Sie war ein Freigeist und scherte sich nicht um Konventionen: die Komponistin Emilie Mayer. Zu Lebzeiten wurde sie als "weiblicher Beethoven" bezeichnet, trotzdem geriet sie in Vergessenheit. Das ändert sich seit ein paar Jahren.
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Geboren wird Emilie Mayer als Apothekers-Tochter in der mecklenburgischen Provinz. Zwar bekommt sie schon mit fünf Jahren Klavierunterricht und sie notiert auch bald erste eigene Ideen auf dem Notenpapier, aber nach dem frühen Tod der Mutter bleibt die Erziehung der jüngeren Geschwister und der Haushalt an ihr hängen. Das durchschnittliche Los einer unverheirateten bürgerlichen Frau im 19. Jahrhundert. Und tatsächlich soll erst ein tragisches Ereignis, der Selbstmord des Vaters, sie unverhofft in die Freiheit und Selbstständigkeit befördern. Ohne lang zu zögern, begibt sich die immerhin schon 28-jährige Emilie mit einem größerem Erbe im Rücken nach Stettin - und beginnt ein privates Kompositionsstudium.
Woher die junge Frau den Mut nimmt, ein Leben als Künstlerin zu wagen, lässt sich nur erahnen. Es gibt wenig Material, so die Musikwissenschaftlerin Almut Runge-Woll, die über Emilie Mayer promoviert hat. Ihr Selbstbewusstsein zeige sich aber ganz klar schon in ihrer Arbeit: "Statt bei einfachem Lied zu bleiben, fing sie gleich mit großer Besetzung an."
Emilie Mayer war ein Freigeist und hat sich um die Konventionen der Zeit nicht geschert.
Emilie Mayer liebt die großen "männlichen" Gattungen: Sonaten und Sinfonien. Weil ihre Begabung überzeugt, schickt sie ihr Lehrer Carl Loewe weiter nach Berlin, wo sich bald die Öffentlichkeit für ihre Musik begeistert: Für einen Stil, der wenig gefällig ist, auch wenig das, was man damals unter weiblich versteht. Nicht ohne Grund, sagt Almut Runge-Woll, habe man ihr den Spitznamen "weiblicher Beethoven" gegeben. Ihre Werke werden am Königlichen Schauspielhaus aufgeführt. Eine besondere Ehre, für die man eine persönliche Erlaubnis des Königs braucht. In den folgenden Jahren tritt Emilie Mayers Musik einen Siegeszug durch Europa an: Sie wird in Wien, Leipzig, Halle und Brüssel aufgeführt. In München ernennt sie die Philharmonische Gesellschaft zum Ehrenmitglied. In Berlin wird sie Mitvorsteherin der Opernakademie - und Königin Elisabeth von Preußen überreicht ihr für ihre musikalischen Verdienste einen Orden. Und trotzdem: Als Emilie Mayer 1883 in Berlin stirbt, wird ihr Werk schnell vergessen. Aber warum?
Ein ganz praktischer Grund sei, betont Musikwissenschaftlerin Runge-Woll, dass Emilie keine direkten Nachfahren hatte: "Sie hat ausschließlich fürs Komponieren gelebt. Hat auf alles andere verzichtet." Kinder, Enkel oder Urenkel, die sich um das Werk hätten kümmern können, gab es nicht. Dafür eine Nichte in Berlin, bei der Emilie Mayers musikalischer Nachlass landete, der später an die Preußische Staatsbibliothek verkauft wurde. Immerhin. Allerdings müssen die Kompositionen, die größtenteils nie gedruckt wurden, bis heute mühsam aufbereitet werden. Seit dem 200. Geburtstag der Komponistin gibt es wieder mehr Aufmerksamkeit.
Buchtipp: Barbara Beuys "Emilie Mayer. Europas größte Komponistin. Eine Spurensuche", Dittrich Verlag 2021.
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