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Kritik - "Kiss me Kate" am Nürnberger Staatstheater Wie ein üppiger Blumenstrauß zum Valentinstag

Mag ja sein, dass Shakespeare der größte Theaterdichter aller Zeiten war und ist, aber am Broadway in New York, da hatten die Produzenten Angst vor ihm. Wahrscheinlich mit Recht, denn der durchschnittliche Musical-Zuschauer war zumindest 1948 nicht besonders vertraut mit Shakespeares Klassikern.

Ob das heute anders ist, sei dahingestellt, jedenfalls schrieb Cole Porter in weiser Voraussicht kein Musical über Shakespeare, sondern über das Theaterleben als solches, über Eifersucht und Eitelkeit, Probenstress und Premierenwahnsinn.

Erstes amerikanisches Musical in Deutschland

Ganz gegen die ursprüngliche Erwartung wurde "Kiss me, Kate" prompt zum Welterfolg, und übrigens zum allerersten amerikanischen Musical, das in Deutschland aufgeführt wurde. 1955 war das, also mitten in der kitschtriefenden Heimatfilmzeit. Das Tempo und die vielen Zweideutigkeiten in Cole Porters so respektloser wie unterhaltsamer Version von der "Widerspenstigen Zähmung" dürften damals so manchen deutschen Zuschauer irritiert haben. Heute wirkt "Kiss me, Kate" immer noch überraschend zeitgemäß und frech, dank einer sehr gelungenen Neubearbeitung des Berliner Autors und Regisseurs Peter Lund. Wer weiß, wie oft Texter gerade im Musiktheater an Modernisierungen scheitern, wird das angemessen zu würdigen wissen.

Opulent und ironisch

Am Staatstheater Nürnberg wurde "Kiss me, Kate" jedenfalls ein durchschlagender Erfolg, vor allem auch dank der Ausstattung des Magdeburgers Toto, der herrlich opulente, hier natürlich ironisch gemeinte Kostüme entworfen hatte. Die störrische Katharina, also die Widerspenstige, hantierte sogar mit einer Motorsäge - und trennte damit wichtige, aber winzige männliche Körperteile ab.

Geräusche wie im Stummfilm

Natürlich gab es auch eine Showtreppe, aber sie dominierte den Bühnenraum nicht, wie sonst oft im Musical. Stattdessen war Platz für einen aufmerksamen Geräuschemacher, der die Bewegungen der Personen wie im Stummfilm akustisch begleitete, also je nach Bedarf knarzte, pfiff und quietschte. Das riesenhafte Shakespeare-Denkmal auf der Bühne stand in apartem Gegensatz zu diesem Slapstick. Auch auf dem Vorhang lächelte der Dichter so huldvoll wie majestätisch, ein Porträt, das die fernsehbekannten fränkischen Komödianten Volker Heißmann und Martin Rassau allerdings sofort punktgenau als Dürer identifizierten.

Unterhaltsam und schwungvoll

Der österreichische Musical-Profi Thomas Enzinger lieferte einmal mehr eine sehr routinierte, unterhaltsame, schwungvolle Regie-Arbeit ab, ganz ohne Durchhänger und Längen, was bei knapp drei Stunden Spieldauer eine beachtliche Leistung ist. Die ungarische Choreographin Kati Farkas sorgte für das nötige Tempo unter ihren jungen Tänzern: Zwar nicht sonderlich experimentierfreudig, aber durchgehend augenzwinkernd und anspielungsreich, immer nah an der Pantomime. Heißmann und Rassau, die beiden Lokal-Matadore, glänzten als tolpatschiges Gangster-Paar, dominierten in diesen Nebenrollen aber keineswegs das Geschehen. Ganz im Gegenteil: Sie fügten sich geradezu erstaunlich zurückhaltend ins Ensemble ein.

Souverän und glaubwürdig die Sänger

Szenenbilder "Kiss me Kate", Staatstheater Nürnberg 2016 | Bildquelle: Jutta Missbach Sophie Berner als Lilli Vanessi / Katharina | Bildquelle: Jutta Missbach

Umjubelt wurden Sophie Berner in der Titelrolle der Kate und Christian Alexander Müller als ihr rabiater Liebhaber Petrucchio. Beide spielten tatsächlich so unangestrengt, souverän und glaubwürdig, dass mal wieder deutlich wurde: Das oft unterschätzte, ja verlachte Musical hat gegenüber der ernsthaften Oper keineswegs nur Nachteile. Zwar wurde mit Mikrofonen gesungen, dafür sind die Darsteller aber viel beweglicher, realistischer, verständlicher und damit näher am Publikum.

Allerdings fallen Schwächen auch stärker auf, was in Nürnberg allenfalls für einige Nebenrollen galt. Die beiden Nachwuchsdarsteller von der Bayerischen Theaterakademie in München dagegen, Antonia Welke und Manuel Dengler, waren als junges Liebespaar zwar verständlicher Weise anfangs etwas nervös, meisterten ihre Aufgaben aber insgesamt mehr als achtbar.

Klanglich farbenreich

Dirigent Volker Hiemeyer machte den Abend klanglich so farbenreich wie einen üppigen Blumenstrauß zum Valentinstag. Pathos, Romantik, Erotik, Polemik, alles war reichlich vorhanden. Mag sein, dass sich Shakespeare in "Kiss me, Kate" nicht wieder erkannt hätte, aber für den Broadway hätte er das locker in Kauf genommen.

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