Mit seiner Musik zum Ballett "Der Feuervogel" wurde der junge Igor Strawinsky als 27-jähriger Komponist schlagartig international bekannt. Die Uraufführung des "Feuervogels" in Paris 1910 sollte den Anfang einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem in Paris wirkenden Sergej Diaghilew und seinen Ballets russes markieren. Ulrich Möller-Arnsberg stellt das Starke Stück vor.
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Das starke Stück zum Anhören
Nach der Urfassung der von Impresario Sergej Diaghilew geleiteten Ballets Russes sieht die Szenerie zum "Feuervogel" aus dem Jahr 1910 – frei nach einem Märchen von Alexander Afanasjew – so aus: Ein Baum mit merkwürdig goldenen Früchten steht im Garten des russischen Magiers Kastschej. Darin bewegt sich ein glitzernder, leuchtender Vogel aufgeregt hin und her. Thronfolger Iwan Zarewitsch gelingt es, diesen phantastischen Vogel zu fangen. Der verspricht ihm für den Fall der Freilassung, in jeder Notlage behilflich zu sein.
Eigentlich hatte Diaghilew für die Uraufführung in Paris den Komponisten Anatoli Ljadow, seinen Harmonielehre-Professor, vorgesehen. Denn Diaghilew hatte sich für das "Feuervogel"-Projekt eben genau solche Musik vorgestellt, wie sie Ljadow schon in der Tondichtung "Der verzauberte See" geschaffen hatte. Da Ljadow aber aus Zeitgründen ablehnen musste, wandten sich die Ballets Russes an den erst 27-jährigen Igor Strawinsky. Der hatte immerhin schon Musik von Chopin für die Ballett-Truppe instrumentiert. Der "Feuervogel" sollte für ihn die große Chance sein, in der französischen Metropole bekannt zu werden.
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Meine musikalische Erziehung begann mit dem Feuervogel.
Szenenbild Tamara Karsawina als Feuervogel und Michail Fokine als Iwan. (UA der Ballets Russes in Paris, 25. Juni 1910) | Bildquelle: picture-alliance / akg-images
Später zurückblickend gestand Strawinsky in den 1960er Jahren, dass in seiner "Feuervogel"-Partitur, die er als Folge von 18 Tanznummern konzipierte, Einflüsse seines Lehrers Rimskij-Korsakow zu bemerken seien. Doch habe er darüber hinaus einen eigenen Weg gesucht mit Glissando- und Flatterzungen-Effekten. Strawinskys Musik leistet zudem staunenswerte Charakterisierungen: Sirrende, flirrende Klänge durch effektvolle Kombinationen von Glockenspiel, Streichern und Bläsern bringen einen aparten Farbreichtum. Sie entspricht ganz dem zur Uraufführungszeit vorherrschenden Jugendstil und untermalt phantastisch die kühnen Bewegungen des Vogels.
Für Tamara Karsawina, die den Feuervogel im Uraufführungsjahr 1910 tanzte – in der Choreografie von Michail Fokine –, bedeutete das Stück den Schritt in eine neue Welt von Ballett-Musik. In ihren Erinnerungen schreibt sie: "Meine musikalische Erziehung begann mit dem 'Feuervogel'. Es war ein tränenreiches Lernen. Zwar durchdrang mich die poetische Ausdruckskraft des Feuervogels sofort. Für jemand wie mich aber, der nur auf leicht erkennbare Rhythmen und einfachen fasslichen Melodien erzogen worden war, gab es Schwierigkeiten, das kompositorische Muster zu verfolgen. Strawinsky zeigte Güte und Geduld. Oft erschien er vor einer Probe früher im Theater, um wieder und wieder einige schwierige Passagen für mich zu spielen. Da war keine Ungeduld über mein langsames Verstehen, kein Herabblicken eines Meisters von seinem Rang auf mein spärliches musikalisches Rüstzeug."
Nach seinem Pariser Erfolg im Théatre National de l´Opéra am 25. Juni 1910 stellte Igor Strawinsky in den Jahren 1911, 1919 und 1945 drei Suiten aus dem "Feuervogel" zusammen – als rein konzertante Orchestermusik. Es sind diese Suiten, vor allem die zweite und dritte, die heute zumeist im Konzertsaal erklingen.
Igor Strawinsky:
"L'Oiseau de Feu" ("Der Feuervogel")
Ballettsuite (Fassung von 1919)
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Mariss Jansons
(Konzertmitschnitt)