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Lars Vogt - Pianist und Dirigent "Man kann zusammen fliegen"

Ein iPad im Klavier? Für Lars Vogt unverzichtbar, wenn er gleichzeitig Klavier spielt und dirigiert. Genau dies tut er am 29. September in Hof. Im Interview spricht er außerdem über das Programm dieses Konzerts und über die Freuden des gemeinsamen Musizierens.

Bildquelle: Felix Broede

Das komplette Interview zum Anhören

BR-KLASSIK: Lars Vogt, Sie sind in Hof als Dirigent und Pianist. Doppelbelastung oder doppeltes Glück?

Lars Vogt: Es ist für mich schon ein doppeltes Glück. Es ist einfach ein so unmittelbares Kommunizieren. Man muss natürlich viel mehr 'ran - in die Proben 'rein, richtig in die tiefe Arbeit. Das habe ich, bevor ich dirigiert habe, so nicht gewusst, wie intensiv dieser Prozess ist und wie einen das wirklich in höchste Höhen führen, aber auch in tiefste Tiefen stürzen kann. Es gibt Freuden und Enttäuschungen. Einfach Dinge, die man zu bewältigen hat - auch psychologisch. Man führt eine Gruppe und motiviert sie, ihr Bestes geben zu wollen. Aber es ist eine langjährige Leidenschaft: Zunächst aus der Entfernung und immer mal wieder ausprobiert, und jetzt seit mehreren Jahren auch sehr aktiv.

BR-KLASSIK: Verschafft Ihnen das Dirigieren einen besonderen Kick?

Lars Vogt: Wenn es gut läuft und man im Konzert das Gefühl hat, dass Gesten ohne Worte verstanden werden und sich eine Energie überträgt, dann ist es wie Kammermusik. Nur irgendwie in einer größeren Gruppe. Dann kann man zusammen fliegen, und das ist eine ungeheure Erfahrung, wenn es gelingt.

BR-KLASSIK: Sie stecken mitten in den Proben mit den Hofer Symphonikern: filigran Nervöses von Lutoslawski - seine Symphonischen Variationen - neben der Zweiten Symphonie von Brahms, also vergleichsweise kulinarischer Romantik. Wie meistern die Symphoniker diesen Wechsel in der Anmutung?

Lars Vogt | Bildquelle: Felix Broede Lars Vogt | Bildquelle: Felix Broede Lars Vogt: Es ist eigentlich nicht wirklich unterschiedlich. Wie zum Beispiel Lutoslawski mit dem Takt umgeht, das ist gar nicht so anders wie Brahms. Er liebt auch die Hemiolen, die Verbreiterungen und Verkürzungen - kleine Fuge hier und dort; es sind schon die klassischen Prinzipien, mit denen er arbeitet und eigentlich ist das Stück auch hoch romantisch. Es ist ein unglaubliches Singen, ein herrliches, unschuldiges, ja fast kinderliedhaftes Thema, das dann auch in wilden Orchesterfarben so richtig wild lostanzt. Es gibt auch Elemente von Strawinskys "Sacre" und der Musik von Bartók - und dann wieder diese unheimliche Zartheit. Er hat in dieses acht- oder neunminütige Stück eigentlich alles hineingepackt, was in der Symphonik möglich ist.

Natürlich fühle ich mich Brahms sehr nahe.
Lars Vogt

BR-KLASSIK: Sie haben eine Fotografie von Johannes Brahms zu Hause, einen Originalabzug sogar. Schauen Sie sich das Bild manchmal an, wenn ein Werk von Brahms ansteht?

Lars Vogt: Ja, das Bild schaue ich häufig an. Es war eine unglaublich rührende Geste von einem Gast, der von Anfang an zu dem von mir gegründeten Kammermusikfestival "Spannungen" in Heimbach kommt und der in einem Nachlass seiner Eltern auf diese Originalfotografie von Brahms stieß. Und die hat er mir schön eingepackt und dann geschenkt. Und natürlich fühle ich mich Brahms sehr nahe. Ich habe seine Klavier- und Kammermusik stets viel und gerne gespielt. Und jetzt in die Symphonik auch noch eintauchen zu dürfen: Das ist einfach eine wahnsinnige Freude.

BR-KLASSIK: Was sehen Sie denn in dem Bild? Schauen Sie mehr in die Augen oder auf die Körperhaltung?

Johannes Brahms. Fotografie von ca. 1866 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der junge Johannes Brahms | Bildquelle: picture-alliance/dpa Lars Vogt: Also auf dem Bild ist er ein unglaublich gut aussehender junger Mann, noch ohne Bart. Die Feinheit, die Dunkelheit seiner Musik und seiner Harmonik sieht man ihm eigentlich als Menschen gar nicht so an. Ich glaube, der Bart, der dann später kam, ist dann auch so eine Art Verbergen der totalen Verletzlichkeit. In der Musik ist es ja auch ein bisschen so, dass er alle möglichen Strukturen schafft - ein bisschen wie Bach eigentlich - und dennoch dahinter eine ungeheure Zartheit und Verletzlichkeit lauert.

Es ist schön, wenn ein Orchester selbst Verantwortung übernimmt.
Lars Vogt

BR-KLASSIK: Ihren Part im Ersten Klavierkonzert von Chopin, den spielen Sie natürlich auswendig: Weil Sie ja nicht parallel zum Spielen in der Partitur blättern können. Das heißt: Wenn ich Sie jetzt mitten in der Nacht wecken würde mit den Worten "Herr Vogt, Erstes Klavierkonzert, zweiter Satz, Takt 37!" - wissen Sie dann, wer zu spielen hat?

Lars Vogt: (lacht) So weit bin ich nicht und das Orchester macht auch vieles in Eigenverantwortung. Es ist so schön, wenn ein Orchester dann wirklich selbst Verantwortung übernimmt, weiß wo man reinkommt und es viel mehr mit Blickkontakt geht. Ich habe mir nicht jede einzelne Stimme gemerkt, aber die entscheidenden Dinge sollte man natürlich auf Zublick machen. Ich muss auch gestehen, dass ich seit einiger Zeit iPad-Spieler bin und den iPad flach im Flügel liegen habe: als Gedächtnisstütze. Man wird ja nicht jünger.

BR-KLASSIK: Das liegt dann also da drin - und wie blättert sich das weiter?

Lars Vogt: Es gibt ein Bluetooth-Pedal, das blättert. Also ich brauche da gar nicht hineinzugreifen.

BR-KLASSIK: Was es alles gibt...

Lars Vogt: (lacht) Da staunen Sie, was?

Die Fragen stellte Sylvia Schreiber für BR-KLASSIK.

Sendung: 
"Leporello" am 29. September 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Lars Vogt in Hof

Freitag, 29. September 2017, 19.30 Uhr
Hof, Festsaal

Frédéric Chopin:
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll op.11
Witold Lutoslawski:
Sinfonische Variationen
Johannes Brahms:
Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 73

Hofer Symphoniker
Klavier und Leitung: Lars Vogt

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