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Kritik – Anna Netrebko als Elsa in Dresden Erfolgreiches Wagner-Debüt im Lohengrin

Die Opernwelt blickte am Donnerstag voller Spannung nach Dresden. An der Semperoper verkörperte Anna Netrebko erstmals eine Wagner-Rolle: die Elsa im "Lohengrin", unter der musikalischen Leitung von Christian Thielemann. Bettina Volksdorf hat einen beglückenden Opernabend erlebt.

Bildquelle: © Daniel Koch

Die Kritik zum Nachhören

Bettina Volksdorf im Gespräch mit BR-KLASSIK-Moderator Johann Jahn über Anna Netrebkos Debüt als Elsa in Dresden

Es war ein grandioser und beglückender Opernabend. Anna Netrebko und Piotr Beczala, der in der Titelpartie ebenfalls als Wagner-Debütant zu erleben war, wurden schon nach dem ersten Aufzug vom Publikum bejubelt. Das hat ihnen wohl auch gut getan bei ihrem Debüt im Wagner-Fach. Insgesamt war es gestern ein Fest der Stimmen mit Georg Zeppenfeld als König Heinrich, Evelyn Herlitzius als Ortrud, Tomascz Konienczny als Telramund und Derek Welton als Heerrufer. Die Vorstellung war edel besetzt bis in die kleineren Partien hinein.
Das war auch ein Glück, denn szenisch blieb manches etwas statisch. Vieles hat sich an der Rampe abgespielt – das wurde jedoch von sänger-darstellerischen Höchstleistungen wett gemacht.

Glasklar strukturiert von Christian Thielemann

Christian Thielemann hat die Partitur glasklar strukturiert und dynamisch differenziert ausgeleuchtet. Die Sächsische Staatskapelle Dresden war in Bestform zu erleben. Gut austariert waren die beinah kammermusikalischen Momente im Gegensatz zu den großformatigen und richtig lauten Chor-Orchester-Soli-Final-Szenen.

Anna Netrebko ringt zwar noch ein wenig mit der Aussprache, respektive den vielen Konsonanten - sie formt die Worte mitunter wie ein großes Mahlwerk. Aber sie hat die Power, die diese Partie verlangt. In den großen Finalszenen setzte sie sich auch gegen Chöre und das gut 100-Mann/Frau stark besetzte Orchester noch durch.

Anna Netrebko hat die Power, die diese Partie verlangt
. Bettina Volksdorf, Opernredakteurin beim MDR

Beeindruckende dynamische Flexibilität

Sie verfügt über das dramatische Potential, über die Höhe, zudem über eine unglaublich warme, leicht melancholisch schimmernde Tiefe. Sie kann durch die Register wandeln, wie es ihr beliebt und hat sich eine beeindruckende dynamische Flexibilität in der Tongebung bewahrt. Wie innig sie im Duett mit Ortrud im zweiten Aufzug ihr "Es gibt ein Glück" singt, das war schon beeindruckend.

Piotr Beczala singt mit "Italianità"

Ebenso beeindruckend, wenngleich anders im Ansatz präsentierte sich Piotr Beczala. Er ist im lyrischen Fach ein Weltklasse-Tenor und hat sich auch bei Wagner zu keinerlei Stimm-Protzerei verleiten lassen, sondern klug dosiert, wunderbar phrasiert und artikuliert. Da war jedes Wort zu verstehen. Bei ihm kam gelegentlich ein Gefühl von echter "Italianità" auf. Da fiel einem der Tagebuch-Eintrag von Cosima Wagner ein, der besagt: Man solle Wagner "italienisch singen, aber deutsch sprechen!"

Militante Männergesellschaft zur Kaiserzeit

Die historisierende Inszenierung von Christine Mielitz ist ein Klassiker in Dresden - sie stammt von 1983. Damals wurde das Stück noch im Dresdner Schauspielhaus inszeniert. Nach Wiedereröffnung der Semperoper im Februar 1985 wurde die Produktion in die Oper übernommen und inzwischen 111 Mal gespielt. Szenisch funktioniert das noch ganz ordentlich: Mielitz lässt den Lohengrin in einer militanten Männer-Gesellschaft zur Kaiserzeit spielen, da geht es um Krieg und um Macht, da haben Intimität, Individualität und Liebe kaum Raum - auch daran scheitern Elsa und Lohengrin letztlich. Und ja, die beiden spielen das glaubwürdig, gerade auch Anna Netrebko, die Deutsch noch nicht fließend spricht. Das merkt man aber nicht, denn sie reagiert authentisch und ist ein unglaubliches Bühnentier.  

Jubel, Standing Ovations, Blumenwürfe

Das Publikum nahm dieses Doppeldebüt mit Begeisterung auf: Es gab Jubel, Standing Ovations, Blumenwürfe auf die Bühne. Anna Netrebko wurde sogar von einem Spielzeug-Schwan getroffen. Die Rechnung von Christian Thielemann dürfte aufgegangen sein. Er holt ja für die von ihm dirigierten Produktionen gern gezielt Wunsch-Besetzungen ans Haus. Christian Thielemann hatte lange im Vorfeld mit Anna Netrebko und Piotr Beczala über dieses Debüt gesprochen. Sie wollte unbedingt endlich Wagner singen, er war eher zurückhaltend, hat lange drüber nachgedacht. Beczala hat diese Partie mit Christian Thielemann in Bayreuth auch einmal zwei Stunden geprobt. Bei Piotr Beczala dürfen wir gespannt sein, wie er den Lohengrin in vier oder fünf Jahren singen wird. Dass man mit Anna Netrebko über Bayreuth 2018 im Gespräch ist, ist ein offenes Geheimnis - dies zumal Christian Thielemann nicht nur Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle ist, sondern bekanntlich auch Musikdirektor der Bayreuther Festspiele. Insgesamt war das für das Ensemble des Hauses, den hervorragenden Staatsopern-Chor, für die Staatskapelle und die Solisten ein toller Erfolg, ein rundum gelungenes Debüt auch für Sopran-Star Netrebko.

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