BR-KLASSIK

Die junge Klassik-Generation ist lebendig. Sie will nicht unbedingt 24/7 im Orchester sitzen. Eher geht es ihr darum, eigene Musik zu schreiben, zu improvisieren, Stile zu vermischen, neue Konzertformate zu entwickeln. Um diese kreative Energie zu bündeln, haben Florian Willeitner und Ivan Turkalj den "Pool of Invention" gegründet. Präsentiert haben sie ihre Projekte dieses Wochenende im bayerischen Outback.

Draußen fällt im Dunkeln der erste Schnee, die Grenze zu Tschechien liegt hinterm Wald ca. 20 Gehminuten entfernt. Und drinnen ist es warm und gemütlich, im Haidhäusl, dem Veranstaltungszentrum der Gegend, ein 200 Jahre altes Bauernhaus. Ca. 60 Gäste sind gekommen, um dem tschechischen Musiker Václav Fuksa zuzuhören. Er hat eine Sammlung alter böhmischer und mährischer Volkslieder mitgebracht. Lieder, Liebeslieder mit einem Hang zur Tragik, die die tschechische Mentalität widerspiegeln. "Wir machen Witze über tragische Sachen, auch über uns selbst", sagt Václav. "Das gefällt mir sehr, wenn man über sich selbst Witze machen kann."

Gründer des Pool of Invention: Florian Willeitner und Ivan Turkalj

Der tschechische Musiker Václav Fuksa hat eine Sammlung alter böhmischer und mährischer Volkslieder mitgebracht. | Bildquelle: Victoria Nazarova Ins Haidhäusl eingeladen haben ihn Geiger Florian Willeitner und Cellist Ivan Turkalj. Zusammen haben sie vor drei Jahren den "Pool of Invention" gegründet. Ein Kollektiv, das internationale Musiker vernetzt, mit Gleichgesinnten in Verbindung bringt und Auftrittsmöglichkeiten schafft. Was die Künstlerinnen und Künstler alle eint: Sie wollen mir ihren musikalischen Fähigkeiten kreativ umgehen, nicht nur im Orchester sitzen und das Klassikrepertoire beherrschen. Sie wollen komponieren, sich mit Dichtern, Bildenden Künstlern und Tänzern zusammentun. Musikkulturen verbinden. Eine richtige Plattform gibt es für diese Ideen zwischen den gewohnten Schubladen bisher nicht. "Es gibt Zyklen für Lied, Kammermusik, Orchester, aber ein Zyklus, der sich der Innovation in der Klassik annimmt, das gibt es so nicht," so ist die Beobachtung von Gründer Ivan. "Es gibt immer wieder Einzelkonzerte, aber dann kann man da nicht weitermachen und das ist das Problem" – und der Grund für den Pool of Invention.

Dieses Jahr im Zentrum: deutsch-tschechischer Begegnungstag

Das Pool of Invention-Festival findet einmal im Jahr statt. Eine Gelegenheit, um Projekte aus dem Pool zu präsentieren und ganz intensiv an neuen Ideen zu schrauben. Beim deutsch-tschechischen Begegnungstag des Festivals mischen sich Tschechen und Deutsche im Publikum, ihre Sprachen, die Musik. Am Nachmittag werden Instrumente aus recycelten Materialen gebastelt, es wird gemeinsam gesungen. Für den tschechischen Musiker Václav Fuksa, dem Nachbarn von Nebenan, wie er sich vorstellt, ist das etwas ganz Besonderes: "Es ist unglaublich, wie schnell sich Europa verändert hat. Vor kurzer Zeit waren die Grenzen noch zu und es sind schreckliche Dinge passiert. Und auf einmal treffen wir uns hier aus verschiedenen Ländern und teilen die Musik und genießen es."

Sendung: "Allegro" am 21. November 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK