In zwei Jahren wird Kirill Petrenko den Chefposten bei den Berliner Philharmonikern antreten. Seit knapp zwei Wochen ist er mit seinem aktuellen Orchester, dem Bayerischen Staatsorchester, auf Asien-Tournee. Nach Stationen in Taiwan und Südkorea bleiben die Musiker nun bis zum 1. Oktober in Tokio. Neben zwei Konzertprogrammen haben sie auch zwei Opern im Gepäck, nämlich Mozarts "Zauberflöte" in der Everding-Inszenierung und die aktuelle "Tannhäuser"-Produktion mit Klaus Florian Vogt in der Titelrolle. Kathrin Hasselbeck ist für BR-KLASSIK dabei.
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"Konichiwa" - freundlich-gelassen tritt Kirill Petrenko ans Pult und begrüßt sein Orchester auf Japanisch mit einer kleinen Verbeugung. Die Stimmung ist gut, das letzte Konzert dieser Reihe beginnt in zwei Stunden. Vier Mal haben das Bayerische Staatsorchester, sein Dirigent und der Pianist Igor Levit bereits dieses Programm gespielt: Sergej Rachmaninows "Rhapsodie über ein Thema von Paganini" und Gustav Mahlers Fünfte Symphonie; zwei Mal in München, je einmal in Taipeh und Seoul. Dennoch wird in den kommenden siebzig Minuten akribisch geprobt; nicht einfach nur angespielt und der Saal, das Bunka Kaikan in Tokio, getestet. "Er findet immer etwas, immer. Ich glaube, man hätte noch doppelt so viel proben können - er würde trotz etwas finden", verrät Gaël Gandino, Harfenistin im Staatsorchester. Sie spielt eine entscheidende Rolle im berühmtesten Satz von Mahlers Fünfter, dem Adagietto. "Er hat gleich bei der ersten Probe was gesagt: Sie sind mein Motor", erzählt Gandino. "Und das ist mir in jeder Probe und in jedem Konzert im Kopf geblieben. Er wollte, dass es nach vorne geht, und ich fand das so genial erklärt von ihm. Und danach hat er eigentlich nie wieder was gesagt."
Wenn man von einem Motto sprechen könnte, dann würde es heißen: proben.
Das mit dem "nie was sagen" kennen vor allem Journalisten von Petrenko. Der Dirigent gibt keine Interviews und nur ganz selten Pressekonferenzen. Am Sonntagabend in Tokio kommen knapp fünfzig japanische Medienleute, um ihn zu treffen, um wenigstens ein paar Fragen loszuwerden. Alles konzentriert sich auf ihn. Die Erwartungen sind hoch, schließlich ist es das erste Mal, dass Petrenko nach Japan reist. Er zeigt sich äußerst angetan: "Ich bin sehr begeistert und sehr fasziniert von dem Land als Ganzem, von der Stadt - es ist überwältigend -, von den Menschen und von dem Essen." Was sein Motto sei, will eine japanische Journalistin wissen. "Ich habe jetzt kein besonderes Motto, unter dem ich arbeite", antwortet der Dirigent. "Aber ich versuche einfach, mir jedes Mal, bei jeder Probe und jeder Aufführung für die Musik Zeit zu nehmen, mich so gut als möglich vorzubereiten und in ausführlicher Probenarbeit die Werke zur Aufführung zu bringen. Also wenn man von einem Motto sprechen könnte, dann würde es heißen: proben."
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Opernintendant Nikolaus Bachler (l.) im Gespräch mit Pianist Igor Levit (M.) | Bildquelle: Wilfried Hösl
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Opernintendant Nikolaus Bachler (l.) im Gespräch mit Tenor Klaus Florian Vogt | Bildquelle: Wilfried Hösl
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Tenor Klaus Florian Vogt gibt Autogramme in Tokio. | Bildquelle: Wilfried Hösl
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Kirill Pertrenko und das Bayerische Staatsorchester in Tokio | Bildquelle: Wilfried Hösl
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Kirill Petrenko, Igor Levit und das Bayerische Staatsorchester | Bildquelle: Wilfried Hösl
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Igor Levit beim Applaus nach dem Konzert in Tokio | Bildquelle: Wilfried Hösl
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Igor Levit und Kirill Petrenko beim Applaus nach dem Konzert in Tokio | Bildquelle: Wilfried Hösl
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Applaus nach dem Konzert in Tokio | Bildquelle: Wilfried Hösl
Dann sagt Petrenko noch, dass er sich in der Aufführung als Vermittler zwischen der Musik, den Musikern und dem Publikum sieht, dass er Live-Aufführungen CD-Aufnahmen vorzieht, und dass die Entscheidung, keine Interviews zu geben, schon vor langer Zeit gefallen ist: "Man sollte als Dirigent auf dem Podium umso mehr sagen können und müssen, und daneben möchte ich gerne so wenig wie möglich über meine Arbeit sprechen. Es sollte etwas Geheimnis vorhanden sein."
Dass bei der Pressekonferenz links und rechts neben Petrenko Weltstar-Opernsänger sitzen, nämlich Klaus Florian Vogt, Elena Pankratova, Annette Dasch und Matthias Goerne, gerät fast zur Nebensache. In der Fragerunde werden sie von den Journalisten darum gebeten, über Maestro Petrenko zu sprechen. Das machen sie - und schwärmen von, genau, der Probenarbeit: "Keine Minute geht verloren oder für leere Gespräche drauf, und dadurch zeigt er auch seinen Respekt unserer Arbeit gegenüber, unserer Zeit und Energie", sagt Elena Pankratova.
Eine Folge davon, dass Petrenko sich auf seine Arbeit fokussiert, aber nicht mit den Medien kommuniziert, ist, dass der Hype oder das Geheimnis, um ihn nur größer wird. Eine andere Folge sind geniale Musikmomente wie das Konzert mit Rachmaninow und Mahler im Bunka Kaikan, der Konzerthalle im Ueno-Park von Tokio. Es leuchtet, es lebt, es spricht. Begeistert ist auch das Publikum - und der Solist des Abends, Pianist Igor Levit: "Es ist ein ganz großes Geschenk, ein ganz großes Miteinander. Er ist ein Musiker, der gibt sich mit 99,9 Prozent nicht zufrieden. Der geht den allerletzten Millimeter - so wenige tun das sonst. Es gibt für mich von dieser Reise nur einen Nachteil: dass man automatisch alles andere damit vergleicht."
Sendung: "Leporello" am 18. September 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK