Am 23. August beginnt Kiril Petrenko offiziell seine Zeit als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, und zwar mit der Aufführung von Beethovens 9. Symphonie in der Philharmonie, und morgen spielt das Orchester dasselbe Werk dann vor dem Brandenburger Tor bei den Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag des Mauerfalls. Hier werden 30.000 Zuschauer erwartet. Interviews gibt der bescheidene Kapellmeister eigentlich nie. Aber zu einer Pressekonferenz vor seinem großen Tag konnte er denn doch nicht nein sagen.
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Freude, schöner Götterfunken: Kirill Petrenko hat zum Auftakt seiner ersten Saison als Chef der Berliner Philharmoniker und zu Ehren von Beethovens 250. Geburtstag dessen berühmteste Symphonie gewählt. "Ich habe mir immer vorgestellt, wenn man eine Botschaft an die fernen Planeten senden würde und man würde darin unsere Menschheit als Individuen und als Gesellschaft – die Gesellschaft mit all unseren positiven wie negativen, mit allen fantastischen Kultureinrichtungen und auch den schrecklichen Dingen, die wir gemacht haben in der Vergangenheit – wenn man das alles beschreiben müsste, könnte man nirgendwo eine bessere Beschreibung finden, als in Beethovens 9. Symphonie." So erklärt der Dirigent seine Wahl. "Denn sie enthält für mich all das, was uns als Menschheit auszeichnet, und zwar im positiven wie auch im negativen Sinne."
Bei jedem klang das Orchester anders – und so soll es auch sein.
Die Neunte von Beethoven ist auch eine Hommage an frühere Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker. Das Chorfinale klingt immer anders: bei Wilhelm Furtwängler pompöser, bei Herbert von Karajan heller, und Claudio Abbado nahm die Musik tänzerischer. Hat Kirill Petrenko einen Lieblingsvorgänger? "Bei jedem klang das Orchester anders – und so soll es auch sein. Und deswegen kann ich von jedem sehr viel abgewinnen, möchte aber meinen eigenen Klang, meine eigene philharmonische Welt kreieren."
Klassik-Fanmeile vor dem Brandenburger Tor am 24. August 2019. Kirill Petrenko dirigiert Beethovens Neunte. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Die Neunte soll auch ein Ausdruck des menschlichen Miteinanders über Grenzen hinweg sein. Beethoven, Schubert, Brahms – dort wird ein Schwerpunkt der kommenden Jahre liegen. "Bei den Berliner Philharmonikern spielen 125 Musiker aus 28 Nationalitäten", erklärt Petrenko. "Dazu kommt das Karajan-Orchester mit 36 Musikern aus 15 Nationen. Auch ich selber komme von ganz weit her. Mein Anliegen wäre, mit diesen unterschiedlichen Musikern, mit ihren unterschiedlichen Traditionen in ihren Heimatländern zusammen zu kommen in diesem Repertoire, was ich als Ur-Repertoire der Berliner Philharmoniker bezeichnen würde: dieses deutsch-österreichische, klassisch-romantische Repertoire."
In Baden-Baden und Berlin wird Petrenko auch Beethovens "Fidelio" dirigieren, am Festspielhaus zusätzlich die "Missa Solemnis", die später einmal in Berlin erklingen soll: "Mit diesen drei Fs: In Beethovens Neunter geht es um Freude, in 'Fidelio' um Freiheit, in 'Missa Solemnis' um Frieden", sagt Kirill Petrenko. "Ich vermute, jeder pflichtet mir bei, dass diese drei Begriffe heute enorm an Aktualität gewonnen haben, wenn man zurzeit sieht, was in Europa passiert. Das erfüllt uns alle wirklich mit Sorge. Man hat das Gefühl, dass man für diese lang etablierten Begriffe heute wirklich wieder kämpfen muss. Das hat Beethoven wie kein anderer dargestellt."
Also ein bisschen Angst ist immer dabei.
Kirill Petrenko | Bildquelle: picture alliance / dpa | Sophia Kembowski Der 47-jährige Dirigent aus Omsk, der in Meiningen an der Komischen Oper und in München Triumphe feierte, bereitet sich akribisch auf jedes Konzert vor. Keine Interviews. Nur die Partitur zählt, die Probe und das Konzert. "Also ein bisschen Angst ist immer dabei... Dieses Orchester hat eine Energiequelle in sich, die unbeschreiblich ist. Ich als Dirigent muss mit dieser Energiequelle richtig umgehen lernen. Vor jedem Konzert habe ich den Wunsch, mit dem Orchester auf den Wolken zu fliegen, weil ich spüre, was für ein Potenzial da drin ist. Und ich muss nur die Wege finden, dieses Potenzial voll auszuschöpfen."
Die kommende Saison ist die letzte, in der Petrenko noch hin- und herreisen muss zwischen Bayern und der Hauptstadt: "Diese Spielzeit muss ich meine Zeit noch aufteilen. Das Eine endet und das Andere fängt an. Ich finde das eine sehr zufriedenstellende Situation und ich freue mich sehr darauf."
Freitag, 23. August 2019
Berlin, Philharmonie, 19:00 Uhr
Das Konzert ist ausverkauft, wird aber in der Digital Concert Hall sowie in zahlreichen Kinos live übertragen.
Samstag, 24. August, 20:15 Uhr
Berlin, Open Air am Brandenburger Tor
Alban Berg:
Symphonische Stücke aus der Oper "Lulu" (nur am 23.8.)
Ludwig van Beethoven:
Symphonie Nr. 9 d-Moll op. 125
Weitere Informationen zu den Konzerten gibt es auf der Homepage der Berliner Philharmoniker.
Sendung: "Allegro" am 23. August 2019 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Samstag, 24.August, 16:55 Uhr
Werner
Kirell petrenko
Wunderbar, das dieser 'deutsche' unter und mit uns lebt