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Interview mit Katharina Bäuml Alte Musik mit den Ohren von heute

Früher musizierten Bläsergruppen vom Turm oder Balkon herab. Daran erinnert der Ensemblename "Capella de la Torre". 2005 hat die Oboistin Katharina Bäuml das Ensemble gegründet- noch immer spielt es in der Originalbesetzung. Inzwischen zählt die Capella zu den führenden Ensembles der Alten Musik. Ihr Ziel ist es, Musik vergangener Jahrhunderte für heutige Hörer lebendig werden zu lassen.

Bildquelle: CdlT/Andreas Greiner-Napp

Capella de la Torre

Gespräch mit Katharina Bäuml

BR-KLASSIK: Es gibt eine Menge Originalklang-Musiker, historische Aufführungspraxis-Musiker, die in die Bibliotheken gehen und zentimeterdick den Staub wegwischen von Manuskripten, die da seit Jahrhunderten liegen. Die dann jeden Vorhalt und jede Note studieren um diese Musik zu spielen. Manches davon wird richtig gut. Schwierig wird es ein bisschen, wenn man die Ideologie an vorderste Stelle stellt und sagt, ich weiß aber jetzt, wie es früher war. Sie haben mal in einem Interview gesagt, wir machen das jetzt einfach anders. Wie anders machen Sie es denn?

Katharina Bäuml: Also ich glaube schon, dass man das alles machen muss, was Sie beschrieben haben. Selbstverständlich muss man in die Bibliothek und da liegt mal mehr, mal weniger Staub. Ich denke, dass das wirklich wichtig ist, auch die Zusammenarbeit mit den Musikwissenschaftlern, dass man sich wirklich schlau macht und sagt, was war damals möglich, wie könnte das gewesen sein. Unser Ansatz mit "Capella de la Torre" ist aber dann schon zu sagen: Wir leben heute; wie viel können wir eigentlich wissen über damals? Wir leben ganz anders, wir hören ganz anders. Wir müssen das in die heutige Zeit übersetzen. Und deswegen ist mein Zugang immer, dass ich sage: Selbstverständlich informieren wir uns, so gut es irgend geht. Und dann schauen wir aber, wie baue ich da daraus etwas, was der Zuhörer von heute mit den Ohren von heute mit viel Spaß hören kann.

Oboenstudium und Forschergeist

BR-KLASSIK: Sie haben ja erstmal moderne Oboe studiert und dann im Studium immer mal mit Klischees und Vorbehalten gegen barocke Instrumente und barockes Musizieren zu kämpfen gehabt. trotzdem haben Sie sich ja dann irgendwann entschieden, Barock-Oboe zu machen und Schalmei. Wann ist denn der Funke übergesprungen oder der Knoten geplatzt, dass sie gesagt haben: Egal was die anderen sagen, das ist es für mich!

Katharina Bäuml | Bildquelle: CdlT/Andreas Greiner-Napp Katharina Bäuml | Bildquelle: CdlT/Andreas Greiner-Napp Katharina Bäuml: Bei mir war es so, dass es der Forschergeist war auf der einen Seite, dass ich immer dachte, ich würde so gerne wissen: Welchen Klang hatte denn Johann Sebsatian Bach im Ohr, als er diese wunderbaren Oboenarien geschrieben hat? Und ich dachte: Was war denn eigentlich vor Bach? Natürlich hat er nicht in einem luftleeren Raum begonnen zu komponieren, sondern war von Klängen umgeben. Und so entwickelte sich das immer weiter. Ich bin aber wirklich der ganz festen Überzeugung, dass wir uns mit der Alten Musik mit genau denselben Maßstäben messen lassen müssen wie die Orchestermusiker auch. Mein Instrument ist da möglicherweise ein bisschen der Härtefall, die Schalmei. Weil natürlich gibt es wunderbare Barockoboenspieler und -spielerinnen und wenn dort jemand nicht wirklich gut ist, dann würde man sagen: "Na ja, vielleicht war das jetzt doch der Musiker." Und auf der Schalmei ist es immer noch oft so, dass man sagt: "Das Instrument ist vielleicht doch nicht so perfekt, weil es nur ein Vorläufer der Oboe ist." Das wäre schade.

BR-KLASSIK: Ich bin bei der Schalmei ganz entspannt. Mit geht es immer mit dem Barock-Fagott so. Ich war früher Fagottistin und ich muss immer noch beim Barockfagott gelegentlich an Staubsauger denken, tut mir leid. Und all meine Kolleginnen und Kollegen schimpfen fürchterlich, aber ja, manchmal entstehen solche Gedanken.

Katharina Bäuml: Also es ist auch so, dass es immer wieder so ist, dass man auf Klänge trifft, wo man sagt, eigentlich sind wir schon weiter. Es ist ein ganz großes Thema zu sagen: Wie fasziniere ich auch die Leute von heute? Und selbstverständlich messen wir uns mit den Maßstäben, die man an ein Orchester wie die Berliner Philharmonikern auch anlegen würde. Die dürfen auch nicht kieksen.

Ich glaube, dass Musik jeden ansprechen kann, wenn er denn sich dafür öffnen möchte.
Katharina Bäuml

BR-KLASSIK: Was die Konzertatmosphäre angeht, Krawatte und Frack, alle stillsitzen: Das ist, glaube ich, gar nicht so Ihres. Sie haben sehr schön gesagt: Für Sie swingt es, wenn bei den Leuten die Füße wippen. Es gibt ein Stück bei Ihnen, da wippen bei mir die Füße sofort. Das ist von Stephin Merritt "The Book of Love". Können Sie erklären, was Sie machen, damit bei mir die Füße wippen?

Katharina Bäuml: Wir haben irgendwann festgestellt, dass Jazz-Musiker und Alte-Musik-Musiker so ein bisschen sind wie die zwei Seiten derselben Medaille. Weil es so viele Gemeinsamkeiten gibt. Es gibt Standards auf der einen und anderen Seite, und eben Improvisieren und Spaß bei der Sache haben. Ich glaube, dass Musik jeden ansprechen kann, wenn er sich denn dafür öffnen möchte. Und bin immer ganz froh, wenn Leute sagen, das ist tolle Musik. Und nicht: Das ist tolle Neue oder Alte oder sonstwas für Musik.

Capella-de-la-Torre-Sprache

BR-KLASSIK: 2005 haben Sie "Capella de la Torre" gegründet. 13 Jahre ist eine stattliche Zeit für ein Ensemble. Wenn Sie mal an die Anfänge zurückdenken: Würden Sie sagen, Sie haben sich von Anfang an gefunden und von Anfang an gleich richtig gemacht? Oder müssen Sie aus heutiger Sicht manchmal schmunzeln darüber, wie es losgegangen ist?

Katharina Bäuml | Bildquelle: CdlT/Andreas Greiner-Napp Katharina Bäuml | Bildquelle: CdlT/Andreas Greiner-Napp Katharina Bäuml: Gefunden haben wir uns in gewisser Weise schon mit den Kollegen, weil wir immer noch in der derselben Besetzung zusammenspielen. Und schmunzeln muss ich auch manchmal, wenn ich die ersten Aufnahmen höre, weil ich mich daran erinnern kann, wie wir uns zum Teil blutige Nasen gespielt haben mit Dingen, die gar nicht so gehen wollten und wo man diskutiert hat und unsicher war. Und ich würde auch sagen, dass wir sicherlich besser zusammenspielen als vor 13 Jahren. Aber es ist doch etwas dazu gekommen, das ich die eigene "Capella-de-la-Torre-Sprache" nennen würde – oder einen eigenen Stil. Der hat sich entwickelt und das ist dazugekommen. Und ich freue mich darüber, weil es immer noch weitergeht.

Sendung: "Leporello" am 28. August 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

"Capella de la Torre" ist am Freitag, 31. August 2018, in Roggenburg zu erleben. Mehr Informationen auf der Homepage des Ensembles.

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