Am 6. und 8. Oktober führt der Konzertmeister des BR-Symphonieorchesters Anton Barakhovsky das Violinkonzert von Esa-Pekka Salonen auf - unter der Leitung des Komponisten. Im Interview spricht er über die technischen Herausforderungen, aber auch über die zahlreichen Schönheiten dieses Werks.
Bildquelle: Astrid Ackermann
BR-KLASSIK: Es ist kein Geheimnis: Sie sind angefragt worden, nachdem fünf Solisten das Konzert von Esa-Pekka Salonen abgelehnt hatten. Wie kam es dazu, dass Sie gesagt haben: "Ja, ich mach‘ das!" Es ist ja ein sehr anspruchsvolles, hochvirtuoses Violinkonzert.
Anton Barakhovsky: Eigentlich per Zufall. Ungefähr vor fünf Jahren habe ich dieses Konzert in Hamburg live gehört. Da habe ich sofort gedacht: "Das ist wirklich ein sehr gutes Konzert." Und als ich gehört habe, dass dieses Violinkonzert bei uns gespielt wird, habe ich mich sehr gefreut. Und dann plötzlich habe ich von Herrn Salonen erfahren, dass dieses Konzert doch nicht gespielt wird, weil kein Solist gefunden wurde, der dieses Konzert aufführen könnte. Und dann schoss mir sofort der Gedanke durch den Kopf: Das wäre doch die Gelegenheit für mich, dieses Konzert zu lernen. Erst habe ich mich nicht getraut zu fragen, weil ich dachte, es wäre unhöflich, mich selbst anzubieten. Dann habe ich doch mit dem Manager des Symphonieorchesters gesprochen, wir fragten an und binnen 24 Stunden kam die positive Antwort. Darüber habe ich mich sehr gefreut.
Das Konzert ist sehr melodisch - es ist eigentlich ein klassisches Konzert.
Später, als ich die Noten bekommen habe, dachte ich: "Oh Gott, was habe ich mir da angetan." Das Konzert hört sich nämlich wirklich toll an, aber es ist technisch sehr anspruchsvoll. Esa-Pekka Salonen verwendet darin oft ungewöhnliche Modi: mixolydisch, dorisch - das findet man in der Klassischen Musik so gut wie nie. Und es liegt überhaupt nicht gut in den Fingern. Man kann sich auch nirgendwo verstecken, nach dem Motto "Das ist moderne Musik - ist doch egal, was dort genau gespielt wird." Das Konzert ist sehr melodisch - es ist eigentlich ein klassisches Konzert, würde ich sagen. Es hat Melodien, die richtig berühren. Ich habe ziemlich viel Zeit mit dem Werk verbracht, damit es in die Finger und auch in den Kopf hineingeht - und ich bin gespannt, was jetzt herauskommt.
BR-KLASSIK: Esa-Pekka Salonen hat den vier Sätzen "Mirage" - "Pulse I" - "Pulse II" - "Adieu" fast programmatische Bilder-Szenen vorangestellt. "Mirage" ist ein Trugbild, der zweite Satz zeigt den ruhigen Herzschlag einer Person, die neben einem schläft, den dritten Satz durchdringt der Puls einer Großstadt, die ungesunde Urbanität - und am Ende kommt dann der Abschied. Hilft es Ihnen, dieses Stück nicht nur in den Kopf, sondern auch ins Herz zu bekommen?
Anton Barakhovsky: Ja, auf jeden Fall. Es ist gut zu wissen, was der Komponist gemeint hat. Ein paar Ideen, in welche Richtung das Ganze gehen sollte, helfen immer: Hier melancholisch, aber nicht zu romantisch. Oder da ein bisschen mehr Wärme - das ist schon sehr hilfreich.
Wir haben uns in der ersten Probe gleich gut verstanden.
BR-KLASSIK: Man hat selten als Interpret die Gelegenheit, mit dem Komponisten zusammen das Stück zur Aufführung zu bringen, wenn er zugleich Dirigent ist. Wie gut funktioniert der Austausch in der Probenphase zwischen Salonen und Ihnen?
Anton Barakhovsky: Wir hatten vorgestern die erste Probe und haben uns gleich gut verstanden. Nachdem das Stück zu Ende war, meinte Herr Salonen, ich hätte den Charakter des Konzerts gut getroffen. Das war schon ein großes Kompliment für mich.
BR-KLASSIK: Wie ist es für Sie, als Konzertmeister mit Ihrem eigenen Orchester in der Rolle des Solisten aufzutreten? Haben Sie das Gefühl, die Kollegen unterstützen Sie, wirkt es vielleicht von hinten sogar wie ein bisschen Rückenwind?
Anton Barakhovsky: Auf jeden Fall. Aber ich bin auch sehr aufgeregt, das ist ja schließlich mein Debüt als Solist beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Ich kriege aber eine Riesenunterstützung von den Kollegen. Und ich spüre schon, dass die Kollegen verstehen, wie anspruchsvoll, wie schwer dieses Stück ist. Und dass man es auch nicht über Nacht lernen kann.
Der letzte Satz ist wie eine Bilanz in einem bestimmten Lebensabschnitt.
BR-KLASSIK: Abgesehen von allen technischen Hindernissen - gibt es einen Moment, wo Sie sagen können: Jetzt kann ich es laufen lassen, jetzt kann ich auch zuhören?
Anton Barakhovsky: Der letzte Satz "Adieu" ist so ein Moment. Es ist wie eine Bilanz in einem bestimmten Lebensabschnitt: Hier wird man nachdenklich und fragt sich, ob es sich im bisherigen Leben gelohnt hat, so viel Nervosität und negative Aufregung zu erleben. Man realisiert dann: Nichts ist ewig, irgendwann geht alles zu Ende. Umso mehr kann man dann diesen letzten Satz genießen und jeden Moment davon richtig auszukosten.
Das Interview wurde von der Redaktion an die Schriftsprache angepasst.
Die Fragen stellte Julia Schölzel für BR-KLASSIK.
Freitag, 06. Oktober 2017, 20.00 Uhr
Sonntag, 08. Oktober 2017, 20.00 Uhr
München, Philharmonie im Gasteig
Kaija Saariaho: "Lumière et pesanteur"
Jean Sibelius: Symphonie Nr. 6 d-Moll, op. 104
Esa-Pekka Salonen: Violinkonzert
Jean Sibelius: Symphonie Nr. 7 C-Dur, op. 105
Anton Barakhovsky (Violine)
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Esa-Pekka Salonen
Live-Übertragung auf BR-KLASSIK am 6. Oktober