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Elīna Garanča mit erster Lied-CD "Ich habe kein Problem zu sagen: Ich will jemandem gehören"

Lange hat sich die Mezzosopranistin Elīna Garanča ausschließlich auf das Opernrepertoire konzentriert. Nun widmet sie sich zum ersten Mal auf einer CD dem Liedgesang – und setzt sich zugleich mit dem Frauenbild damals und heute auseinander.

Elina Garanca bei der Verleihung des Opus Klassik 2020 | Bildquelle: Monique Wuestenhagen

Bildquelle: Monique Wuestenhagen

BR-KLASSIK: Innerhalb Ihrer beeindruckenden Diskografie haben Sie lange einen Bogen um das Lied gemacht. Warum eigentlich?

Elīna Garanča: Ich fühlte mich einfach dafür noch nicht bereit. Meine Opernrollen waren unglaublich spannend, aber auch Kräfte zehrend. Und ich dachte mir: Für's Lied habe ich immer noch Zeit. Ich war mir auch nicht sicher, mit welchen Komponisten und welchem Liedrepertoire ich mein Debüt geben soll – bis Corona kam. Dann war es mir klar: Schumann und Brahms. Bei einer Studioaufnahme mit Mikrofon wird beim Liedgesang verlangt, ein bisschen freier und dünner zu singen, darauf muss sich dann die Stimme anders einstellen. Aber da wir durch die Corona-Pandemie doch sehr wenig gesungen haben, ist die Stimme eh etwas anders. Das war eine Herausforderung, die mir unglaublich viel Spaß gemacht hat.

Man muss für sich den geeigneten Komponisten finden.
Mezzosopranistin Elīna Garanča

BR-KLASSIK: An welchem künstlerischen Ideal orientieren Sie sich, wenn es um den Liedgesang geht?

Elīna Garanča: Es gibt wirklich sehr viele Sängerinnen und Sänger, die ich immer wieder mit verschiedenstem Repertoire gehört habe – egal, ob das Jessye Norman ist, Christa Ludwig, Dietrich Fischer-Dieskau oder Thomas Quasthoff. Alle haben ein bestimmtes Repertoire, das besser zu ihnen passt. So ist das bei mir auch. Ich kann zum Beispiel sagen, dass Schubert für mich nicht so ganz passend ist. Man muss für sich den geeigneten Komponisten finden und vielleicht auch eine eigene Art, wie man diese Melodien dann interpretiert. Ich bin eine Ausländerin und singe Repertoire aus Deutschland, aber ich habe die deutsche Literatur nicht im Blut. Ich kann nur meine Version davon und meine Auseinandersetzung mit deutschen Sängern oder Dirigenten darstellen.

BR-KLASSIK: Sie haben sich als Herzstück ihres Lieddebüts einen Zyklus von Robert Schumann ausgesucht, der dezidiert aus der Perspektive einer Frau erzählt: "Frauenliebe und -leben". Der Text basiert auf Gedichten von Adelbert von Chamisso, und da ist die Frau ein fügsames Wesen, das sich ganz dem Mann hingibt. Können Sie sich als moderne Interpretin ohne Vorbehalt auf dieses Frauenbild des 19. Jahrhunderts einlassen?

Mezzosopranistin Elīna Garanča in der Philharmonie in Berlin 2014 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Elīna Garanča | Bildquelle: picture-alliance/dpa Elīna Garanča: Ich finde, dass die heutige Interpretation von "Frauenliebe und -leben" sehr primitiv ist. Es geht bei diesem Zyklus um die Hingabe und darum, dem Mann zu dienen, fast schon sich aufzulösen. Es geht nicht um's Sockenwaschen und Essenkochen, sondern darum, dass man sein Ego aufgibt und sich nicht immer in den Vordergrund drängt, dass man nicht immer für seine Taten eine Belohnung oder eine Anerkennung sucht. Ich finde, dass ich schon sehr vieles in meinem Leben erlebt habe. Trotzdem habe ich kein Problem zu sagen: Ich will jemandem gehören. Aber ich verliere dabei mich selbst nicht. Ich bin zu hundert Prozent gegen Gewalt und sehe auch, dass Frauen tatsächlich in sehr vielen Situationen weniger bezahlt werden und so weiter. Aber hier geht es um eine ganz andere Ebene, nämlich um das intime Zusammensein, wo ich und ein anderer Mensch zusammengehören, wo Fragen nach Positionen und danach, wer der Stärkere ist, wegfallen. Es geht um eine ganz feine, sehr verletzliche und sehr offene Art, die heutzutage oft fehlt. Ich glaube, dass sehr viele Menschen das nicht mehr verstehen. Manchmal werde ich richtig zornig, wenn jemand sagt: "Das entspricht nicht dem Bild einer modernen Frau." Es entspricht dem eben auf eine andere Art.

Ich glaube, es gibt gewisse Emotionen, die ein Mann nie verstehen wird.
Mezzosopranistin Elīna Garanča

BR-KLASSIK: Sängerinnen wie Christa Ludwig oder Jessye Normen haben sich ja auch an Liedzyklen gewagt, die eigentlich aus der Perspektive eines Mannes erzählen. Das lyrische Ich stimmt also nicht überein mit der Interpretin. Bislang gibt es aber keine Aufnahme von "Frauenliebe und -leben", wo sich mal ein Mann dran versucht hätte, diese Lieder zu singen. Woran liegt das?

Elīna Garanča: Ich glaube, es gibt gewisse Emotionen, die ein Mann nie verstehen wird oder kann. Es gibt zu viele Gefühle, die er nie erleben wird. Ein Mann kann kein Kind gebären. In der Musik gibt es dieses feine, intime Forte oder auch spezielle Farben, mit denen ein Mann nicht so ganz gut zurechtkommt. Vielleicht bin ich da etwas altmodisch. Ich bin nicht sicher, ob ich Mahlers Zyklus "Lieder eines fahrenden Gesellen" interpretieren könnte. Denn ich bin in einer ganz anderen Situation und habe eine ganz andere Position, auch im Leben.

Elīna Garanča - Lieder

Das Debütalbum der Mezzosopranistin Elīna Garanča im Liedgesang erscheint bei der Deutschen Grammophon am 6. November 2020 (die Vorbestellung läuft schon). Darauf finden sich Robert Schumanns "Frauenliebe und -leben" op. 42, sowie Lieder von Johannes Brahms. Begleitet wird sie vom Pianisten Malcolm Martineau.

Sendung: "Leporello" am 20. Oktober ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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