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Neues Album mit Joanna Sachryn "Meyers Musik hat mich verzaubert"

Die Musik ihres Landsmanns Krzysztof Meyer berührt Joanna Sachryn sehr. Ihm und Schostakowitsch hat sie ihr neues Album gewidmet. Im Interview spricht sie aber auch über ihre Liebe zum Cello und ihren Unterricht bei Musiker-Legende Mstislaw Rostropowitsch.

Joanna Sachryn | Bildquelle: Hong Fei Ni

Bildquelle: Hong Fei Ni

BR-KLASSIK: Schon zu Beginn Ihrer Karriere war immer wieder von Ihrer "umwerfenden Expressivität" die Rede. Eignet sich das Cello dafür ganz besonders? Oder was lieben Sie an Ihrem Instrument?

Joanna Sachryn: Ich liebe an meinem Instrument vor allem das Unergründliche. Das Cello bietet einen großen Stimmenumfang. Das reizt mich besonders, denn ich singe auch wahnsinnig gerne. Und so kann ich das so ein bisschen für mich eins zu eins übertragen. Große Sänger waren für mich schon immer Vorbild – gerade wenn ich an Phrasen und Diktion in der Musik arbeite. Das ist einfach ein umwerfendes schönes Instrument.

Vorbild und Lehrer Mstislaw Rostropowitsch

BR-KLASSIK: Sie haben Ihren Fachkollegen Mstislaw Rostropowitsch erlebt oder sogar von ihm gelernt. Was haben Sie von ihm gelernt?

Mstislaw Rostropowitsch 1970 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Mstislaw Rostropowitsch (1927 - 2007) | Bildquelle: picture-alliance/dpa Joanna Sachryn: Er ist ein Vorbild. Er war ein Titan. Ich schätze mich bis heute auserwählt und glücklich, dass ich mit ihm einiges an Repertoire erarbeiten konnte. Natürlich war man überwältigt von seiner Persönlichkeit und von seiner Art. Er begenete einem doch auf eine sehr offene und direkte Art und Weise. So hat er auch über die Musik gesprochen. Er war ein großer Cellist, dem wir alle sehr viel verdanken. Und ich konnte gar nicht genug Inspiration, Wörter und auch Töne von ihm aufsaugen. Sie haben mich einfach weitergeführt.

Freundschaft zu Krzystof Meyer

BR-KLASSIK: Zusammen mit dem Pianisten Paul Rivinius haben Sie jetzt ein neues Album herausgebracht – mit Musik von Dimitri Schostakowitsch und Krzysztof Meyer, einem Landsmann von Ihnen. Er wird im August 80 Jahre alt. Worum geht es in seiner Musik? Wie schreibt er? Was finden Sie in seiner Musik?

Joanna Sachryn: Um das zu beantworten, muss ich vielleicht zurückgehen zu der ersten Begegnungen mit ihm und seiner Musik. Das war vor über 20 Jahren. Da hat mich ein Veranstalter in Nordrhein-Westfalen gefragt, ob ich die erste Sonate von Krzysztof Meyer aufführen würde. Und da begegnete ich dem Komponisten selbst. Er hat mich verzaubert durch seine Ernsthaftigkeit und seine unglaubliche Begeisterung für die Musik und einfach alles, selbst für den Menschen, der ihm gegenüber sitzt. Aber auch durch seinen Humor. Und letztendlich finde ich das alles auch in seiner Musik.

Krzysztof Meyer hat mich verzaubert.
Joanna Sachryn, Cellistin

Diese Sonate macht auf mich immer den Eindruck, dass sie mir unglaublich viel Freiraum schenkt in einer ganz klaren Struktur. Das ist so ein bisschen, wenn man sagt, Bach ist nach Hause kommen und die Schuhe abstreifen und sich gut fühlen – vorausgesetzt, dieses Haus ist ganz klar und solide und sehr stabil gebaut. Die Wände sind ganz toll, und du kannst das Innere einrichten wie du willst. Und das finde ich alles in seiner Musik. Der Beginn von dieser Sonate, das sind so einzeln hingetupfte Akkorde mit Pizzicati in Cello und Klavier, die mir quasi eine Frage stellen: Siehst du? Was ist das? Meinst du es? Und dann kommt erst so allmählich der erste Gedanke, der so gesponnen wird und sich entwickelt.

BR-KLASSIK: Aber man darf sich eben auch Zeit lassen zu warten, oder?

Joanna Sachryn: Ja genau. Da sind auch wirklich viele Pausen und natürlich ganz klar strukturiert. Das ist Zeit, die einem da gelassen wird, um sich zwischen den Tönen zu orientieren. Krzysztof Meyers Musik weckt in mir Bereiche, die für mich sehr persönlich sind. Das hört natürlich jeder anders. Für mich ist es eine sehr persönliche Musik und auch eine sehr, sehr tiefe und wertvolle Freundschaft, die sich ja mittlerweile zwischen uns entwickelt hat.

Eine Zeit voller Ungewissheit

BR-KLASSIK: Stichpunkt persönliche Musik: Sie schreiben im Booklet, dass sich in diesen Musiken auch persönliche Berührungspunkte mit Ihrem Leben finden – von Erlebnissen oder Gemütszuständen. Das gilt vielleicht nicht nur für Meyer, sondern auch für Schostakowitsch?

Dmitrij Schostakowitsch | Bildquelle: picture-alliance/dpa Dimitri Schostakowitsch (1906 - 1975) | Bildquelle: picture-alliance/dpa Joanna Sachryn: Ja, das ist so. Ich bin aufgewachsen in einer Zeit, wo man noch unter diesem Druck der Regierung, der Repressalien der Sowjetunion und des Kommunismus stand. Und so habe ich mich dann entschlossen, zum Studium auf gut Glück nach Deutschland zu gehen. Und das waren unglaublich unruhige Tage und Wochen und Monate und vielleicht auch Jahre extremer Unwissenheit und Ungewissheit, auch dramatische Momente. Das klingt für mich alles durch in Krzysztofs Musik. Und vielleicht hilft mir das auch als Psychoanalyse, das dann einfach zu verarbeiten.

BR-KLASSIK: Was hat die Schostakowitsch-Sonate mit Ihnen zu tun?

Joanna Sachryn: Als ich Schostakowitschs Sonate begegnet bin, wurde mir klar, dass das ganz lyrische, wunderbare Musik ist. Man spielt sie einfach gerne. Sie ist fantastisch geschrieben. Was mich dazu bewogen hat, gerade im letzten Jahr Schostakowitschs Musik aufzunehmen, waren zwei Aussagen, die mich in der Empfindung für Schostakowitsch gestärkt haben. Die eine, die ich gelesen habe, von Wolkow, ein Journalist und Schriftsteller, der Gespräche mit Schostakowitsch geführt hat. Er sagte: Wenn man Musik von Tschaikowsky hört, denkst du an eigene Gefühle. Wenn du die Musik von Schostakowitsch hörst, denkst du an die Gefühle der anderen.

Galina Wischnewskaja | Bildquelle: Alexander Gaiduk Für Galina Wischnewskaja, die Ehefrau von Mstislaw Rostropowitsch, war die Begegnung mit Dimitri Schostakowitsch ein Wendepunkt im Leben. | Bildquelle: Alexander Gaiduk Eine andere wichtige Aussage ist die von Galina Wischnewskaja, der Ehefrau von Rostropowitsch. Sie war eine zu ihrer Zeit in der Sowjetunion groß gefeierte Sängerin. Sie sagte: Bis zu dem Moment, wo Slava, also Rostropowitsch, sie Schostakowitsch vorgestellt hat, war sie immer nur besorgt und bemüht um ihre eigene Karriere. Nach der Begegnung mit Schostakowitsch fing sie an, sich umzuschauen, was um sie herum passiert. Wenn man das Leben von den beiden etwas kennt, weiß man, dass es doch sehr gravierende Wechsel und Entwicklungen in deren Leben gegeben hat – eben weil sie Mut hatte, sich umzuschauen oder auch mal zu äußern.

Infos zur CD

Joanna Sachryn & Paul Rivinius
Werke für Violoncello und Klavier
Krzysztof Meyer & Dimitri Schostakowitsch

Label: Edition Kaleidos

Sendung: "Allegro" am 17. Februar 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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