Björk und Barack Obama sind Fans. Meredith Monk – dieser Name steht für den wohl umstürzlerischsten Gesang, den man sich vorstellen kann. Und das ganz ohne Text. Über eine Frau, deren Kunst auch im hohen Alter zum Innovativsten und Spannendsten gehört, was die Welt zu bieten hat.
Bildquelle: Luciano Rossetti
Porträt
Meredith Monk zum 80. Geburtstag
Wie keine andere hat Meredith Monk unser Bild von der Stimme geprägt, verändert, erweitert, auf den Kopf gestellt, und mehr noch: unser Bild von Kunst. Seit vielen Jahrzehnten experimentiert sie mit verschiedenen Kunstformen, bis heute steht sie auch selbst auf der Bühne. Ihren Durchbruch feiert sie 1966 mit "16 Millimeter Earrings", einem Stück für Stimme, Gitarre, Tonband und Video. Noch immer, seit fast 60 Jahren ist ihre eigene Stimme ihr liebstes Studienobjekt. Meredith Monk bringt Laute und Töne hervor, bei denen man sich völlig zurecht und zugleich komplett in die Irre geführt fragt: Und das macht sie wirklich alles mit ihrer Stimme?
In ihrem Loft in New York, das sie seit den 1970er Jahren bewohnt, experimentiert Monk mit künstlerischen Ideen. Sie lässt ihre Stimme, die sich über drei Oktaven erstreckt, springen, dreht sie, singt Lachlieder oder versucht Gesten wie die Bewegung einer Hand allein mit ihrer Stimme nachzubilden. Sie steht als genderfluide Person mit Schnurrbart und Rock auf der Bühne und nennt ihre Stücke Opern, weil sie das damals für die Kunstform hält, in der sich am ehesten verschiedene Disziplinen und Formen miteinander verweben lassen. Als sie Anfang der 1990er Jahre mit "Atlas" dann tatsächlich ihre erste richtige Oper an einem normalen Opernhaus inszeniert und zum ersten Mal mit Opernsängerinnen und -sängern und dem gesamten Apparat dahinter zu tun hat, ist sie, na ja, überrascht. Den Diven in ihren schwarzen Kleidern bietet sie Jogginghosen an. Wichtiger als eine perfekt vorgetragene Arie ist ihr, ob die Sängerinnen auch ohne Vibrato singen, sich in eine Gruppe einfügen können und freundliche, großzügige Menschen sind.
Die meisten ihrer Stücke entstehen im Prozess. Eher selten liefert Monk eine fertige Partitur ab. Auch das ein Bereich, in dem die Sängerin, Tänzerin, Filmemacherin, Theaterregisseurin und Choreografin ihrer Zeit immer voraus ist. Aktuell spricht die Szene der zeitgenössischen Musik viel von kollaborativen Prozessen und Künstlerkollektiven. Monk arbeitet schon seit Jahrzehnten so. Sie sucht nach neuen Formen in den Rissen, kombiniert Klang, Bewegung, Gesang, Installationen, Design und Medien. Ihre Musik taucht in Filmen wie "The Big Lebowski" der Cohen-Brüder oder in Jean-Luc Godards "Nouvelle Vague" auf.
Meredith Monk ist 80 Jahre alt, sie hat Stücke über den Zweiten Weltkrieg, über Schildkröten und amerikanische Ureinwohner geschrieben. Sie ist eine Alles-ist-möglich-Frau. Ihre Stimme schrillt, plappert, grunzt, knurrt, gluckst und zwitschert, sie keucht und singt und erzählt ohne ein einziges Wort Geschichten, die tröstend oder quälend sind, traurig oder fröhlich – und oft alles zugleich.
Sendung: "Allegro" am 21. November 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)