Wer weiß - hätte Daniel Hope als Vierjähriger im Geigenunterricht keinen Wutanfall gekriegt, dann wäre aus ihm vielleicht gar kein Violinvirtuose geworden. Heute ist er einer der populärsten Künstler des klassischen Genres. Ein neuer Film erzählt über sein Leben - und Daniel Hope erzählt im BR-KLASSIK-Interview über den Film.
Bildquelle: Harald Hoffmann
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BR-KLASSIK: Sie wurden gerade mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet - und Sie haben die Auszeichnung Ihrer Familie gewidmet, die von den Nazis vertrieben wurde, aber, wie Sie betont haben, die Liebe zur deutschen Kultur immer aufrechterhalten hat. Ich fand das sehr berührend, weil ich das Gefühl hatte, dass Sie damit eine Form von Frieden schaffen. Erleben Sie das auch so?
Daniel Hope: Ja, bei meiner Familie war das wirklich so, dass eine – man kann könnte fast sagen fanatische - Liebe zu Deutschland bestanden hat. Mein Urgroßvater Clemens Klein, der in Deutschland ein großer Journalist war, hat sich das Leben genommen, statt Deutschland zu verlassen - weil er sich nicht vorstellen konnte, sich von Goethe, Heine und Mendelssohn zu trennen. Deshalb musste ich, als ich diesen Orden erhalten habe, an meine Familie denken. Einige Teile der Familie haben es geschafft zu fliehen, die haben überlebt. Aber zwei meiner Urgroßväter sind an den Folgen der Enteignung und der Nazizeit gestorben. Und ich bin jemand, der nach vorne schaut. Das ist ganz wichtig für unsere Gesellschaft; wir müssen an die Zukunft denken. Ich definiere mich über Musik und ein großer Teil davon ist auch deutsche Musik. Mein Leben ohne Mendelssohn, Bach oder Beethoven wäre unvorstellbar. Deshalb finde ich, dass Deutschland gerade jetzt in Europa eine der wichtigsten Rollen für die Zukunft spielt - jetzt, wo diese katastrophale Entscheidung der Engländer gekommen ist, aus Europa auszusteigen. Ich glaube, wir brauchen Deutschland mehr denn je, um Europa zusammenzuhalten.
Für viele Menschen ist Musik fast so etwas wie ein spirituelles Erlebnis.
BR-KLASSIK: Sie haben gerade gesagt, dass Musik für Sie eines der wichtigsten Dinge ist. Schöpfen Sie insgesamt mehr aus der Musik oder haben Sie einen Glauben, aus dem Sie auch schöpfen?
Daniel Hope: Ich habe auch einen Glauben. Aber für mich ist Musik immer ein Teil davon, und ich glaube, für viele Menschen ist es so, dass Musik manchmal fast so etwas wie ein spirituelles Erlebnis ist. So ist es bei mir zum Beispiel. Man befindet sich in ganz anderen Sphären und schöpft ganz andere Inspiration dadurch. Man kann es vielleicht nicht genau in Worte fassen, was das ist. Aber es ist auf jeden Fall etwas, das viel größer ist als man selbst.
BR-KLASSIK: Der Film "Der Klang des Lebens" läuft jetzt im Oktober an. Wovon handelt er?
Daniel Hope: Dieser Film erzählt im Prinzip meine Familiengeschichte. Mütterlicherseits ist es die jüdisch assimilierte Familie Valentin, die im 17. und 18. Jahrhundert eine große Rolle in Deutschland gespielt hat - kulturpolitisch, aber auch industriell. Dann kam die Enteignung. Diese Geschichte wird erzählt - und parallel mein jetziges Leben, angefangen mit meinen ersten Konzerten als Musikdirektor des Zürcher Kammerorchesters. Der Film gibt zudem einen Einblick ins Leben eines Künstlers, der sehr viel unterwegs und musikbesessen ist, der Musik über alles liebt und mit seiner Musik versucht, Menschen zu erreichen.
Die Geige als Symbol war omnipräsent.
BR-KLASSIK: Der "Klang des Lebens" hätte bei Ihnen wahrscheinlich den Klang der Geige?
Daniel Hope und Yehudi Menuhin | Bildquelle: Private Kollektion Daniel Hope Daniel Hope: Ohne Geige wäre das alles ganz anders geworden - und da muss ich natürlich Yehudi Menuhin danken für diesen sehr kuriosen Zufall, dass wir zu ihm kamen. [Daniel Hopes Mutter arbeitete in London als Sekretärin bei dem berühmten Geiger Yehudi Menuhin, Anm. d. Red.] Aber durch diese Entscheidung, durch diesen Zufall wurde unser Leben auf den Kopf gestellt. Die Geige als Symbol war omnipräsent und deshalb kommt das auch in dem Film vor. Meine Eltern erzählen beide, dass sie nicht besonders überrascht waren, als ich mit vier angekündigt habe, dass ich Geiger werden wollte. Aber richtig ernst genommen haben sie es damals natürlich nicht.
BR-KLASSIK: Und wann haben sie es ernst genommen?
Daniel Hope: Ich glaube, sie haben gesehen, dass, wenn ich mir etwas in den Kopf setze, dann auch alles dafür tue, um das zu ermöglichen. Anscheinend war ich damals ziemlich vehement. Mein Vater hat dann eine Lehrerin gesucht, die für sehr kleine Kinder zuständig war. Wir gingen dahin, ich war vier Jahre alt und sah überall Geigen, die an der Wand hingen. Die Dame hat gleich gesagt: Es tut mir furchtbar leid, aber er ist noch zu klein, kommen Sie am besten in einem halben Jahr wieder. Da hatte ich dann sofort dort auf ihrem Teppich einen Wutanfall bekommen. Ich muss das ganze Haus zusammengeschrien haben - was diese Lehrerin ziemlich geschockt hat. Ich glaube, nur um mich ruhigzustellen, hat sie dann doch ein Instrument von der Wand genommen und es mir gegeben. Und ich habe es genommen und sofort drauf gespielt. Es klang wahrscheinlich grauenvoll. Aber das war für mich dieser Moment, wo ich sagen konnte: Das habe ich geschafft.
BR-KLASSIK: Schade, dass das im Film nicht zu sehen ist.
Daniel Hope: Leider nicht. Aber es gibt einige Kindervideos, auf denen ich mit dieser Lehrerin spiele, da bin ich fünf Jahre alt. Ich bin sehr glücklich, dass wir dieses Material finden konnten und dass man das jetzt in diesem Film auch zum ersten Mal anschauen kann.
Das Interview führte Elgin Heuerding für BR-KLASSIK.
Sendung: "Leporello" am 12. Oktober 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK