Franz Schubert war noch nicht einmal 20 Jahre alt, als er seine Dritte Symphonie komponierte. BR-KLASSIK hat sich mit dem Dirigenten Pablo Heras-Casado darüber unterhalten, wie viel Tiefgang und vor allem Raffinesse – bei aller jugendlichen Unbekümmertheit – in diesem Werk steckt.
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Das starke Stück zum Nachhören
Franz Schubert - Symphonie Nr. 3
Mit majestätischer Grandezza scheint sich zu Beginn der Dritten Symphonie langsam der Bühnenvorhang zu öffnen. Helle Flöten- und Streicherklänge mischen sich mit düsterem Wabern im Orchester. Noch ist nicht klar, welche Art Spektakel die Zuhörer:innen erwartet. Drama oder Komödie? Schubert macht es zuerst einmal spannend in dieser Introduktion. Mit den ersten Klarinettentönen wird dann aber sofort klar: Hier folgt ein heiteres, leichtes und unterhaltsames Stück.
Der Dirigent Pablo Heras-Casado | Bildquelle: Sonja Werner "Das ist ein humorvolles Thema", sagt der Dirigent Pablo Heras-Casado. "Eigentlich ein sehr einfaches Thema, aber rhythmisch sehr lebhaft. Das ist ein Cantabile, und man muss dem Ganzen auf jeden Fall eine gewisse Perspektive, einen gewissen Weitblick geben. Gerade die Sparsamkeit und Schlichtheit der musikalischen Mittel machen dieses Werk nämlich interessant. Es ist nicht naiv oder einfältig. Es ist einfach! Und das gibt dieser Musik Wert und Tiefe. Schubert hat diese Symphonie in einem einzigen spontanen Impuls geschrieben. Er komponierte sie mit großer Leichtigkeit und mit wild aufbrausendem Temperament. Deshalb ist das Stück voller Leben, voller Licht, voller rhythmischem Schwung. Aber man erkennt selbst in diesem Jugendwerk schon den Schubert-Stil."
Die großen Symphoniker der Wiener Klassik Mozart, Haydn und Beethoven haben bei dem jungen Schubert ihre Spuren hinterlassen. Mit leichter Hand werden die Themen nach allen Regeln der Kunst verarbeitet. Oftmals überrascht Schubert aber durch sehr individuelle harmonische Wendungen und bricht so das vorgegebene Regelwerk immer wieder auf. Ein langsamer, meditativer Satz fehlt komplett in dieser Symphonie der unbeschwerten Lebenslust. Stattdessen steht an zweiter Stelle ein Allegretto. "Ich denke, das Allegretto, auch wenn es nicht die Rolle eines nachdenklichen und expressiven Adagios übernehmen kann, ist dennoch ein Moment der Ruhe und des Ausblicks", so Heras-Casado. "Es ist ein Satz in freundlichem, gemäßigtem und ruhigem Tempo - aber immer noch, wenn man so will, mit leichtem Herzen. Und das funktioniert sehr gut!"
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Die Dritte Symphonie wurde zunächst nur im privaten Kreis aufgeführt. Zum ersten Mal erklang sie in der Wohnung des Wiener Kaufmanns Franz Frischling in der Dorotheergasse, wo sich unter der Leitung des Geigers Joseph Prohaska einmal in der Woche Berufsmusiker und Amateure zum gemeinsamen Musizieren trafen. Die Wiener Öffentlichkeit bekam von solchen oft ungezwungenen musikalischen Treffen nichts mit. Zu einer vollständigen Aufführung des Werks kam es erst nach weiteren zwanzig Jahren. Das zeigt die damalige Geringschätzung und Sorglosigkeit gegenüber Schuberts frühen Kompositionen.
Eine gewisse Volkstümlichkeit schwingt in Schuberts Symphonie mit: im Menuett des dritten Satzes oder im Walzer-Trio der Holzbläser, mit dem die derbe Atmosphäre Grinzinger Heurigenlokale heraufbeschworen wird. Tanzen kann man solche Rhythmen allerdings nicht mehr.
Hier will Schubert ganz klar den Dreierrhythmus aufbrechen. Der Akzent ist immer verschoben und bringt alles aus dem Gleichgewicht.
Auch der letzte Satz ist ein volkstümlich anmutender Tanz, der hier aber weiterentwickelt und raffiniert verarbeitet wird: eine Tarantella, die sich zum Finale hin rauschhaft steigert. Heras-Casado: "Ich denke, Schubert hat diesen Tarantella- oder Saltarello-Rhythmus gewählt, weil er in seinem Allegro con brio-Finale bis an die Grenzen gehen wollte. Ganz am Ende, in der Coda dieses Saltarello gibt es nochmal eine Steigerung, sowohl in der Dynamik als auch in der Harmonie. Hier erkennt man sehr deutlich die Einflüsse von Beethoven und dem Finale aus dessen Achter Symphonie".
Mit dem majestätischen Beginn seiner Dritten Symphonie hatte Schubert also in einem spielerischen Kunstgriff zunächst auf eine falsche Fährte geführt. Das Drama wird jedoch schnell zur Komödie – eine Komödie indes mit durchaus tieferen Dimensionen: "Man darf bei Schubert niemals das Cantabile und die Melodie aus den Augen verlieren. Jede kleine Geste, jede kleine melodische Wendung muss gut gesungen und gut phrasiert werden. Und ich denke, dass man dadurch der Musik Intensität und Tiefgründigkeit verleihen kann."
Franz Schubert:
Symphonie Nr. 3 D-Dur, D. 200
Freiburger Barockorchester
Leitung: Pablo Heras-Casado
Label: harmonia mundi
Sendung: "Das starke Stück" am 12. März 2024, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK