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Julia Fischer im Interview "Ich glaube nicht an den herkömmlichen CD-Markt"

Sie hat sich entschieden. Wenn Julia Fischer in Kürze auf ihrer Webseite ihren JF CLUB startet, werden Neueinspielungen mit ihr nur noch dort zu finden sein. Der klassischen CD kehrt die Stargeigerin damit den Rücken. Ihren Fans will sie dann noch viel mehr als nur Aufnahmen bieten.

Geigerin Julia Fischer | Bildquelle: © Felix Broede

Bildquelle: © Felix Broede

BR-KLASSIK: Sie haben sich entschieden, eine direkte Verbindung mit ihren Fans, mit den Liebhabern von ihren Einspielungen, aufzunehmen und nicht mehr den Weg über ein Label zu gehen. Warum?

Julia Fischer: Ich glaube, dass dieser Weg zeitgemäß ist. Denn es braucht nicht mehr so viele Leute, die zwischen Musikliebhaber und Künstler geschaltet sind, die dann auch mitentscheiden wollen, mitreden und vielleicht auch die Dinge in den Vordergrund stellen, die mir persönlich überhaupt nicht wichtig sind, also kommerzielle Dinge. Ich glaube, wenn jemand tatsächlich an dem interessiert ist, was ich tue, dann hoffe ich zumindest, dass er an jedem Repertoire interessiert ist. Dabei will ich nicht mehr gezwungen sein, daran zu denken: Verkauft sich dieser Komponist? Das ist die eine Sache, und die zweite Sache ist: Die Form der CD schränkt einen extrem in der Länge ein. 75 Minuten passen auf den Tonträger drauf. Das heißt, wenn ich jetzt die Idee habe, ich möchte ein Stück von fünf oder zehn Minuten aufnehmen, muss ich ja erstmal ein Konzept entwickeln, was drumherum gebaut werden soll.

Die Form der CD schränkt einen extrem in der Länge ein.
Julia Fischer

Julia Fischer | Bildquelle: Kasskara/Felix Broede Julia Fischer | Bildquelle: Kasskara/Felix Broede Ursprünglich kam die Idee daher, dass sich eine Studentin von mir auf den Menuhin-Wettbewerb vorbereitet hat und dort als Pflicht-Stück das "Impromptu concertant" von George Enescu verlangt war. Ich kannte das Stück vorher nicht, und sie hat es dann im Unterricht gespielt, und ich war total begeistert von dem Stück. Ich war so verliebt, das war so romantisch und so schön, und ich dachte: 'Das muss man doch sofort unter die Leute bringen, wieso kennt das denn keiner.' Da hat man also ein Fünf-Minuten-Stück, und was tue ich damit? Eine Enescu-Platte zu machen, da schreien ja alle Labels. Das geht ja gar nicht. Da müsste man eine Verbindung finden zwischen Enescu und seinen Zeitgenossen. Da gibt es bestimmt etwas, und man kann bestimmt anfangen, sich irgendwas aus den Fingern zu saugen. Aber das ist eigentlich gar nicht mein Anliegen. Ich wollte schlicht und ergreifend dieses Stück aufnehmen und verbreiten. Und daraus entstand eigentlich die Idee. Warum denn nicht? Wieso soll ich da nicht einfach ins Studio gehen, das Stück aufnehmen und dann auf einer Plattform veröffentlichen?

JF CLUB - im Abo mit den Fans im Dialog

BR-KLASSIK: Die Antwort ist relativ leicht: Das kostet Geld und Sie müssen ja auch auf Ihre Kosten kommen. Sie sagen "nicht kommerziell", aber Sie verlangen ja auch ein bisschen Geld dafür, dass man da zuschauen und zuhören darf. Man muss ein Abo eingehen und fünf Euro pro Monat zahlen.

Julia Fischer: Ja, man muss ein Abo eingehen. Und dafür bekommt man natürlich Zugang zu der gesamten Plattform, zu allen Aufnahmen, die ich da mache. Am Anfang sind dort alle sechs Solosonaten Eugène Ysaÿes zu finden und die ganzen Werke, die dazugehören. Denn Ysaÿe hat jede Sonate einem eigenen Geiger geschrieben, und es gibt dann immer einen Zusammenhang zwischen dem Geiger und ihm: Der eine war ein Student, der andere war ein Freund, den anderen hat er im Konzert gehört. Die erste Sonate ist beispielsweise Joseph Szigeti gewidmet. Er hat Szigeti im Konzert mit der ersten Solosonate von Bach gehört. Das wird auch in der ersten Sonate von Ysaÿe sehr deutlich. Ich habe auch die erste Sonate von Bach dazu eingespielt. Bei der zweiten Sonate ist es Jacques Thibaud, der zu Hause immer das E-Dur-Präludium von Bach geübt hat, deswegen findet sich das auch in der zweiten Sonate wieder. Das heißt, das Präludium von Bach findet man dann dort auch.

Man vermisst als Künstler die Erwartungshaltung.
Julia Fischer

BR-KLASSIK: Sie können Ihre Ideen und Ihre gesamten Zusammenhänge realisieren, wie sie sich Stücken nähern, wo sie die Nachbarschaften sehen und dann in den Dialog treten mit ihren Fans. Aber wäre es nicht konsequent, dass sie das auf YouTube machen, weil dort sowieso alle Leute sind? Glauben Sie, die kommen jetzt auf Ihre Seite? Und wie funktioniert die?

Julia Fischer: Ich hatte dann doch den Ehrgeiz oder auch den Wunsch, dass ich das unabhängig mache, es auch auf meine Person beziehe, und nicht über eine Plattform, wo es so viele andere Aufnahmen gibt, dass das dann unterginge. Das Ganze ist natürlich auf meine Person ausgelegt und hat vier Bereiche: listen, watch, meet und read - also zuhören, zuschauen, treffen und lesen. Im Read-Bereich findet man zu meinen Aufnahmen etwa auch Texte von mir.

Julia Fischer | Bildquelle: Decca / Uwe Arens Julia Fischer | Bildquelle: Decca / Uwe Arens Außerdem gibt es noch einen zweiten Punkt, warum ich das Ganze dann in diesem Club zusammengefasst habe: Es gibt schon ab und zu Werke, die ich uraufführe oder auch unbekannte Werke, die ich spiele. Allerdings vermisst man als Künstler die Erwartungshaltung. Ich finde es bedauerlich, wenn mir heutzutage ein Komponist ein Stück schreibt und es im Publikum und auch beim Veranstalter heißt: 'Jetzt hake ich nochmal das Zeitgenössische ab, und das habe ich dann erledigt.' Mir fehlt die Neugierde. Mir fehlt dieses: 'Der schreibt jetzt ein Stück und wie wird das?' Und das will ich gerne beim Publikum und auch bei den Veranstaltern und dem Orchester wieder aufbauen. Ich schreibe dann beispielsweise: 'Jetzt habe ich die erste Version bekommen, und das sieht so und so aus. Man kann die Hälfte davon noch nicht spielen, weil es die Noten für die Geige nicht gibt, aber wir arbeiten dran.' Das können ja verschiedene Dinge sein. Aber ich würde gerne diesen Weg von 'ich bekomme die Noten' bis 'ich gehe auf die Bühne' teilen, denn das ist eigentlich der faszinierendste Teil der Arbeit. Wenn ich auf der Bühne stehen und das Stück spiele, ist das natürlich sehr schön. Aber für mich persönlich ist der ganze Weg, der dem Ganzen voran geht, viel spannender.

Meine Idee und mein Wunsch ist es, eine Gemeinde zu kreieren.
Julia Fischer

BR-KLASSIK: Haben Sie sich so eine Art Benchmark gesetzt? Ein Ziel, was Sie erreichen wollen, wo Sie beispielsweise sagen: "Wenn jetzt 5.000 pro Monat kommen, dann ist es okay, dann hat es sich gelohnt. Aber wenn es nur 200 sind, dann mache ich den Laden wieder dicht?"

Julia Fischer:  Ja, auf lange Sicht natürlich schon. Damit es sich langfristig trägt und ich Aufnahmen immer vorfinanzieren kann, ohne dass es problematisch wird, wäre es schön, wenn es von den Nutzern her vierstellig ist. Andererseits ist es so, die Aufnahmen gehen ja nicht verloren, sie sind jetzt da. Also habe ich immer die Möglichkeit zu sagen: 'Okay, das hat nicht funktioniert. Jetzt kann ich damit etwas anderes ausprobieren.' Aber meine Idee und mein Wunsch ist natürlich schon, eben so eine Gemeinde zu kreieren.

Rückkehr zur CD ausgeschlossen ?

BR-KLASSIK: Wenn ich jetzt Clemens Trautmann hieße und Chef der Deutschen Grammophon wäre und Ihnen einen Packen Geld für eine neue CD mit Ihnen auf den Tisch legen würde. Würden Sie schwach werden? Und wie lange sagen Sie den Labels Ade?

Julia Fischer: Das würde sehr, sehr lange dauern, bis ich da schwach werden würde. Es ist ja auch nicht so, dass das eine oder andere Gespräch nicht stattgefunden hätte. Ich glaube auf lange Sicht nicht an den herkömmlichen CD-Markt. Ich glaube nicht daran, dass das einfach so weitergeht, dass man 75 Minuten CD aufnimmt und die dann verkauft. Ich glaube, es wird immer einen Markt geben von Leuten, die eine CD kaufen möchten, die tatsächlich auch das Produkt in der Hand haben wollen. Und das ist sicherlich etwas, worüber ich mir auch Gedanken machen muss. Aber ich kann ja nicht alles heute entscheiden. Ich muss ja auch ein bisschen schauen, was passiert und wo ist das Interesse, und was möchte ich auch selber machen. Also ich kann natürlich sagen: 'Die Aufnahmen kommen jetzt in den Club, und in ein oder zwei Jahren gibt es dann jedes Mal eine CD mit dem Best-of Limited Edition.' Das weiß ich noch nicht. Aber ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, jetzt noch einmal das Beethoven-Konzert aufzunehmen und dann mit Berg oder Britten zu kombinieren. Das ist extrem kurzlebig. Ich denke schon, dass damit die Deutsche Grammophon, Sony oder wer auch immer damit einige CDs verkaufen können. Aber diese CD ist in zwei, drei Jahren vergessen. Es redet keiner mehr drüber, weil ja dann schon der Nächste kommt und das Gleiche wieder aufnimmt. Und das finde ich schade.

Der JF CLUB startet demnächst auf dieser Webseite: www.juliafischer.com

Sendung: "Leporello" am 17. November 2017, 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

Kommentare (1)

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Freitag, 17.November, 18:53 Uhr

RAFAEL DE RUEDA ESCARDÓ

JF CLUB

Ich bin Spanier ,Dr.Ingenier 76 Jahre alt, und ist die klassische Musik meine liebe.Ich habe Musik studiert und natürlich ich bin ein grosser Fan von Julia Fisher.Ich höre gern BRKLASSIK und finde die JF CLUB Idee sehr interessant und bitte mehr Auskunft über diese bereich.
Mit herzlichen Grüssen
Rafael de Rueda Escardó

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