Als "Orchester Jakobsplatz München" wurden sie bekannt, ab Beginn der nächsten Saison heißen sie "Jewish Chamber Orchestra Munich". Zur Namensänderung beeinflusst wurden die Musiker vom neuen Schweizer "Tatort" mit dem Titel "Die Musik stirbt zuletzt". Dort spielt das Orchester nämlich mit. Am 5. August wird der Film ausgestrahlt.
1/6
Bildquelle: ARD Degeto / SRF / Hugofilm
2/6
Bildquelle: ARD Degeto / SRF / Hugofilm
3/6
Bildquelle: ARD Degeto / SRF / Hugofilm
4/6
Bildquelle: ARD Degeto / SRF / Hugofilm
5/6
Bildquelle: ARD Degeto / SRF / Hugofilm
6/6
Bildquelle: ARD Degeto / SRF / Hugofilm
Vom Orchester-Aufenthaltsraum über den Flur zur Damentoilette, dann ins Hauptfoyer und den nächsten Korridor hinab zurück in den Konzertsaal: Der gesamte "Tatort" wurde in einer einzigen Kameraeinstellung gedreht. So führt die Kamera durch die Gänge des Kultur- und Kongresszentrums Luzern, während ein Klarinettist des "Jewish Chamber Orchestra Buenos Aires" schon zu Beginn eines Benefizkonzertes vergiftet wird. Die Musiker des fiktiven Orchesters aus Argentinien werden vom realen Orchester Jakobsplatz München gespielt, das ab der nächsten Saison Jewish Chamber Orchestra Munich heißen wird. Die Ähnlichkeit zwischen den Namen des fiktiven und des realen Orchesters ist auffällig. Dirigent Daniel Grossmann spricht darüber, wie es zu der Namensänderung kam: "Wir haben vollkommen unabhängig von dem Film beschlossen, dass wir unseren Namen ändern möchten und unsere damalige Orchestermanager Simone Theilacker kam dann irgendwann mit der Idee, wie es denn wäre, wenn wir 'Jewish Chamber Orchestra Munich' heißen würden – was durchaus inspiriert war von dem Film."
Der Trailer zum Tatort "Die Musik stirbt zuletzt"
Dirigent Daniel Grossmann | Bildquelle: OJM / Christine Schneider Das filmische Orchester war also zuerst da, dann der neue Name. Trotzdem übernahm Daniel Grossmann die Rolle des Dirigenten im "Tatort" nicht selbst. Den fiktiven Dirigenten spielt Gottfried Breitfuss. Damit seine Bewegungen authentisch wirken und nicht nur in die Luft gepinselt, wies Daniel Grossmann ihn ein. Trotzdem ist auch Daniel Grossmann auf der Leinwand zu sehen: "Ich spiele mit im Orchester, was für mich eine sehr ungewohnte Rolle ist, und zwar als Schlagzeuger – und ich durfte bei einer Szene in der Umkleide in der Pause des Konzertes einen Satz sagen."
Insgesamt wurde der Tatort viermal aufgenommen: zweimal auf Deutsch und zweimal auf Schweizerdeutsch – weil Regisseur Dani Levy nicht wollte, dass der Film synchronisiert wird. Weil es nur eine einzige Kameraeinstellung gab, konnte nichts wiederholt werden. Fehler mussten die Schauspieler einfach überspielen. Am Ende wurde dann je eine Version ausgewählt. Damit das Orchester für jeden dieser vier Drehs auch ohne echten Dirigenten spielen konnte, hörten die Musiker eine Aufnahme der Musikstücke – eine Art "Halb-Playback". Geschrieben wurden die von Dani Levy und Daniel Grossmann ausgewählten Orchesterstücke von Komponisten, die im Holocaust verfolgt wurden und umgekommen sind: Erwin Schulhoff, Viktor Ullmann, Marcel Tyberg.
Aber wie kam es eigentlich dazu, dass das Jewish Chamber Orchester im Tatort mitspielt? Der Film behandelt Verbrechen an Juden im Holocaust und die Bedeutung der Erinnerung an die Ermordeten. Daniel Grossmann ist wichtig, dass die Mitglieder seines Orchesters sich mit jüdischer Musik identifizieren. Der Glaubenshintergrund der Musiker ist ihm dabei weniger wichtig.
Jakobsplatz Orchester | Bildquelle: © Thomas Dashuber Die letzte Saison des Orchesters war insgesamt sehr filmlastig: Zuletzt inszenierte das Jewish Chamber Orchestra Munich die musikalische Untermalung für vier Stummfilme aus den 20er Jahren. Für die kommende Saison ist ein bunt gemischtes Programm geplant – sowohl weitere Stummfilme als auch Opern sollen musikalisch umgesetzt werden. "Unsere nächste Saison trägt den Titel 'Grüß G–TT Jewish Chamber Orchestra Munich'", sagt Daniel Grossmann. "Gott geschrieben 'G–TT'. Das ist die Schreibweise, die jüdische Menschen benutzen, weil sie den Gottesnamen nicht ausschreiben dürfen; sie verbindet aber ganz schön diese bayerische Tradition, sich mit "Grüß Gott" zu begrüßen."
Daniel Grossmann bedeutet es viel, dass der Tatort vergessenen jüdischen Komponisten zu Gehör verhilft. Mit dem neuen Namen möchte er auch eine deutlichere Botschaft senden: "Was ich sehr hoffe ist, dass der Fokus darauf, das wir jüdische Kultur lebendig machen wollen, für jeden noch stärker erkennbar wird. Das war eigentlich für mich das Hauptanliegen, den Namen zu ändern: dass wir uns nicht mehr hinter einem Code verstecken als 'Orchester Jakobsplatz', sondern ganz offensiv damit umgehen, dass wir eben diese jüdischen Inhalte pflegen."
Sendung: "Allegro" am 02. August 2018 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK