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Kritik – Bernhard Langs "Hiob" in Klagenfurt Ins Offene glauben

Eines vorweg: das Stück könnte ein Renner werden! Neue Musik, die trotz einiger komplexer Einfälle (um nicht von Fallen zu reden) auch ein breiteres Publikum mühelos erreicht, eine irrsinnig starke Geschichte, dazu eine Besetzung, welche auch kleinere und mittlere Häuser mit einiger Anstrengung durchaus hinbekommen. Am Stadttheater Klagenfurt jedenfalls wurde "Hiob" zum Riesenerfolg, stehende Ovationen für einen packenden Neunzigminüter, der die alttestamentarische Handlung um den von Gott herausgeforderten Hiob zeitlos in die Gegenwart holt.

Szene aus der Uraufführung "Hiob" von Bernhard Lang am Stadttheater Klagenfurt | Bildquelle: Karlheinz Fessl

Bildquelle: Karlheinz Fessl

Joseph Roth schrieb über Hiob einen Roman, Koen Tachelet machte daraus eine Bühnenfassung (die Johan Simons inszenierte), jetzt hat Michael Sturminger das Ganze nochmals bearbeitet. Sturminger ist ja amtierender Salzburger "Jedermann"-Regisseur und bekannte sich mal in einem Interview als Atheist. Das ist eigentlich weder für das Spektakel auf dem Domplatz noch für Biblisches eine gute Voraussetzung. Und wenn man eines gegen sein Libretto einwenden möchte, so dass es hier manchmal sehr direkt und wenig metaphysisch zur Sache geht. Mendel Singer, der Hiob aus Roths und auch unserer Zeit, 'verliert' eine Tochter an übergriffige Soldaten, womit die junge Frau aber kein Problem hat – im Gegenteil. Ein Sohn fällt im Krieg, er selbst muss aus Russland nach Amerika fliehen, wo seine Frau stirbt und das eigentliche Sorgenkind, Menuchim (ein wirklich exzellenter Countertenor: Thomas Lichtenecker), der von Geburt an behindert ist, entpuppt sich plötzlich als erfolgreicher Dirigent. Am Ende wird es sehr jüdisch, der zwischen Wut und Fluchen auf Gott und Glücksrausch ob des wiedergefundenen Sohns schwankende Mendel schläft ein (oder stirbt) und verspricht Menuchim doch, bald mit ihm weiter zu diskutieren – und einen schönen Spaziergang zu machen!

Eine Geschichte, die funktioniert

Szene aus der Uraufführung "Hiob" von Bernhard Lang am Stadttheater Klagenfurt | Bildquelle: Karlheinz Fessl Bildquelle: Karlheinz Fessl Ein bisschen mehr Transzendenz hätte es vorher auch geben dürfen, aber die Geschichte funktioniert, Sturminger erzählt präzise und mit dramaturgischem Gespür. Er inszeniert auch die Uraufführung und lässt die wesentlichen Protagonisten gerne vorne Richtung Rampe agieren (hier ist das kein Nachteil), während öfters in schattiger Düsternis der Chor (Einstudierung Günter Wallner) kommentierend oder auch lamentierend zu hören und halb zu sehen ist. Renate Martin und Andreas Donhauser haben eine Lichtskulptur mit Neonröhren kreiert, die sich immer wieder neu über der Szenerie bewegt. Farblich bleibt die Sache recht finster, auch bei den Kostümen – viel schwarz/weiß, wenig Kontraste.

Jazz, Choräle und Klezmer

Szene aus der Uraufführung "Hiob" von Bernhard Lang am Stadttheater Klagenfurt | Bildquelle: Karlheinz Fessl Bildquelle: Karlheinz Fessl Tim Anderson agiert am Pult des Kärntner Sinfonieorchesters mit Verve und Kraft, bringt Bernhard Langs mit Synthesizer (Adam Rogala) und Vierteltonexperimenten erweiterte Orchesterklänge zum Leuchten. Langs einschlägiges Stilmittel, Loops (Wiederholungsschleifen), kommen diesmal nur an Kernstellen zum Einsatz, immer passend, immer genau auf den Punkt beziehungsweise die Phrase. In der Amerika-Episode perlt herrlicher Jazz aus dem Graben, dann wieder folgen melancholische Choräle oder manisches Zagen und Reflektieren – und viel Klezmer!

Überzeugendes Ensemble

Alexander Kaimbacher zeigt und zeichnet Mendel Singer großartig als zerissenen Gott- und Menschensucher, Ava Dodd ist toll als ihren wilden Gefühlen freien Lauf lassende Tochter Mirjam, sehr gut auch Katerina Hebelková als Mendels Gattin und jiddische Mamme par excellence. Für heute fällt der Vorhang – morgen reden wir weiter. Bernhard Langs nächster Opernstreich folgt sogleich, vielmehr in Bälde an der Stuttgarter Staatsoper.

Sendung: "Leporello" am 10. Februar 2023 um 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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