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Mythos Donaueschingen Lohnt sich der Weg?

Atemberaubende Klanginstallationen, radikale und verstörende Inszenierungen, neue Hörerlebnisse - das versprechen die Donaueschinger Musiktage. Doch finden diejenigen, die alljährlich in den Schwarzwald ausziehen, auch wirklich das, wonach sie suchen? Thorsten Preuß ist Redakteur für Neue Musik bei BR-KLASSIK und seit Jahren vor Ort. Er hat viele Kröten geschluckt und kommt trotzdem immer wieder.

Lichtskulptur "HYPERION_Fragment" der Künstlerin Rosalie und dem Komponisten Georg Friedrich Haas 2006 | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Donaueschingen ist ein Mythos. Paul Hindemith hat das Festival einst groß gemacht. Pierre Boulez feierte dort seine schönsten Skandale. Hans Werner Henze wurde hier traumatisiert, als seine Kollegen während der Uraufführung seiner "Nachtstücke und Arien" den Saal verließen. In Donaueschingen wurden Stockhausens "Gruppen" uraufgeführt und Pendereckis "Anaklasis", "Metastaseis" von Xenakis und "Atmosphères" von Ligeti.

Die Zeit der Aufreger ist vorbei

Das alles passierte, bevor ich geboren wurde. Wenn ich an meine Besuche in Donaueschingen denke, dann fallen mir erstmal trübe Nebeltage ein. Geschäftige Meetings von Musiklobbyisten. Stücke, bei denen man sich schon nach drei Minuten langweilte, die aber noch dreißig Minuten dauerten. Konzerte mit fünf Uraufführungen, von denen man allenfalls eine noch ein zweites Mal hören wollte.

Thorsten Preuß | Bildquelle: BR Der Redakteur Thorsten Preuß | Bildquelle: BR Die Zeit der Aufreger ist vorbei. Haben es sich auf den Schultern der alten Riesen nicht längst die Zwerge bequem gemacht, die zwar weiter sehen können, aber im Grunde einfach so weitermachen wie ihre Lehrer? Vieles in Donaueschingen ist vorhersehbar geworden. Meine Neue-Musik-Sternstunden habe ich eigentlich anderswo erlebt, in München oder Salzburg, Stuttgart oder Berlin. Warum also fahre ich immer noch nach Donaueschingen? Vielleicht liegt es am Nervenkitzel. Die Fahrt ans gefühlte Ende der Welt, in der Hand ein Programm mit Namen und Titeln, die wie Verheißungen klingen. Die Spannung, die Vorfreude auf Unbekanntes. Und dann ein Saal, proppenvoll mit hohen Erwartungen und hochnäsig gerümpften Ohren. Und klar, dann kommt natürlich sofort die kalte Dusche. Der junge Komponist, der vor den mit dem Mythos Donaueschingen verknüpften Erwartungen kapituliert hat. Oder das Routinestück des längst Arrivierten, gerade noch fertig geworden neben den vielen anderen Aufträgen. Und dann fühlt man sich wie bei einem heiß ersehnten Champions-League-Finale, in dem einfach kein Tor fallen will.

Aber dann, wenn man sich schon abgefunden hat mit den trüben Nebeltagen, dann bricht plötzlich die Sonne durch. Dann ist plötzlich eine eigene Stimme vernehmbar, eine individuelle Handschrift sichtbar. Und meistens dort, wo man es gar nicht erwartet hat. "In unserer Branche", hat mir kürzlich ein Ensemble-Manager gesagt, als ich nach einem Konzert gar zu unglücklich drein schaute, "muss man halt viele Frösche küssen, bevor man einen Prinzen bekommt." Ja, mag sein, dass ich im Schwarzwald schon manche Kröte geschluckt habe. Aber den Prinzen, wenn er dann kommt, will ich nicht verpassen. Und darum fahre ich auch dieses Jahr wieder nach Donaueschingen.

Donaueschinger Musiktage 2016

Festival für Neue Musik
Vom 14. bis 16. Oktober 2016

In diesem Jahr haben die Donaueschinger Musiktage den englischsprachigen Raum im Blick.
An zehn Spielstätten finden 16 Konzerte und Klanginstallationen statt.
Es treten rund 208 MusikerInnen und 23 Komponisten und Klangkünstler auf.

Das Eröffnungs- und Abschlusskonzert sowie das Konzert des SWR Vokalensembles stehen im Webportal SWRClassic.de zum Abruf bereit.

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