Ein Shred-Video sorgte vergangene Woche für Aufregung in der Musikwelt: Arno Lücker, in Klassik-Kreisen als Moderator bekannt, unterlegte ein Internet-Video von Daniel Hope mit einer neuen Tonspur. Die empfand der bekannte Geiger als Beleidigung – und schickte seine Anwälte los. Nun kam es überraschend zur Aussöhnung.
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Vor knapp drei Wochen postete der Dramaturg und Komponist Arno Lücker, der für das Konzerthaus Berlin bislang eine Veranstaltungsreihe moderierte, ein sogenanntes Shred-Video auf dem "Bad Blog of Musick", einem Blog der Neuen Musikzeitung unter Federführung des Komponisten Moritz Eggert. Bei einem Shred-Video werden die Bilder humoristisch nachsynchronisiert. Eine der vielen Kunstformen im Netz, für die Kreative sich Materials aus den Weiten des Internets bedienen - in den allermeisten Fällen ohne die Betroffenen um ihr Einverständnis zu bitten.
Im Falle des Videos mit Daniel Hope sah das wohl ungefähr so aus - lässt sich aus der Berichterstattung herauslesen (der Redaktion liegt das Video nicht vor): Hope kommt auf die Bühne, spricht statt über die Musik unter anderem über Genitalien, danach hört man eine grauenhafte Performance des Geigers mit dem Pianisten Ludovico Einaudi, die so natürlich nie stattgefunden hat.
Nach drei Stunden nimmt Arno Lücker selbst das Video wieder vom Netz. Um die 70 Mal wurde es angeklickt bis ihn ein Bekannter bereits vor den Folgen warnte, wie Lücker selbst gegenüber BR-KLASSIK erklärt.
Als satirische Hommage an den Geiger versteht Arno Lücker das Video. Als Beleidigung und Rufschädigung sieht es hingegen Daniel Hope und leitet unverzüglich rechtliche Schritte ein. Ein anwaltliches Schreiben mit Bußgeldforderung folgt. Die persönliche Aussprache lehnt Daniel Hope ab. Arno Lücker vertraut nun ebenfalls auf einen Anwalt, spezialisiert auf Medienrecht. Nach einem Entschuldigungsschreiben von Lücker ist für den Geiger die Angelegenheit jetzt geklärt, so schreibt Hope in einer gestrigen Stellungnahme.
Ich würde mir wünschen, dass wir uns nun alle dem widmen, was unser Beruf und Berufung ist: der Musik.
Für Lücker stellt sich die Situation dramatischer dar. Neben den Anwaltskosten hat er berufliche Konsequenzen zu tragen. Vergangene Woche wurde er von der Leitung des Konzerthauses Berlin informiert, dass er für die nächste Spielzeit nicht mehr als Moderator beschäftigt wird. Lücker arbeitet als freier Mitarbeiter seit 2010 für das Haus, schreibt Programmtexte und moderiert unter anderem eine Konzertreihe. Auch Daniel Hope ist als Gastgeber einer Reihe ("hope@9pm") am Konzerthaus Berlin engagiert. Eine Einflussnahme des Geigers auf das weitere Engagement Lückers weist das Haus von sich. Der eingesprochene Text im Video sei als beleidigend und respektlos empfunden worden, schreibt Konzerthaus-Intendant Sebastian Nordmann in seiner Stellungnahme.
Diese Art von 'Humor' ist nicht mit den Aufgaben eines Moderators vereinbar, der zugleich Gastgeber am Konzerthaus ist.
Arno Lücker sieht sich missverstanden. Er hatte das Video als Shred gekennzeichnet und sehr schnell aus dem Netz entfernt. Lücker erklärt gegenüber BR-KLASSIK, er habe niemanden beleidigen, sondern mit seinem "Lausbuben-Humor" den Zugang zur ernsthaften Klassikszene erleichtern wollen.
Im besagten Blog der Neuen Musikzeitung müssen die Einträge von Lückers ab jetzt vom Chefredakteur freigegeben werden. Für diesen Blog ist das unüblich und nicht der gewohnte Veröffentlichungsweg. Moritz Eggert, Musiker und Mitbegründer des Blogs, versucht, die Situation zu entschärfen, hinterfragt in einem "Offenen Brief" aber auch die Mechanismen der Klassik-Welt: Wer hat hier Einfluss auf wen und wie beeinflussen diese Strukturen die Berichterstattung und das Musikbusiness? Eggert hält die Reaktion von Daniel Hope für übertrieben und hofft auf eine baldige Aussöhnung zwischen den Parteien. "Müssen Anwälte bemüht werden für etwas, das man eigentlich bei einem Bier und einem netten Gespräch klären könnte?(…) Fassen Sie sich ein Herz und begegnen Sie dieser Angelegenheit nicht mit einem zornigen, sondern mit einem zwinkernden Auge."
Vergangenen Samstag (20.01.18) kam es in der Philharmonie Essen zu einem persönlichen Gespräch und einer Aussöhnung zwischen Daniel Hope und Arno Lücker. Der Streit ist laut Lücker und Hopes Management auch juristisch beigelegt. An der Entscheidung des Konzerthauses Berlin, Lücker für die nächste Spielzeit nicht wieder als Moderator zu engagieren, hat sich nichts geändert.