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Große Geigerinnen – Reihe auf BR-KLASSIK Wunderkinder, Kultfiguren, Klassikstars

Sie haben eine magische Ausstrahlung, fesseln ihr Publikum mit brillanter Virtuosität und produzieren auf ihren kostbaren Instrumenten edle Töne: In der BR-KLASSIK-Sommerreihe "Große Geigerinnen" stellen wir zwölf Meisterinnen vor – von Anne-Sophie Mutter bis Ida Haendel.

Ida Haendel

Manchmal rückt ein Blick in die Vergangenheit Maßstäbe zurecht. Ida Haendel ist eine Ikone des Geigenspiels. Ihr Geburtsjahr ist geheimnisumrankt, vermutlich ist es 1928. Als Wunderkind aus polnisch-jüdischer Familie schafft es die Schülerin des gestrengen Carl Flesch beim ersten Warschauer Wieniawski-Wettbewerb 1935 immerhin ins Finale – mit sieben Jahren. Ida Haendel wird britische Staatsbürgerin, spielt während des Zweiten Weltkrieges für die Alliierten und in Fabriken. Danach tritt sie weltweit auf, begeistert die Menschen mit ihrem temperamentvollen Geigenspiel. Behält aber ihren eigenen Kopf, spielt nicht nur das Mainstream-Repertoire, sondern macht auch englische Musik, vor allem Brittens Violinkonzert, bekannt. Später ist ihre enorme Erfahrung bei der jungen Generation gefragt, als Teenager lernt auch David Garrett bei ihr. 2009 noch sitzt die Grande Dame des Geigenspiels in der Jury des ARD-Musikwettbewerbs, da ist sie schon über 80, ein bisschen crazy, aber liebenswert – eine lebende Legende eben. 2020 stirbt Ida Haendel mit 91 Jahren in Miami.

Leila Josefowicz

Die kanadische Geigerin Leila Josefowicz wurde auf Promi-Partys und Galas in Hollywood und Beverly Hills als Wunderkind herumgereicht – kurz nach ihrer Geburt waren ihre Eltern nach Los Angeles umgezogen. "Ihr wird die Welt zu Füßen liegen", prophezeite der amerikanische Star-Pianist Van Cliburn, als er sie gehört hatte. Und er sollte recht behalten. Mit 17 debütiert Leila Josefowicz in der New Yorker Carnegie Hall mit Tschaikowskys Violinkonzert, im selben Jahr 1994 hat sie es aufgenommen, wieder begleitet von ihrem Mentor Neville Marriner und seiner Academy of St Martin in the Fields. Längst hat sich Leila Josefowicz vom Leben ihrer Anfangszeit emanzipiert – durch den Kontakt zu zeitgenössischen Komponisten wie John Adams, Oliver Knussen oder Esa-Pekka Salonen. Hier beweist sie mit dem Concertgebouworkest unter der Leitung von Susanna Mälkki, dass sie eine der besten Interpretinnen des fetzigen Adams-Konzerts ist.

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John Adams - Violin Concerto -  Leila Josefowicz - Susanna Mälkki | Made in America | Bildquelle: Concertgebouworkest (via YouTube)

John Adams - Violin Concerto - Leila Josefowicz - Susanna Mälkki | Made in America

Ihr wird die Welt zu Füßen liegen
Star-Pianist Van Cliburn über Leila Josefowicz

Julia Fischer

Julia Fischer | Bildquelle: © Felix Broede Die Münchner Geigerin Julia Fischer | Bildquelle: © Felix Broede Als Münchner Kindl begann Julia Fischer ihre Karriere früh – nicht nur auf der Geige, sondern auch am Klavier. 1997 hat Lorin Maazel die 14-Jährige beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit dem Violinkonzert von Beethoven vorgestellt – ein Sensationserfolg. Überhaupt hat sich Maazel, der selbst ein versierter Geiger war, in seiner Chefdirigenten-Ära beim BRSO als wahrer Talentscout um den Geigerinnen-Nachwuchs verdient gemacht: 1995 präsentierte er die 16-jährige Hilary Hahn, im Jahr 2000 die 21-jährige Lisa Batiashvili. Erst kürzlich hat Julia Fischer, die bei Ana Chumachenco an der Münchner Musikhochschule lernte und mittlerweile selbst dort lehrt, beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ihre nunmehr gereifte Sicht auf das Beethoven-Konzert vorgeführt – eine überwältigende Demonstration technischer Meisterschaft und geistiger Durchdringung.

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BRSO Probenstreiflicht Michael Tilson Thomas & Julia Fischer | Bildquelle: Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (via YouTube)

BRSO Probenstreiflicht Michael Tilson Thomas & Julia Fischer

Lisa Batiashvili

Julia Fischer steht für eine mittlere Generation von Geigerinnen, die derzeit tonangebend ist. Dazu gehört auch die Georgierin Lisa Batiashvili, die nicht erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine um ihr Heimatland bangt und ihren Protest auch zum Ausdruck bringt – musikalisch und verbal. So hat sie spontan ein Solidaritätskonzert für die Ukraine ins Programm der diesjährigen Audi Sommerkonzerte genommen, deren künstlerische Leiterin sie seit 2019 ist. Dem Beispiel Anne-Sophie Mutters folgend, engagiert sich Lisa Batiashvili neuerdings auch noch mit einer eigenen Stiftung für die Förderung von Nachwuchstalenten. Wie Julia Fischer hat Lisa Batiashvili bei Ana Chumachenco in München studiert. Ihr schlankes Bach-Spiel ist ebenso beeindruckend wie ihre mühelose Virtuosität bei den großen romantischen Violinkonzerten.

Hilary Hahn

Das gilt genauso für die amerikanische Geigerin Hilary Hahn, wie Batiashvili Jahrgang 1979. Schon früh ist sie durch ihre spannenden Werk-Kopplungen auf ihren Alben aufgefallen: Beethoven und Bernstein, Brahms und Strawinsky, Mendelssohn und Schostakowitsch, Sibelius und Schönberg, Prokofjew und Rautavaara. Längst hat Hilary Hahn die ausgetrampelten Repertoire-Pfade verlassen, ein Album mit 27 für sie neukomponierten Zugabe-Stücken herausgebracht, eines mit dem experimentellen Musiker Hauschka produziert. Und vor allem ist sie auf Social Media aktiv, nutzt ihren Instagram-Account kreativ – weil sie erkannt hat, dass man nur so das Publikum von morgen erreicht.

Janine Jansen

Die niederländische Geigerin Janine Jansen ist ein Familienmensch – und vielleicht deshalb auch so ein leidenschaftlicher Kammermusik-Mensch. Vivaldis "Vier Jahreszeiten" hat sie – historisch informiert in kleiner Besetzung – mit Familienmitgliedern und Freunden eingespielt. Ihre umwerfende Natürlichkeit inspirierte einen Journalisten zu dem Statement, Janine Jansen sei "der große Darling der Geigenwelt insgesamt. Eine der wenigen Integrationsfiguren, auf die sich fast alle Lager von Fachleuten bis Liebhabern verständigen können." Stimmt. Eben erst hat diese flammende Ausdrucksmusikerin mit der famosen Joana Mallwitz am Pult des BRSO gezeigt, dass man Tschaikowskys Schlachtross keineswegs nur muskelstrotzend aufzäumen muss – so viel Verinnerlichung hat sie dem abgespielten Stück entlockt.

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BRSO Probenstreiflicht Joana Mallwitz / Janine Jansen | Bildquelle: Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (via YouTube)

BRSO Probenstreiflicht Joana Mallwitz / Janine Jansen

Es ist immer gut, viele Einflüsse zu haben, aber schließlich muss man es auf seine eigene Art und Weise machen.
Geigerin Janine Jansen

Isabelle Faust

Es gibt kaum eine Geigerin, die ein so breites Repertoire hat wie die 50-jährige Isabelle Faust – und die es auf dem Instrumentarium der jeweiligen Epoche spielt: Bach auf der Barockgeige, Avantgarde auf ihrer Stradivari. Sich stilistisch anpassen, lautet das Motto der Geigerin. Isabelle Faust hat eine unbändige Neugier: auf adäquates historisches Musizieren, auf brandneue Partituren. Stets reflektiert sie genau, was sie tut. In ihrer riesigen Diskografie stößt man immer wieder auf gleichgesinnte Partner wie den Pianisten Alexander Melnikov oder den Cellisten Jean-Guihen Queyras. Schumanns poetische, aber auch bodenlos abgründige Welt ist ein Fixstern in ihrem Repertoire. In der Serie "Große Geigerinnen" ist Isabelle Faust mit Schumanns spätem Violinkonzert zu erleben – so langsam, wie es der Komponist haben wollte, hat sonst kaum jemand die finale Polonaise genommen.

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Schumann: Violin Concerto | Isabelle Faust and the Freiburger Barockorchester | Bildquelle: DW Classical Music (via YouTube)

Schumann: Violin Concerto | Isabelle Faust and the Freiburger Barockorchester

Patricia Kopatchinskaja

Klar, dass auch eine so eigenwillige Musikerin wie die moldauische Geigerin Patricia Kopatchinskaja das sperrige Schumann-Konzert eingespielt hat. Sie ist ein Wildfang, kaum zu bändigen, wenn sie etwa mit ihrem Vater, einem Zymbalisten, heimatliche Folklore spielt, dass die Fetzen fliegen. Kein Wunder, dass die Barfuß-Geigerin gern mit dem ähnlich exzentrischen Dirigenten Teodor Currentzis zusammenarbeitet. Patricia Kopatchinskaja ist die radikalste unter den "Großen Geigerinnen" auf BR-KLASSIK. Und ja, ihre Interpretation des Beethoven-Konzerts mit dem belgischen Originalklang-Experten Philippe Herreweghe kann man durchaus radikal nennen: rasant, federnd, verspielt, manchmal hart an der Hörgrenze.

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Beethoven: Violinkonzert ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Patricia Kopatchinskaja ∙ Philippe Herreweghe | Bildquelle: hr-Sinfonieorchester – Frankfurt Radio Symphony (via YouTube)

Beethoven: Violinkonzert ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Patricia Kopatchinskaja ∙ Philippe Herreweghe

Die Musik entwickelt sich irgendwo über einem Menschen
Geigerin Patricia Kopatchinskaja

Viktoria Mullova

Viktoria Mullova, Jahrgang 1959, würde sich nie so entäußern, so rückhaltlos subjektiv in die Musik stürzen wie Patricia Kopatchinskaja. Die junge Russin, nachdem sie sich 1983 aus der Sowjetunion über Finnland und Schweden in die USA abgesetzt hatte, hat der Musikkritiker Harald Eggebrecht vor 25 Jahren so erlebt: "Nichts Rauschendes, Üppiges, Glamourhaftes begleitet ihre Auftritte, sie gleicht in ihrer hochgewachsenen, fast kantigen Schlankheit eher einer Jeanne d’Arc des Geigenspiels, die angetreten ist, alles Schmierige, Weichliche, ja, sogar alles Verbindlich-Gefällige aus der Musik zu vertreiben und mit ihr heiligen Ernst zu machen." Kein Wunder, dass Viktoria Mullova im Westen den russischen Drill satthatte und irgendwann ausbrach aus dem Hamsterrad der Dauerpräsenz und des immergleichen Repertoires. Klang-Exkursionen ins historisch informierte Metier und in andere Genres wie Weltmusik oder Crossover folgten. Mittlerweile hat sich Viktoria Mullova rar gemacht im internationalen Konzertleben – aber sie tritt noch auf, bevorzugt mit den Violinkonzerten von Prokofjew und Schostakowitsch, am liebsten aber in Kammermusik-Recitals.

Vilde Frang

Die norwegische Violinistin Vilde Frang | Bildquelle: BR Die Geigerin Vilde Frang | Bildquelle: BR Vilde Frang ist mit 36 Jahren die jüngste unter den zwölf "Großen Geigerinnen" der BR-KLASSIK-Sommerreihe. Alles spektakulär Auftrumpfende, Sensationsheischende ist der sympathischen Norwegerin mit der mädchenhaften Ausstrahlung fremd: "Ich war alles, aber garantiert kein Wunderkind", hat sie mal vor ein paar Jahren in einem Interview gesagt. Von Anne-Sophie Mutter habe sie viel gelernt, Genauigkeit, Selbstvertrauen und vor allem Disziplin. Für ihre hochinspirierte und stilgerechte Einspielung dreier Mozart-Konzerte hat sich Vilde Frang allerdings mit Jonathan Cohens' Originalklang-Ensemble "Arcangelo" zusammengetan – das wäre ihrer Mentorin, die der historischen Aufführungspraxis immer fernstand, nie eingefallen …

Ginette Neveu

Wenn es eine Geigerin gibt, die ein Jahrhundert-Talent zu werden versprach, dann ist es die 1919 in Paris geborene Ginette Neveu. Wie Ida Haendel eine Schülerin von Carl Flesch, nimmt Ginette Neveu, ebenso wie die weit jüngere Haendel, 1935 am Warschauer Wieniawski-Wettbewerb teil – und zieht als Siegerin am zweitplatzierten David Oistrach vorbei, dem damals bereits ein enormer Ruf vorauseilte. Der Zweite Weltkrieg bedeutet für Neveus noch junge Karriere einen empfindlichen Einschnitt, zumal sie Auftritte in Nazideutschland kategorisch abgelehnt hat. Danach aber startet sie so richtig durch und tourt um die Welt – kurz darauf wird sie mit nur 30 Jahren aus dem Leben gerissen, durch einen Flugzeugabsturz über den Azoren. Mit ihrer legendären Aufnahme des Sibelius-Konzerts von 1945 nimmt Ginette Neveu einen Ehrenplatz in der Galerie der "Großen Geigerinnen" ein. Über ihre vor Energie berstende, wild auffahrende und schmerzerfüllte Sibelius-Interpretation schrieb Harald Eggebrecht in seinem Geiger-Buch: "Ginette Neveu ließ keinen Zweifel daran, dass es in der Musik um Leben und Tod gehen kann."

Anne-Sophie Mutter

Anne-Sophie Mutter beschließt die Reihe der "Großen Geigerinnen" – wer sonst. Als erste Frau hat sie, die von sich selber immer penetrant als "Musiker" spricht, 2008 den Ernst von Siemens Musikpreis bekommen, den man auch gern als "Nobelpreis der Musik" bezeichnet. Anne-Sophie Mutter ist, ganz klar, die "Star-Geigerin" mit dem höchsten Glamourfaktor, die auch die Yellow Press mit Homestories bedient. Man muss kein Fan des berüchtigten Mutter-Vibratos sein, das leider zu ihrem Markenzeichen geworden ist – eine derart glanzvolle, bis heute anhaltende Karriere muss ihr erstmal jemand nachmachen. Anne-Sophie Mutter, die nächstes Jahr 60 wird, hat sich immer wieder neu erfunden: Von ihrem spektakulären Mozart-Debüt als Dreizehnjährige unter den Fittichen ihres Entdeckers Herbert von Karajan über ihre Hinwendung zur gemäßigten Moderne bis hin zu ihren jüngsten Ausflügen in den Filmmusik-Kosmos von John Williams. Einst von Karajan gefördert, ist Anne-Sophie Mutter heute mit ihrer Stiftung selbst zur einflussreichen Mentorin des hochbegabten Nachwuchses geworden.

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John Williams & Vienna Philharmonic feat. Anne-Sophie Mutter – “Hedwig’s Theme” From “Harry Potter” | Bildquelle: Deutsche Grammophon (via YouTube)

John Williams & Vienna Philharmonic feat. Anne-Sophie Mutter – “Hedwig’s Theme” From “Harry Potter”

"Große Geigerinnen" auf BR-KLASSIK

Die Reihe "Große Geigerinnen" läuft im Sommer immer samstags und sonntags ab 17:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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