Ab 2019 übernimmt Lisa Batiashvili die Künstlerische Leitung der Audi Sommerkonzerte in Ingolstadt. Anfang Februar ist die Geigerin in München zu Gast und interpretiert gemeinsam mit den Münchner Philharmonikern unter Alan Gilbert das Violinkonzert von Jean Sibelius. Im Interview spricht sie über dieses Werk, über ihre neue CD mit Musik von Prokofjew - und über das anspruchsvolle Münchner Publikum.
Bildquelle: Philip Krippendorff
Das Interview zum Anhören
BR-KLASSIK: Ich freue mich, dass Sie wieder in München spielen, und zwar Jean Sibelius' Violinkonzert. Wie lange sind Sie mit diesem Werk schon verbunden? Wann haben Sie es das erste Mal gehört oder selber gespielt?
Lisa Batiashvili: Ich habe es 1995 zum ersten Mal gespielt, und zwar im Finale des Jean-Sibelius-Violinwettbewerbs, was natürlich sehr große Bedeutung für mich und mein Leben hatte, und ich kann mich sehr gut an diesen Moment mit dem finnischen Radio-Sinfonieorchester und Sakari Oramo erinnern. In dem Moment war ich sehr damit beschäftigt, mitzubekommen, was alles im Orchester passiert. Das war meine erste Erfahrung, das Stück mit Orchester zu spielen. Und ich habe mich auch sofort in dieses Werk verliebt, auch schon ganz am Anfang beim Üben. Inzwischen ist es eins der wichtigsten Werke meines Lebens geworden. Ich habe das an unterschiedlichen Orten gespielt, auch als Debüt mit verschiedenen großen Orchestern. Es besteht jedoch eine Verbindung mit diesem ganz speziellen Moment meines Lebens, wo ich 16 Jahre alt war und alles angefangen hat … und natürlich auch die Verbindung mit diesem wunderbaren Land Finnland.
Sibelius war es wichtig, dass er alles, was man auf der Geige ausdrücken kann, in diesem einen Konzert zusammenbringt.
BR-KLASSIK: Haben Sie Finnland schon einmal besucht? Weil ich mir oft denke, wenn ich diese Musik höre, die hat so etwas unendlich Weites. Ich habe immer die Vorstellung von einer Landschaft, sobald ich Sibelius' Musik höre - gerade im Violinkonzert.
Lisa Batiashvili: Ich bin sehr viel durch Finnland gereist und kenne sehr viele Finnen. Ich denke, generell ist die Landschaft sehr wichtig für die Komponisten im Norden. Sie sind sehr verbunden mit ihrem Land und dem Charakter der Menschen. Dadurch, dass die Landschaft etwas Kühles und Flaches hat, ist die Musik umso wärmer, emotionaler - da ist sehr viel Feuer drin. Für Sibelius war dieses Werk umso wichtiger, weil er selbst Geiger war - kein großer Geiger, doch mit viel Leidenschaft. Ihm war sehr wichtig, dass er alles, was man auf der Geige spielen und ausdrücken kann, in diesem einen Konzert zusammenbringt.
BR-KLASSIK: Ich finde es spannend mit dem Feuer, das darin ist und gleichzeitig die Kühle und Weite der Landschaft. Ich habe den Eindruck, das Konzert hat beides.
Lisa Batiashvili: Auf jeden Fall! Am Anfang breitet das Orchester einen Klangteppich aus, wie kleine Wasserwellen eines Sees. Dann kommt diese unglaublich schöne und einfache Melodie, die sich wie eine einsame Stimme ziemlich schnell in etwas sehr Warmes und Heftiges entwickelt. Ich finde diesen Anfang wirklich magisch.
Mit Lisa Batiashvili bekommen die Audi Sommerkonzerte erstmals eine Künstlerische Leiterin. Ab 2019, und für vorerst zwei Jahre, wird die Geigerin Konzeption und Planung der Konzerte übernehmen, sagte eine Sprecherin des Festivals am 29. Januar.
Näheres finden Sie hier.
BR-KLASSIK: Wenn Sie das Konzert in München spielen - Sie sind ja hier zu Hause - ist es leichter hier zu spielen?
Bildquelle: Philip Krippendorff Lisa Batiashvili: Nein, ich finde es ziemlich schwer, zu Hause zu spielen. Ich habe überhaupt in den letzten Jahren in München wenig gespielt. Ich war viel in anderen Städten, in Hamburg, in Berlin und im Ausland habe ich so viel häufiger gespielt als in München. In diesem Jahr ist es das erste Mal, dass ich hier öfter auftreten werde, auch im Herbst ein paar Mal. Ich freue mich darauf. Sibelius war der Wunsch der Münchner Philharmoniker. Mit Alan Gilbert habe ich schon öfter gespielt, auch in New York und in Stockholm. Ich vertraue ihm hundertprozentig, weil er selbst Geiger ist und das Werk sehr gut als Geiger kennt.
Mein Eindruck ist, dass grundsätzlich das Programm stärker aufgefrischt werden könnte.
BR-KLASSIK: Warum ist es zu Hause schwerer?
Lisa Batiashvili: Ich denke, dass das Münchner Publikum nicht so einfach ist, weil man hier in der Stadt ziemlich verwöhnt ist. Die Stadt ist nicht so groß, aber das Musikangebot ist riesig. Das Angebot könnte eigentlich drei, vier Städte mit Musik versorgen. Daher muss man die Menschen umso mehr fesseln. Hier gibt es die wunderbaren Orchester, und alle haben ihre treuen Zuhörer. Und mein Eindruck ist, dass grundsätzlich das Programm stärker aufgefrischt werden könnte. Ich überlege, wie ich das Konzert dem Publikum anbieten kann, das mehr das traditionelle, konservative Konzertprogramm gewöhnt ist.
BR-KLASSIK: Haben Sie eine Idee, in welche Richtung es gehen könnte?
Lisa Batiashvili: Es geht um eine neue Einstellung. Und was natürlich eine sehr große Rolle spielt, ist, dass München tatsächlich einen neuen Saal braucht. Einen Saal, der viel offener, jünger ist, wo die Menschen sich einer neuen Erfahrung des Konzerterlebens widmen können, was für München ein wichtiger Schritt sein wird und auch ein neues und junges Publikum bringen wird.
Prokofjews Musik wurde von Jahr zu Jahr interessanter.
BR-KLASSIK: Ihr neueste CD heißt "Visions of Prokofiev". Um welche Visionen geht es da?
Lisa Batiashvili: Ich glaube, Prokofjew hat versucht, seine Musik, seine Kompositionen so breit und so reif wie möglich zu gestalten - durch seine Erfahrungen, auch im Ausland, und sein Interesse an allem, was in der ganzen Welt passierte. Es kommt mir so vor, dass seine Musik von Jahr zu Jahr interessanter wurde - und seine Bindung zu Theater und Ballett immer stärker. Man kann in jedem seiner Werke sehr klare Charaktere erkennen. Prokofjew hat sehr viele Facetten - und dementsprechend vielfältig hat er auch seine Musik angelegt.
Die Fragen stellte Elgin Heuerding für BR-KLASSIK.
Sendung: "Leporello" am 30. Januar 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
München, Philharmonie im Gasteig
Donnerstag, 01. Februar 2018, 10:00 Uhr
Donnerstag, 01. Februar 2018, 20:00 Uhr
Freitag, 02. Februar 2018, 20:00 Uhr
Sonntag, 04. Februar 2018, 20:00 Uhr
Jean Sibelius:
Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47
Edward Elgar:
Symphonie Nr. 1 As-Dur op. 55
Lisa Batiashvili (Violine)
Münchner Philharmoniker
Leitung: Alan Gilbert
Informationen zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage der Münchner Philharmoniker.