Gegensätzlicher geht es nicht: Barocke Arien und Ballermann-Hits passen eigentlich nicht zusammen. Beide zu vereinen, darin liegt der große Reiz für den Komponisten Simon Mack. Und so hat er mit barocken Versionen von "Saufen" oder "Geh mal Bier holen" ein Netzphänomen geschaffen, das für ihn aber noch ein bisschen mehr bedeutet als bloßen Tabu-Bruch.
Bildquelle: picture alliance/Roland Schlager/APA/picturedesk.com, Fritz Ulrich
Ein dramatisches Klavier, eine aufgebrachte Stimme: "Saufen", singt der Tenor Magnus Dietrich, Anna Gebhardt begleitet ihn hingebungsvoll am Klavier. Wie in einer Barock-Kantate klingt es mit betonten Konsonanten, mit klarer Aussprache: "Morgens, mittags, abends will ich saufen". Mit einer schönen geschwungenen Koloratur auf dem "abends". Zugeben, es ist ein bisschen absurd was Simon Mack, da macht. Es ist ein Sauflied, deshalb heißt es auch ganz simpel so: "Saufen". Kennt man, wenn man Ballermann-Erfahrung hat. Oder auch zu Fasching sorgt solche Musik für Stimmung.
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Ballermannhit "Saufen" als barocke Arie
Doch der Musiker Simon Mack lässt sich von solch simplen Strukturen nicht abschrecken. Von den ordinären Texten ist er geradezu inspiriert. Und so überrascht es, was dann aus so einem beschwipsten Gsangl werden kann - mit ein bisschen barocker Politur. Simon Mack unterrichtet eigentlich Gehörbildung und Musiktheorie am Mozarteum Salzburg, in Innsbruck und an der Musikhochschule München. Außerdem ist er Jazzpianist, Arrangeur und Komponist. Und hat ein gewisses Faible für – zumindest in seinem eigentlichen Metier – sehr ungewöhnliche Musik. Und so geht der Ballermann-Hit "Geh mal Bier holen" auch anders: Geliftet mit Piano statt mit Botox und Beat. Als Kunstlied im hochromantischen Stil.
Die Idee zu den klassischen Remakes der Ballermann-Knaller kommt noch aus dem Studium. Denn da trinkt man ja auch öfter mal ein Bier und wenn man dann auch noch klassische Musik studiert, liegt die Übersetzung eines Bier-Songs in den anderen Kontext irgendwie nahe. "Da kam mir die Idee mal für einen bunten Abend so etwas zu machen", erzählt Mack und dann habe das Video, dass er dann produziert habe, auf vielen bunten Abenden immer wieder für Erheiterung gesorgt. Über die Klassischen Ballermann Songs freuen sich auch die User auf youtube und Instagram. Über eine Million Klicks haben manche Videos.
User wünschen sich ganze Alben. "Episch", nennt es ein(e) Nutzer(in), wenn Ballermann auf Barock trifft. Andere schreiben: "Herrlich, was dem menschlichen Geist entspringen kann" oder "Saufonie". "Grandios, wo gibt’s die Noten?", fragt ein anderer. Oder ganz schlicht: "Prost".
Ich glaube, es gibt nichts, was einem als Mensch, der eher aus dem Klassik-Milieu kommt, ferner ist als Stimmungsschlager und Ballermannmusik.
Simon Mack ist eigentlich nicht der Typ, der jeden Sommer auf dem Ballermann abhängt.Trotzdem lebt er auch als klassischer Musiker nicht unter einer Käseglocke. Und sucht bewusst die Reibung. "Ich glaube, es gibt nichts, was einem als Mensch, der eher aus dem Klassik-Milieu kommt, ferner ist als Stimmungsschlager und Ballermannmusik", erklärt Simon Mack, und Barockmusik habe eben eine Anmut, eine Würde, ja einen Status von Kultur – der Bruch, den Mack mit solchen Arrangements produziert, ist also hart.
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Ballermannhit "Geh mal Bier holen" als Kunstlied im hochromantischen Stil
Und so sind die Lieder selbst auch nicht ganz unumstritten. Vor allem die Texte sind tiefst problematisch, manchmal sexistisch und frauenfeindlich. Aber ist das nicht auch in der Oper so, wo manche Frauenrolle aus einer undifferenzierten männlichen Perspektive erschaffen wird? So einfach ist das alles nicht. Aber am Ballermann gibt es jedenfalls gar keine Tabus, da interessiert sich niemand für die Metaeben im Text, weder nüchtern, noch mit Pegel. Weniger problematisch wird der Text dadurch aber nicht. Auch dem Arrangeur ist das Problem klar. Deshalb habe er etwa die Zeile "Geh mal Bier holen, Du wirst schon wieder hässlich" ganz bewusst von einer Frau singen lassen. Die Sopranistin Theresa Pilsl singt den Ballermann-Hit im lindgrünen Abendkleid und weich gebürstetem offenen Haar zu Klavierbegleitung am Steinway-Flügel. Und: Simon Mack habe sich schon auch bewusst die Textzeilen gesucht, die seines Erachtens am ehesten zu einer Hochkultur passen. Doch: "Natürlich komme ich um das Problem nicht herum", gibt er zu.
An der herabwürdigenden Aussage solcher Textzeilen, wird also auch die Klassik-Infusion von Simon Mack nichts ändern. Aber vielleicht bringt das Ballermann-Barock-Projekt zum Nachdenken, was wir hören und singen. Und dann sind wir vielleicht sogar froh, dass man so manche klassische Sängerin so manchen Opernsänger partout nicht versteht, sondern nur Melodie bekommt. Denn inhaltlich treffen sich Oper und Ballermann doch ab und zu bei "Wein, Weib und Gesang".
Sendung: "Leporello" am 8. Februar 2023, um 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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