstände geachtet werden und es ist auch nicht umfangreich auf Hygienemaßnahmen geachtet worden. Aus meiner Sicht sind hier Fehler im Sozialverhalten gemacht worden. Das hat mit dem Singen als solchem gar nichts zu tun. Natürlich spielt auch die Klimatisierung eine Rolle. Die Raumgröße ist ganz entscheidend, die Aufstellungsart. Und wenn man all diese Dinge beachtet, sind nach unseren quantitativen Ergebnissen keine Infektionen möglich.

Große Tröpfchen fallen schnell zu Boden

BR-KLASSIK: Aber beim Sprechen und Singen kann es doch passieren, dass Spucke oder Flüssigkeitströpfchen aus dem Mund kommen. Das wäre eine Beobachtung, die gegen Ihre Erkenntnisse spricht. Was setzen Sie da entgegen?

Christian Kähler: Das ist schon richtig, dass beim Sprechen bestimmter Konsonanten oder gerade wenn man laut spricht, auch große Tröpfchen aus dem Mund austreten. Diese großen Tröpfchen fallen allerdings relativ schnell zu Boden. Das heißt, sie kommen keine anderthalb Meter weit. Die sind in der Regel ungefährlich, weil sie so schwer sind. Gefährlicher sind die kleinen Tröpfchen, nur fünf bis zehn Mikrometer groß. Die können Sie normalerweise gar nicht sehen. Diese Tröpfchen, breiten sich dann mit der Strömung aus. Wenn die Strömung zur Ruhe kommt, verbleiben diese Tröpfchen auch in diesem Bereich. Die Tröpfchen sind sehr klein und das führt dazu, dass sie quasi unmittelbar verdunsten.

Das gesamte Aerosol, das Sie ausatmen, ist nach wenigen Sekunden weg.
Christian Kähler

Die Frage ist, was machen die Viren, wenn sie ihre flüssige Umgebung verlieren? Und da ist die Aussage im Moment, dass sie dann auch nicht mehr reproduktionsfähig sind. Es gibt zwar auch viele Forschungsergebnisse, die sagen, dass sich diese Partikel in einem Aerosol sehr lange halten – bis zu drei Stunden können sie noch infektiös sein. Das sind aber Laborbedingungen, wo man dafür sorgt, dass das Aerosol nicht verschwindet und nicht verdunstet. Das ist aber eine von der natürlichen Umgebung abweichende Situation. Bei uns verdunsten sie nahezu sofort. Wenn das nicht so wäre: Wie wäre das in der Bahn? Eine infizierte Person in einem Waggon würde über die Klimaanlage alle Personen anstecken. Und was stellen wir fest? Das ist nicht der Fall. Die Ansteckungsrate ist üblicherweise sehr, sehr klein. Man muss dicht rangehen an andere Personen. Man muss laut sprechen, man muss sie wirklich mit den Tröpfchen direkt in Kontakt bringen. Ansonsten passiert da nichts – aus meiner Sicht.

Das Interview führte Annika Täuschel für BR-KLASSIK.

Sendung: Leporello am 12. Mai 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

Weitere Informationen zur Studie zum Musizieren während der Pandemie finden Sie auf der Webseite der Universität der Bundeswehr.

Kommentare (2)

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Samstag, 16.Mai, 00:32 Uhr

Werner Heß

Dank für seriöse Berichterstattung

Vielen Dank für Ihre seriöse Berichterstattung. Meine B-Tuba hat eine Grundlänge von ca. 5,40 Metern und eine weite Mensur, die Kondensation erfolgt auf dem ersten Meter, die Luft tritt drucklos und aerosolfrei aus dem Schallstück aus. Trotzdem forderte eine Berufsgenossenschaft am 06.05.2020 die Einhaltung eines Abstands von 12 Metern vor dem Schallstück und 3 Metern in alle anderen Richtungen.

Bei den gerne zitierten Konzerten und Chorproben wurde weder ein Mindestabstand von 1,50 Metern eingehalten noch hat sich jemand zuvor die Hände desinfiziert, bei der Begrüßung und Verabschiedung wurde das Virus weitergegeben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, daß bei Einhaltung von Sicherheitsregeln eine Gefahr besteht. 80 Sängerinnen und Sänger in einem 120 m²: großen Raum in Berlin konnten keinen Mindestabstand von 1,50 Metern einhalten.

Samstag, 16.Mai, 00:10 Uhr

Werner Heß

Gefahr durch Bläser/innen und Sänger/innen

Vielen Dank für Ihre sachliche Berichterstattung. Meine B-Tuba hat eine Grundlänge von 5,40 Metern und eine weite Mensur. Aus dem Schallstück tritt die Luft drucklos aus und die Kondensation erfolgt nur auf dem ersten Meter, Aerosole kommen nicht aus dem Schallstück heraus. Wenn eine Berufsgenossenschaft am 06.05.2020 einen Abstand von 12 Metern vor dem Schallstück und 3 Metern in alle anderen Richtungen gefordert hat, zeugt dies von absoluter Inkompetenz.
Bei den gerne zitierten Chorproben und Konzerten hielt niemand einen Sicherheitsabstand von 1,50 Metern oder mehr ein, niemand desinfizierte sich vor der Probe die Hände, und vor dem 13.03.2020 fanden Begrüßungen und Verabschiedungen nicht unter Beachtung sozialer Distanziertheit statt. Bei der Probe der Berliner Domkantorei sollen 80 Sängerinnen in einem 120 Quadratmeter großen Raum geprobt haben, bei einem Mindestabstand von 1,5 Metern hätten es maximal 30 sein dürfen, bei einem Abstand von 2 Metern noch weniger.

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