Xavier de Maistre ist der wahrscheinlich bekannteste Harfenist unserer Zeit. Ein Star an den Saiten. Von den Mühen des Arbeitsalltags befreit das nicht. Gerade ist der Franzose auf Tour, gastiert am Montagabend in Erlangen. Mit BR-KLASSIK hat er über verhornte Finger und das leiseste Pianissimo der Welt gesprochen.
Bildquelle: Felix Broede
In der Talkshow 3nach9 hat Xavier de Maistre mal erzählt, wie seine Eltern reagierten, als er sich sein Instrument aussuchte. Fast zerknirscht habe sein Vater der Lehrerin mitgeteilt, dass der kleine Xavier Harfe spielen wolle. "Das ist doch keine Krankheit!", habe die Harfenistin erwidert. Großer Lacher.
Klar, für De Maistre ist die Harfe Leidenschaft und Lebensaufgabe. Ein ganz leichtes Päckchen hat er da allerdings tatsächlich nicht zu tragen. Ein "sehr physisches Instrument" sei die Harfe, erklärt er im Interview mit BR-KLASSIK, über 50 Kilo sei das Instrument schwer. Keine geringe Belastung also beim Üben. Dazu kommen die Stahlseiten. Wer einmal eine Harfenistin beim Spielen beobachtet hat, dürfte eine Ahnung davon haben, wie viel Arbeit es ist, dem Instrument seine zarten Töne zu entlocken. Ohne Hornhaut keine Chance, sagt De Maistre. Dazu habe er ziemlich unempfindliche Finger – "in diesem Punkt habe ich Glück".
Immerhin: Auf Tour muss er nicht schleppen. Seine vier eigenen Harfen bleiben zuhause. De Maistre müsste einen eigenen Kleinlaster mieten, um die Instrumente zu transportieren. Das spart er sich. "Ich muss mich darauf verlassen, dass vor Ort ein gutes Instrument zur Verfügung steht, ein bisschen wie die Pianisten." Auch das also eine Glücksfrage.
Glück dürfte auch eine Rolle in De Maistres Karriere gespielt haben. Und eine ganze Menge Talent. Mit 22 wird er Soloharfenist beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, vier Jahre später wechselt er in gleicher Position nach Wien, zu den Philharmonikern. Und nochmal 2 Jahre später – De Maistre ist damals 28 – bekommt er eine Professur an der Musikhochschule in Hamburg.
Ich habe ziemlich unempfindliche Finger
Seine Orchesterstelle hat er mittlerweile aufgegeben. Zu zahlreich sind seine Konzertverpflichtungen. Und zu groß der Wunsch auch weniger bekanntes Repertoire für die Harfe auf die Konzerbühne zu bringen. In den letzten Jahren hat er sich mit Bearbeitungen einen Namen gemacht. Und in seiner jüngsten Einspielung zum Beispiel ein wenig bekanntes Konzert des Schostakowitsch-Zeitgenossen Alexander Mossolow dem Vergessen entrissen. Die Konzertveranstalter täten sich jedoch weiterhin schwer mit weniger bekannten Werken. Als "exotisches Instrument" werde die Harfe immer noch wahrgenommen, so de Maistre. "Und wir haben als Harfenisten leider kein Repertoire von so bedeutenden Komponisten wie Mozart, Tschaikowski oder Brahms. Da ist es nicht immer leicht, das Vertrauen großer Veranstalter zu gewinnen."
Das gelte sogar für das Harfenkonzert von Reinhold Glière, mit dem De Maistre gerade tourt. Wahrscheinlich das bekannteste seiner Art. Und eine romantische Rarität. "Man stellt sich die Harfe ja immer so als romantisches Instrument vor", so De Maistre, "aber wir haben wenig Literatur aus dem 19. Jahrhundert." Gut, jetzt stammt das Harfenkonzert von Glière zwar aus den 1930ern, aber der Duktus ist immer noch spätromantisch. Und die Orchestrierung sei sowieso unschlagbar, so De Maistre. Keine Kleinigkeit bei einem Instrument, das – wie er sagt – zwar kein Fortissimo kann, dafür aber das "leiseste Pianissimo der Welt".
Sendung: "Leporello" am 5.12.2022 ab 16:05 Uhr
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