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Kritik – "L'heure espagnole" am Gärtnerplatztheater Es schlägt Sex

Immer wieder Spanien: Maurice Ravel ist besonders für den "Boléro" berühmt, aber auch seine erste Oper ist spanisch angehaucht: "L'heure espagnole", die "spanische Stunde". Der junge Regisseur Lukas Wachernig inszeniert auf der Studiobühne am Münchner Gärtnerplatztheater Maurice Ravels Liebeskomödie und dreht dafür kräftig an der Humorschraube.

Das Gärtnerplatztheater zeigt Ravels "L'heure espagnole" mit überdrehten Figuren und viel Sex | Bildquelle: © Adrienne Meister

Bildquelle: © Adrienne Meister

Sie will doch einfach nur Sex. Doch die Männer machen es Conceptión nicht leicht: Sie reden und reden und reden, kommen einfach nicht zum Punkt und erst recht nicht in das Bett der Dame. Keine weltbewegenden Intrigen, sondern menschliche Triebe beschäftigen die Figuren in Maurice Ravels "L'heure espagnole". Die Kammeroper ist ein in Einakter, passend zum Titel kaum eine Stunde lang. Am Sonntagabend feierte die Kammeroper in einer Inszenierung von Lukas Wachernig auf der Studiobühne am Gärtnerplatztheater in München Premiere.

Die Handlung spielt in Spanien: Dort schlägt einmal in der Woche für Conceptión die "spanische Stunde". Dann ist ihr Mann, der Uhrmacher Torquemada außer Haus, sie nutzt die Zeit, um sich mit ihren Liebhabern treffen. In dieser Woche stehen aber gleich drei Männer auf der Matte: Der kräftige aber einfältige Maultiertreiber Ramiro, der schmierige Romantiker Gonzalvo und der reiche Bankier Don Inigo Gomez, alle machen der Dame ihre Aufwartung. Um niemanden zu verprellen, versteckt sie die Herren abwechselnd in den großen Standuhren des Geschäftes und versucht, sich um jeden Mann einzeln zu "kümmern".

Die Optik stimmt am Gärtnerplatztheater

Überzeichnete Figuren gehören in "L'heure espagnole" dazu. | Bildquelle: © Adrienne Meister Ein ziemlich bunter Haufen: Die Protagonisten von "L'heure espagnole". | Bildquelle: © Adrienne Meister Ausstatterin Stephanie Thurmair legt die Handlung in ein surrealistisches Umfeld: Die sandfarbene Bühne ist von einer riesigen Uhr umgeben, das Orchester sitzt hinter einem blauen, halbdurchsichtigen Vorhang, alles wird abwechslungsreich beleuchtet von Michael Heidinger. Optisch macht diese Inszenierung etwas her, auch wegen der Kostüme: Conceptión etwa ist als Femme Fatale der Zwanziger Jahre gekleidet, Torquemada sieht nach Steampunk aus, Verehrer Gonzalvo wie ein eine Mischung aus Matador und Guido Cantz.

In Wachernigs Lesart geht es in der Oper auch um die Ermächtigung der Frau, schließlich blättert Conceptión ja in einer Ausgabe der "Emma". Es ist eine etwas seltsames Verständnis von Feminismus, versprüht die Protagonistin doch mehr Matriarchat als Gleichberechtigung. Gleich zu Anfang der Oper legt sie geschmolzene Uhren auf den Ast eines vertrockneten Baumes: Salvador Dalí lässt grüßen. Natürlich spielt im Uhrmacher-Stück auch Vergänglichkeit eine Rolle.

Kein Gag wird ausgelassen

"L'heure espagnole" am Gärtnerplatztheater in München zeigt überzeichnete Figuren und viel Sex. | Bildquelle: © Adrienne Meister Ramiro (Matija Meić) ist sichtlich stolz auf seine Trainingserfolge. | Bildquelle: © Adrienne Meister Subtilität ist nicht gerade das Ziel dieser Inszenierung, im Gegenteil: Die Figuren sind überzeichnet, gerade Ringelshirt-Ringer Ramiro kommt aus dem Küssen seiner Bizepse und dem rhythmischen Hüftstoßen gar nicht mehr raus. BHs fliegen über die Bühne, Kondome quellen aus der Standuhr und der Bankier poliert seinen Gehstock. "Jetzt schlägt's Sex" schreibt das Gärtnerplatztheater auf den Werbeplakaten. Viele dieser Witze zünden auch, was auch an der guten schauspielerischen Leistung der fünf Protagonisten liegt. Schauspielern und Witzemachen sind so präsent, dass man schnell vergisst, dass man ja in einer Oper sitzt. Dabei lohnt sich das Hinhören: Der dunkle Bariton von Matija Meić unterstreicht Ramiros überbordende Männlichkeit und Valentina Stadler singt eine zugleich verführerische wie auch eigensinnige Conceptión.

Nicht nur die Sänger, auch das Gärtnerplatz-Orchester rückt zugunsten der Action in den Hintergrund, was neben der Akustik der Studiobühne auch der Musik Ravels geschuldet ist. Die fließt impressionistisch vor sich hin und läuft immer weiter – hier wird klar, warum Strawinsky Ravel einmal den "Schweizer Uhrmacher" unter den Komponisten nannte. Kapellmeister Kiril Stankow meistert die herausfordernde Bühnensituation mit dem Orchester hinter den Sängern und das mechanische Ineinanderlaufen der Partien gut, nur manchmal würde man sich etwas mehr Präsenz des Orchesters wünschen. Spätestens als dann die Protagonisten zum "Flotten Fünfer" zusammenkommen, ist klar: Kurzweilige Unterhaltung bietet diese Inszenierung – wer sich auf den Humor einlässt, kann eine schöne spanische Stunde am Gärtnerplatz erleben.

"L'heure espagnole" am Gärtnerplatztheater in München

Maurice Ravel: "L'heure espagnole" (1911)
Staatstheater am Gärtnerplatz
Premiere: 28. April 2019

Inszenierung: Lukas Wachernig
Musikalische Leitung: Kiril Stankow

Infos zu Terminen und Besetzung finden Sie auf der Homepage des Gärtnerplatztheaters.

Sendung: "Leporello" am 29. April 2019 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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