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Die österreichische Musicbanda Franui Zwischen Friedhof und Tanzboden

Innervillgraten ist ein kleines Dorf in Osttirol. Am Rand dieses Dorfes gibt es eine Almwiese. Die Leute nennen sie Franui, ein rätoromanisches Wort, von dem niemand mehr weiß, was es bedeutet. Und so heißt auch die sympathisch-schräge Musicbanda Franui - etliche ihrer Mitglieder stammen aus Innervillgraten.

Musicbanda Franui | Bildquelle: Reiner Pfisterer

Bildquelle: Reiner Pfisterer

Auf dem Dorf musste jeder, der ein Instrument beherrschte, die Trauermärsche bei den Beerdigungen mitspielen. Beim Leichenschmaus, erzählt Trompeter Andreas Schett, hätten die Musiker ein Paar Würstl bekommen und meist daraufhin den Trauermarsch von der Beerdigung noch mal, aber im vierfachen Tempo gespielt: "Das heißt: Es geht weiter." So kam Franui zum augenzwinkernden Motto: "Wenn Du einen Trauermarsch vier Mal so schnell spielst, ist es eine Polka." Ein Motto voller Lebensfreude - einer Freude allerdings, die die Abgründe des Lebens kennt und mit einer bittersüßen Melange aus Melancholie und Tanzboden beschwört.

Zwischen Dorf und Hochkultur

Dass hinter dem ländlichen Bergidyll, in dem der musikalische Kosmos von Franui wurzelt, allerdings eine sehr einengende Dorfstruktur herrscht und eine Mentalität, die alles andere als aufgeschlossen ist gegenüber kulturellen Aufbrüchen, musste Andreas Schett am eigenen Leib erfahren. In den 1990er Jahren organisierte er die "Villgrater Kulturwiese" - pro Jahr etwa 40 Veranstaltungen aus den Bereichen Kunst, Musik, Literatur, Theater und Film, die die sanften Hänge um den Ort belebten. Viele Projekte thematisierten jedoch auch die Schattenseiten des Dorflebens, etwa den Alltag der Frauen jenseits aller Dirndl-Romantik oder den großen Einfluss der Kirche auf alle Lebensbereiche. Franui fungierte gewissermaßen als Festivalkapelle, rührte mit seinen Auftritten an den Klischees der Heimat- und Volkslieder oder begleitete zum Beispiel einen Andreas-Hofer-Stummfilm als Kontrastprogramm zum Bezirksschützenfest.

Da zu den Veranstaltungen überwiegend auswärtige Besucher kamen, blieben die traditionsbewussten Dorfbewohner ablehnend. Kunstwerke, die im Dorf aufgestellt waren, wurden zerstört, es gab Drohungen, an den Stammtischen wurde gewettert. Den Gipfel erreichte der Konflikt 1996, als das 370 Jahre alte Bauernhaus in Flammen aufging, in dem der Trägerverein des Festivals untergebracht war. Es war Brandstiftung - bis heute ist kein Täter ermittelt worden.
Resigniert gab Schett auf und entfloh der geistigen Enge des Tals. Franui nahm er mit. "Franui wurden anfangs als Spielart eines Trends, der neuen Volksmusik, wahrgenommen", schreibt der Journalist Christian Seiler, "aber während sich der Trend sanft in nichts auflöste, schärften Franui befreit ihr Profil und entwickelten sich selbstbewusst weiter. Die Volksmusikkapelle verleugnete neben dem Spaß an der musikalischen Sortenvielfalt auch ihre Bildung nicht mehr und rückte näher an die Bühnen der Hochkultur, an die Musikalienschränke der großen Meister."

Virtuos und erdig

"Die Hauptschauplätze unserer Musik", schreiben die beiden Arrangeure und Komponisten von Franui, Andreas Schett und Markus Kraler, "sind der Friedhof und der Tanzboden. An beiden Orten ist eine rechteckige Fläche das Zentrum der Aufmerksamkeit." Zu den Trauermärschen ihrer Heimat hatten die Musiker von Franui stets ein enges Verhältnis. Aber erst als sie nicht mehr dort lebten, erkannten sie, dass sich auch klassische Komponisten wie Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Schubert oder Gustav Mahler sehr oft bei den ländlichen Trauermärschen bedient hatten. "Wir haben ihnen die Trauermärsche einfach wieder zurückgestohlen", sagt Andreas Schett schmunzelnd.

Volksliedforschung

Musicbanda Franui | Bildquelle: Julia Stix Musicbanda Franui | Bildquelle: Julia Stix In ihrem Programm "TANZ! (Franz)" stehen Franz Schubert und Béla Bartók im Mittelpunkt. Schubert ist schon lange einer der "Hausheiligen" von Franui. Als sich die Musiker mit den volksmusikalischen Wurzeln in den Tänzen und Liedern Schuberts beschäftigten, stießen sie auch auf die musikalischen Feldforschungen von Béla Bartók. Er reiste durch die Dörfer seiner Heimat und zeichnete die Tänze und Lieder der Bauern mit einem Phonographen auf. Seine Sammlung wertete er systematisch aus und veröffentlichte sie 1922 in dem Buch "Das ungarische Volkslied". Er hatte während seiner Forschungen erkannt, wie wenig regionale Kulturen und nationale Grenzen übereinstimmten, und beschäftigte sich daher über Ungarn hinaus mit der Musik aller Ethnien, die in den Ländern von der Donau bis zum Balkan lebten: Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Slowaken und viele andere. Etliche der Melodien hat Bartók in seine eigenen Kompositionen mehr oder weniger wörtlich übernommen. Daraus wiederum speisen sich einige Stücke von Franui, manchmal dann noch zusätzlich angereichert durch Melodien von Schubert oder Mozart.

Vom Kopf auf die Füße

Was ist Komposition, was Arrangement, was Improvisation? Bei Franui ist das gar nicht so genau zu unterscheiden, jedes Stück wird anders erarbeitet, überarbeitet, erschlossen, wie Andreas Schett und Markus Kraler erläutern: "Manche Musik zelebrieren wir in all ihrer Schönheit, indem wir sie uns mit unserem merkwürdigen Instrumentarium aneignen und da und dort lediglich einen kleinen Farbtupfer hinzufügen. Manchmal stellen wir aber auch alles vom Kopf auf die Füße (oder umgekehrt), skelettieren, fantasieren, komponieren weiter und fügen Musik aus verschiedenen Landstrichen und Zeitaltern neu zusammen." Die Besetzung von Franui entspricht der einer österreichischen Tanzkapelle, wie Andreas Schett sie beschreibt: "Hohes und tiefes Blech, Holzbläser ('süßes Hölzl'), Volksharfe, Zither und Hackbrett. Dazwischen und darüber Streichinstrumente - als Schmiere."
Franui - eine Musicbanda zwischen Friedhof und Tanzboden. Seinem Programm "Tanz! (Franz)" hat Franui als Motto ein für Schubert ungewohnt hoffnungsfrohes Zitat aus der "Schönen Müllerin" beigegeben: "Und Lenz wird kommen / Und Winter wird gehn…".

Infos zum Konzert

Dienstag, 14. März 2017

Prinzregententheater
MÜNCHEN

Musikbanda Franui
"Tanz! (Franz)"

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