Ein Klick – und die Musik beginnt. Digitale Konzertformate nehmen zu. Doch was macht diese eigentlich unterhaltsam und künstlerisch attraktiv? Was will das virtuelle Publikum? Das untersucht jetzt ein groß angelegtes Forschungsprojekt – vom Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik und der Universitäten in Friedrichshafen, Bern und York. Wer mitmachen will, kann sich noch bewerben. Die Studie startet Mitte Januar.
Bildquelle: © Phil Dera
Natürlich gibt es Konzerte via Live-Stream oder Aufzeichnung im Internet nicht erst seit Corona. Doch seitdem die normalen Auftrittsmöglichkeiten im Konzertsaal weitgehend wegfallen, sind Streams vielerorts eine Alternative. Umso mehr drängt die Frage danach, wie diese digitalen Konzerte in Zukunft aussehen soll: Welche Art der digitalen Aufbereitung kommt beim Publikum wirklich gut an? Was muss verbessert werden? Wirkliche Forschungsergebnisse hierzu gibt es bislang nicht. Das soll sich nun ändern.
Das Angebot an audiovisuellen Musikangeboten ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Nicht zuletzt geht es für Konzerthäuser, Festivals und private Anbieter darum, das Publikum von morgen anzusprechen. Wie muss sich das Konzertwesen unter dem rasanten Druck des digitalen Wandels als Kulturform und soziales Forum behaupten? Diese Frage stellte sich Professor Dr. Martin Tröndle. Er lehrt an der Zeppelin Universität (ZU) in Friedrichshafen am Bodensee. Die hat nun die Federführung für das Forschungsprojekt übernommen.
Neben der ZU sind auch das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main, die Universität Bern in der Schweiz und die University of York in Großbritannien an dem Forschungsprojekt beteiligt. Gefördert wird es von der VolkswagenStiftung und der Aventis Foundation. Der Deutscher Musikrat ist Partner des Forschungsprojektes.
Mit dabei beim Forschungsprojekt: der Cellist Alban Gerhardt. | Bildquelle: © Kaupo Kikkias Um die Wirkung von digitalen Konzertangeboten zu untersuchen, hat das Forschungsteam einen Konzertfilm produziert. Jetzt soll die Wirkung dieses Films auf das virtuelle Publikum untersucht werden. Dazu werden sechs verschiedenen Streaming-Varianten getestet. Gestaltet wurden sie von dem Konzert-Designer Folkert Uhde. An dem Projekt sind hochkarätige Musiker beteiligt: das Kammermusikensemble Alban Gerhardt & Friends, also Baiba Skride, Gergana Gergova, Micha Afkham, Brett Dean und der Cellist Alban Gerhardt. Sie spielen Streichquintette von Ludwig van Beethoven, Brett Dean und Johannes Brahms.
"Geladene Zuschauer beurteilen dann, wie und warum ihnen die verschiedenen Formate gefallen ", sagt Prof. Melanie Wald-Fuhrmann im BR-KLASSIK-Interview. Sie ist Direktorin des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik. Bei der Studie ist unter anderem bereits ein Format mit VR-Brille dabei. "Bei Virtual Reality könnte man zum Beispiel darüber nachdenken, dass man als Zuschauer dann zum Beispiel zwischen den Musikern sitzt und den Geigern zum Beispiel über die Schulter schauen kann." Wald-Fuhrmann sieht die aktuelle Konzert-Situation nicht nur negativ. Sie betrachtet sie vielmehr als Chance für ein neues Erleben von Konzerten: "Es gibt zum Beispiel Freiheiten bei der Wahl, wann und wo man das Konzert verfolgen möchte."
Los geht die Studie "Digital Concert Experience" am 15. Januar 2021. Momentan werden noch Teilnehmer gesucht. Bewerben kann man sich hier.
Im Anschluss an die Studie sollen die Ergebnisse übrigens mit einer weiteren großangelegten Studie derselben Forschungsgruppe unter dem Titel "Experimental Concert Research" abgeglichen werden. Diese Studie, die das reale analoge Konzerterlebnis untersucht, wurde bereit 2019 gestartet und läuft bis 2022 – in Kooperation mit dem radialsystem V und dem Pierre Boulez Saal in Berlin. Bei ihr geht es um die Vermessung des live vor Ort erlebten Konzerts mittels ausführlicher Vor- und Nachbefragungen, Messungen der Herzrate und des Hautleitwerts, der Bewegungen wie auch emotionaler Zustände.
Sendung: "Leporello" am 23. Dezember 2020 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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