Schon weit vor den Kriegen in der Ukraine und in Gaza hatte Komponist Detlev Glanert sein Konzept für "Die Jüdin von Toledo" für die Semperoper fertiggestellt. Umso geisterhafter, dass mit der Premiere die aktuellen Ereignisse die Oper nun quasi einholen.
Bildquelle: Semperoper Dresden/Ludwig Olah
Die Polizeipräsenz in Dresden ist an diesem Wochenende unübersehbar. Zum Jahrestag der Bombardierung der Stadt am 13. Februar kündigen regelmäßig Neonazis ihre Aufmärsche an. Die politische Atmosphäre ist ohnehin gespannt, so kurz vor der Landtagswahl und bei den derzeitigen Umfragewerten der AfD in Sachsen. Selten, dass der Spielplan der Semperoper so scheinbar tagesaktuell ist. Mit der "Jüdin von Toledo" von Detlev Glanert, dessen Oper "Oceane" bei der Uraufführung in Berlin ein großer Erfolg war, und seinem Textdichter Hans-Ulrich Treichel ist eine neue Oper zu sehen, in der es um Antisemitismus geht, um Hass, Intoleranz, Fanatismus.
Stehende Ovationen für ein Werk, das so spannend wie beklemmend ist. Der spanische König Alfonso verliebt sich in eine Jüdin, vergisst für ein paar Monate seine frustrierenden Regierungsgeschäfte, vor allem aber den Krieg mit den Mauren, der jederzeit ausbrechen kann. Die Liebe hat keine Chance. Königin Eleonore ist eine Hetzerin und weiß den Staatsrat hinter sich.
Bildquelle: Semperoper Dresden/Ludwig Olah Regisseur Robert Carsen bebildert das in der Optik der früheren Großen Moschee von Cordoba - eine faszinierende Kulisse voller Säulen im maurischen Stil. Das macht optisch was her, ist aber nie folkloristisch oder gar kitschig. Das wäre angesichts des ernsten Stoffs auch unangebracht. Peter Theiler, Intendant der Semperoper, hat "Die Jüdin von Toledo" als Thema vorgeschlagen. Der Stoff ist historisch verbürgt. Der österreichische Nationaldichter Franz Grillparzer schrieb darüber ein Drama, Lion Feuchtwanger einen Roman. Fast schon bestürzend, wie zeitgemäß diese Mittelalterparabel ist, zumal in Dresden.
Alle Mitwirkenden vom Chor bis zu den sechs Solisten, allen voran Christoph Pohl als König Alfonso, Tanja Ariane Baumgartner als dessen Gemahlin und Heidi Stober in der Titelrolle, trugen zur ungewöhnlich erfolgreichen Uraufführung bei. Ungewöhnlich deshalb, weil der Beifall für neue Werke selten so ehrlich begeistert ist. Musikalisch erinnerte die Partitur mal an Richard Strauss, mal an Schostakowitsch. Jedenfalls ist sie ganz groß instrumentiert, einschließlich arabischer Oud-Laute, Glocken und allerlei weiterer Spezialitäten.
Ein brisanter Stoff, überwältigende emotionale Musik, ein dankbares Publikum. Mehr geht nicht in der Oper. Aber was hat das mit der Gesellschaft zu tun? Zumal der polarisierten von heute. Es ist eine Warnung mit diesem düsteren Ende, bei dem die Jüdin ermordet wird und ihr Eigentum Plünderern in die Hände fällt. Die Fanatiker sind sich dabei keiner Schuld bewusst. Die Hölle sind eben doch die anderen. Da hatte Sartre schon recht.
Sendung: "Allegro" am 12. Februar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Sonntag, 11.Februar, 21:19 Uhr
Leser
altes Blut
soll das eine Kritik sein? Unfassbar dieses Niveau.