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Dirigent Pablo Heras-Casado "Ich möchte alle Facetten von Kunst kennenlernen"

Am 30. Januar tritt der Dirigent Pablo Heras-Casado im Rahmen der Mozartwoche Salzburg mit den Wiener Philharmonikern auf. Auf dem Programm stehen ausschließlich Werke von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Er springt damit kurzfristig für Nikolaus Harnoncourt ein - eines seiner großen Vorbilder.

BR-KLASSIK: Sie sind kurzfristig eingesprungen für Nikolaus Harnoncourt, einen Altmeister der Alte Musik-Bewegung. Sie sind selbst erst 38 Jahre alt. Ist Harnoncourt ein Leitstern für Sie als Musiker?

Pablo Heras-Casado: Er war für mich immer jemand, dessen Arbeit ich mit großem Interesse verfolgt habe. Er ist eine Art Referenz - und zwar nicht nur als Dirigent für Alte Musik, sondern ganz allgemein als Künstler. Er hat die Art große Meister zu interpretieren entscheidend verändert. Nicht nur mit seinem Originalklang-Ensemble Concentus Musicus, sondern auch mit vielen anderen Orchestern dieser Welt. Er hat es immer verstanden, das Neue und Moderne an einem Meisterwerk hervorzuheben. Er wollte der Musik eine Richtung geben und gab sich nicht mit konventionellen Interpretationen zufrieden. Und das ist es auch, was die Musik braucht. Egal ob es sich um neue oder um alte Musik handelt. Für mich als junger Dirigent ist Harnoncourt eine große Inspiration und ich bewundere ihn schon lange.

BR-KLASSIK: Sie haben in Ihrer Heimatstadt Granada erst einmal angefangen, Schauspiel und Kunstgeschichte zu studieren. Wie kam das eigentlich?

Heras-Casado: Ich war schon immer davon überzeugt, daß es in der Kunst keine Trennungen in verschiedene Abteilungen geben sollte – wie im wirklichen Leben auch. Ich denke, alles, was wir über Kunst oder Musik sagen, ist von Bedeutung. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich schon immer für unterschiedliches Repertoire interessiert habe. Mir ist der Gesamtüberblick wichtig. Ich möchte alle Facetten von Kunst kennenlernen. Wenn ich Madrigale oder geistliche Musik aufführe, möchte ich auch etwas über den geschichtlichen Zusammenhang erfahren. Es reicht mir nicht, nur die Musik allein zu kennen. 

BR-KLASSIK: Nun haben Sie in Salzburg schon den "Elias" gemacht, mit dem Freiburger Barockorchester arbeiten Sie weiterhin an einem Mendelssohn-Zyklus, jetzt das Mendelssohn-Konzert in Salzburg. Was schätzen Sie an Mendelssohn?

Heras-Casado: Ich glaube, Mendelssohns Musik wurde lange unterschätzt – zu Unrecht. Seine Musik scheint zuerst recht einfach und flüssig. Und auch die technische Perfektion trug dazu bei, dass man sie als zu leicht als romantische Musik bezeichnete. Für mich stimmt das überhaupt nicht. Natürlich schreibt er sehr virtuos. Er hat nicht den Vorstellungen im 19. Jahrhundert entsprochen. Er war kein Mann, der mit sich selbst gekämpft hat, sondern vielmehr ein Kosmopolit. Er hat sich für alles interessiert und ist viel gereist. Er hat quasi musikalische Archäologie betrieben, so wie viele Künstler auch sich damals wieder für die Antike interessiert haben. Er war ein Mann seiner Zeit, aber er hat auch all diese Einflüsse in seine Musik gepackt - vermischt mit modernen gesellschaftlichen Ansichten und einem Sinn für perfekte Architektur. Er besaß eine meisterhafte Kompositionstechnik. Es ist faszinierend, all das in seiner Musik zu entdecken. Ich habe schon in Spanien sehr viel Musik von Mendelssohn auch selbst gesungen. Ich bin sehr froh, dass ich mich weiterhin mit seiner Musik auseinandersetzen kann.

Das Interview führte für BR-KLASSIK Falk Häfner.

Infos zum Konzert mit den Wiener Philharmonikern

Samstag, 30. Januar 2016, 19.30 Uhr
Großes Festspielhaus im Mozarteum, Salzburg

Felix Mendelssohn Bartholdy:
Konzert-Ouvertüre Nr. 4 F-Dur zum "Märchen von der schönen Melusine", op. 32
Felix Mendelssohn Bartholdy:
Der 42. Psalm "Wie der Hirsch schreit", op. 42
Felix Mendelssohn Bartholdy:
Symphonie Nr. 3, a-Moll, op. 56 "Schottische"

Dorothea Röschmann
Arnold Schönberg Chor
Wiener Philharmoniker
Dirigent: Pablo Heras-Casado

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