Heute im Radio und Videolivestream bei BR-KLASSIK: Lisa Batiashvili ist zu Gast beim BRSO. Auf dem Programm in der Isarphilharmonie steht unter anderem Sibelius berühmtes Violinkonzert. Auch darüber spricht die Geigerin im Interview.
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Zu Gast beim BRSO
Interview mit Lisa Batiashvili
BR-KLASSIK: Frau Batiashvili, den ersten Kontakt mit unserem Symphonieorchester hatten Sie im Jahr 2000, damals haben Sie mit Lorin Maazel das Mendelssohn-Konzert gespielt – da waren sie 21. Maazel war ja selbst ein guter Geiger und so eine Art Talent-Scout, auch für Julia Fischer oder Hilary Hahn. Können Sie sich noch an diese Aufführung erinnern?
Lisa Batiashvili: Ich kann mich gut erinnern und auch generell an Herrn Maazel – tatsächlich hat er viele junge Musikerinnen und Musiker unterstützt. Wir haben zum Beispiel auch mein Debüt bei den New Yorker Philharmonikern zusammen gemacht. Ich kannte ihn außerdem über die Musiker des Orchesters. Mein Mann, der Oboist François Leleux, spielte ja damals noch im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, als Maazel Chefdirigent war. Und auch er hat immer so viel erzählt. Deshalb war Maazel schon eine ganz wichtige Person für mich.
BR-KLASSIK: Jetzt kehren Sie mit dem Sibelius-Konzert zum BRSO zurück. Ich denke, Sie haben eine ganz besondere Beziehung dazu, weil sie 1995, mit sechzehn Jahren, den zweiten Preis beim Sibelius-Wettbewerb in Helsinki gemacht haben. Seither ist Ihnen dieses Konzert vermutlich immer sehr nahe gewesen?
Lisa Batiashvili solidarisiert sich am Jahrestag des Kriegsbeginns mit der Ukraine | Bildquelle: Rita Argauer Lisa Batiashvili: Auf jeden Fall! Das Sibelius-Konzert ist vielleicht mein wichtigstes. Ich sage das nur, weil damit alles angefangen hat, 1995 mit dem Preis. Und dann die Begegnung mit sehr vielen wichtigen und tollen finnischen Musikern! Das war mein erstes musikalisches Betätigungsfeld. Ich habe damals 20 bis 30 Konzerte pro Jahr allein in Finnland gegeben, in diesem kleinen Land, und seitdem auch viele weitere Debüts. Ich spiele es heute immer noch mit großer Lust, weil ich finde, dass es eines der magischsten Violinkonzerte überhaupt ist, wenn auch jedes Mal eine große Herausforderung. Besonders spannend ist, wie sich so ein großartiges Werk bei jeder neuen Zusammenarbeit, mit jedem tollen Orchester oder Dirigenten verändern kann. Und auch, wie viel man selber dazulernt. Jedes Mal empfinde ich es als Reise, die das ganze Leben umfasst, die auch nie uninteressant wird. Das Sibelius-Konzert ist so ein Solitär, bei dem man ganz besonders viel zu sagen hat als Solistin und sehr viel alleine dasteht. Und irgendwie habe ich beim Spielen manchmal das Gefühl: Hier kann ich mein Schicksal selbst entscheiden.
Am Jahrestag des Kriegsbeginns hat sich Lisa Batiashvili auf dem Münchner Odeonsplatz mit der Ukraine solidarisiert. Hier geht's zum Artikel!
BR-KLASSIK: Frank Peter Zimmermann war gerade in München, hat Bach gespielt und im BR-KLASSIK-Interview erzählt, dass er die Corona-Pandemie auch als Chance begriffen hat, mal aus diesem Hamsterrad rauszukommen, aus dieser pausenlosen Konzertmühle auszusteigen. Haben Sie das auch so empfunden? Wie war Ihre erste emotionale Reaktion: War das Ohnmacht oder auch ein Gefühl der Leere, die da entstanden ist? Und auf der anderen Seite: Konnten Sie diese Zeit irgendwie kreativ nutzen?
Lisa Batiashvili: Also generell reise und konzertiere ich nicht so viel im Vergleich zu vielen meiner Kollegen. Denn meine Familie spielt eine ganz besondere Rolle in meinem Leben. Ich erinnere mich vor allem an zwei Gefühle, die bei mir sehr präsent waren. Einmal habe ich natürlich das entspanntere Leben mit meiner Familie und den Verlust des Zeitdrucks als sehr positiv empfunden, weil ich die freie Zeit mehr genießen konnte. Zweitens bin ich in dieser Zeit auch viel öfter in meine Heimat Georgien gereist, was trotz Covid immer wieder möglich war. Das hat mich dann wieder zurück zu meiner Kindheit gebracht, zu meinen Wurzeln. Und daraus entstand dann auch 2021 meine Lisa Batiashvili Foundation zur Förderung junger Talente aus Georgien. Deshalb empfand ich das als eine eher bereichernde Zeit, auch wenn das natürlich mit sehr vielen Sorgen verbunden war – keineswegs nur für mich, sondern für die ganze Welt. Aber irgendwie habe ich trotzdem immer der Tatsache vertraut, dass es eine vorübergehende Krise sein würde.
BR-KLASSIK: Sie hatten es schon erwähnt: Sie sind mit dem Oboisten François Leleux verheiratet und haben mit ihm zwei Kinder. Wie geht das alles zusammen? Das ist natürlich eine Frage, die man einem Mann wahrscheinlich nie stellen würde …
Lisa Batiashvili im Jahr 2018: Zu Gast bei SWEET SPOT | Bildquelle: Alescha Birkenholz Lisa Batiashvili: Ich muss sagen, dass wir uns das sehr gut aufteilen. Mit der Zeit lernt man auch mit dieser Situation umzugehen, denn man verbringt natürlich als Jugendlicher oder junge Künstlerin viel Zeit mit sich selbst, mit seinem Instrument. Und eines Tages ist die Familie da, und die Kinder fordern viel Zeit – und keineswegs nur, wenn sie klein sind. Unsere Kinder sind jetzt inzwischen 18 und 14. Und die Art und Weise, wie sehr man für die Kinder da sein sollte, verändert sich immer wieder – aber die Frage der Präsenz bleibt, und zwar ganz intensiv. Aber weil uns bewusst war, dass unser Beruf nur schwer vereinbar ist mit Elternschaft, haben wir uns ganz besonders viel Mühe gegeben. Und ich hoffe, dass es auch bei den Kindern so ankommt, dass sie das merken, dass wir trotzdem immer versuchen, für sie da zu sein, dass wir unsere Arbeit bewusst so legen, dass wir die Ferien zusammen verbringen können. Und vor allem, dass wir beide nicht gleichzeitig weg sind. Das ist eine Aufgabe, mit der nicht nur wir beschäftigt sind, sondern auch unsere Agenturen und unsere Eltern, und so weiter und so fort. Das ist eine große Maschinerie, die irgendwie funktionieren muss (lacht).
Am 2., 3. und 4. März ist Lisa Batiashvili an der Seite des BRSO in der Münchner Isarphilharmonie zu Gast. Neben Sibelius berühmtem Violinkonzert stehen noch Werke von Martinů auf dem Programm. Am Pult steht Jakob Hrůša. Ausführliche Informationen finden Sie hier!
BR-KLASSIK: Wenn Sie so den Konzertbetrieb heute anschauen, gibt es etwas, was Sie gerne anders machen würden?
Lisa Batiashvili: Ich finde, man könnte die Konzertsituation generell auch visuell ein bisschen interessanter gestalten. Ich habe neulich ein Projekt verwirklicht, das mir sehr am Herzen liegt. Das ist auch verbunden mit einem Album, das ich 2020 aufgenommen habe, "City Lights". Das ist Musik, ja, man kann sagen aus allen Genres, die man sich überhaupt vorstellen kann als Geigerin: Filmmusik, Jazz, teilweise sogar Pop und Volksmusik, natürlich auch Klassik, alles auf einem Album – und wir haben es auch visualisiert. Und ich fände das einfach schön, wenn die Menschen, die ins Konzert kommen, nicht nur etwas hören können, sondern dass auch die Musik selbst eine Unterstützung bekommt. Entweder durch das Licht oder die Art und Weise, wie man ein Konzert anfängt, wie man ein Konzert beendet – das kann in verschiedene Richtungen gehen. Das muss nicht unbedingt mit einem Film auf der Leinwand sein, aber ich glaube, wir können ein Konzert auch für jüngere Menschen als Ganzes einfach interessanter gestalten.
BR-KLASSIK: Ich denke oft im Konzert, wie einengend der Frackzwang für die Orchestermusiker sein muss – ob man davon nicht mal irgendwann wegkommen kann?
Lisa Batishvili: Wir sehen ja jetzt schon bei der jüngeren Generation von Solistinnen und Dirigenten, dass sie zumindest keine Lackschuhe mehr tragen und andere Outfits, als man das sonst kennt (lacht). Das wird sich ändern. Ich habe sehr viel Hoffnung, mehr noch: Vertrauen in die junge Generation, die das Ganze viel entspannter sieht. Die sind trotz ihres jugendlichen Alters unglaublich erfahren und sehr neugierig. Und ich denke, künftig werden auch jüngere Menschen ins Konzert gehen, von denen man das vielleicht gar nicht erwartet – einfach, weil die Profile der klassischen Musik vielseitiger werden.
Mehr Musikfrauen? BR-KLASSIK hat eine Liste von Komponistinnen zusammengestellt, die man auf keinen Fall überhören sollte. Hier geht's zum Artikel!
BR-KLASSIK: Sie haben ja mit Alice Sara Ott die drei Romanzen von Clara Schumann aufgenommen. Könnte es eine interessante Idee sein, als Musikerin mehr Komponistinnen zu präsentieren?
Lisa Batiashvili: Ich finde das alles gut, ich bin ja selbst eine Frau. Also natürlich fände ich es toll, mehr Komponistinnen aufzuführen und mehr mit Dirigentinnen zu arbeiten. Aber das sollte immer eine Frage der Qualität sein. Und solange die gegeben ist, sollte das natürlich völlig gleichberechtigt sein. Aber ich möchte als Frau auch nicht das Gefühl haben, dass man uns einlädt, weil wir Frauen sind, sondern weil wir auch was zu sagen haben. Weil wir auch stark und authentisch sind in dem, was wir tun – und nicht, weil man Mitleid mit uns hat.
BR-KLASSIK: Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Was geht Ihnen durch den Kopf bei diesem Datum?
Am 7. März ist mein Geburtstag, deswegen ist das für mich hauptsächlich immer der Tag nach meinem Geburtstag (lacht). Aber das war ja schon damals in meiner Kindheit so … Ja, der 8. März, da wurden Konzerte veranstaltet für Frauen, sogar in der kommunistischen Zeit hat man versucht, diesen Tag zum Frauentag zu ernennen. Inzwischen hat dieser Tag für mich so ein bisschen seine Bedeutung verloren, weil wir Frauen nicht nur den 8. März haben. Denn ich glaube, es ist ganz wichtig zu betonen, dass jeder Tag auch unser Tag ist!
Sendung: "Leporello" am 2. März ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Donnerstag, 02.März, 07:47 Uhr
BernhardMolar
"Das ist natürlich eine Frage, die man einem Mann wahrscheinlich nie stellen würde …" - Warum, Herr Leipolt, lassen Sie es dann nicht einfach bleiben? Einfach Mund zu und sich vorstellen, mit einem Menschen zu sprechen, nicht mit weiblich gelesenen sekundären Geschlechtsmerkmalen.
"Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Was geht Ihnen durch den Kopf bei diesem Datum?" - Dies wiederum ist natürlich eine Frage, die man(n) gerade Anfang März auch jedem Mann stellt.
Mittwoch, 01.März, 17:23 Uhr
GUFO
Frackzwang
Schon jetzt sind die kaum sichtbaren Orchestermitglieder im Orchestergraben die - generell gesehen-Bestangezogenen in der Oper. Das gleiche gilt natürlich auch für Konzerte.So ist der Wunsch dieser Musiker durchaus verständlich,dass sie auch etwas " Marscherleichterung " wollen.Aber wo soll das enden ? Wollen alle letztlich so auftreten wie David Gerrit- unrasiert und mit zerrissenen Hosen-auch wenn das viele als cool empfinden ? In einer Zeit, in welcher der Sinn für Eleganz und Schönheit immer mehr verschwindet, sollte zumindest der Kulturschaffende entgegensteuern und die Schönheit seines " Produkts" durch gepflegtes Äußeres unterstreichen, wozu ich auch elegante Kleidung zähle.