Am 27. Juli ist Einojuhani Rautavaara, Grand Seigneur der Finnischen Musik unserer Zeit, im Alter von 87 Jahren gestorben. Auf vielfältige Weise kommt im Schaffen dieses hochkreativen, weltweit geschätzten Künstlers zur Resonanz, was die Kulturen des hohen Nordens prägt: ein Lebensgefühl im Rhythmus von Mitternachtssonne und immerwährender Dunkelheit, Atem, Mystik und Klang, wie sie die Wasser und unendlichen Weiten der skandinavischen Natur durchfluten.
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Geboren als Sohn eines Sängers am 9. Oktober 1928 in Helsinki, hatte der junge Rautavaara in Turku sowie in seiner Heimatstadt studiert. Auslandsaufenthalte in Wien und in den USA schlossen sich an. Sein großer Vorgänger Jean Sibelius ermöglichte ihm ein Stipendium der Koussevitzky Foundation für Studien an der Julliard School of Music. Später gehörten u.a. auch Roger Sessions und Aaron Copland zu seinen Lehrern. Rautavaara hinterlässt ein umfangreiches, stilistisch vielfältiges Oeuvre, in dem neoklassizistische, reihentechnisch grundierte und ausgesprochen neoromantische Züge aufgehoben sind. Und immer wieder waren es die Sprache und die Mythologie seiner Heimat, die ihn inspiriert haben.
Der moderne Künstler muss sich trauen, frei zu verfahren.
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"Die finnische Musiksprache - Rhythmik, Metrik etc. - ist für meine Musik immer wichtig gewesen", bestätigte Rautavaara. "Die Libretti meiner Opern habe ich immer selbst geschrieben. Lyrik und der Klang der Sprache ist oft der Ausgangspunkt für meine Musik gewesen. Doch kann der Zugriff auf eine alte Mythologie, wie die des Kalevala nur fruchtbar sein, wenn man sie durch das Weltbild der eigenen Epoche hindurch betrachtet und deutet. Der moderne Künstler muss sich trauen, ebenso frei zu verfahren wie seinerzeit Lönnrot mit der von ihm gesammelten Volksdichtung. Somit leitet er sich auch sein Recht ab, mit dem Verändern oder Streichen von Versen das Epos sozusagen zu verfälschen."
Viele Jahre lang wirkte Einojuhani Rautavaara als so gebildeter und liebenswürdiger wie inspirierender, dem Stilpluralismus keineswegs abholder Professor für Komposition an der Sibelius Akademie in Helsinki. Zu seinen Schülern gehörten international so erfolgreiche Komponisten wie Magnus Lindberg, Esa-Pekka Salonen oder Olli Mustonen. Ob in seiner vielfältigen Kammermusik, den zwölf Konzerten und acht großen Sinfonien: Immer wieder ermöglichte es der Klangmagier Rautavaara Bereiche aufzutun, die der Zeit entrückt erscheinen. So komponierte er ein Konzert für Vogelstimmen und Orchester "Cantus Arcticus", das zu seinen größten Erfolgen zählt. Und er beschwor sogar die Existenz von Engeln: dunklen Kräften wie in seinem Kontrabasskonzert "Angel of Dusk" und solchen des Lichts wie in seiner Siebten Symphonie "Angel of Light".