Karikaturist, Schauspieler, Komiker – das verbinden wir bis heute sofort mit Loriot. Aber Musik? Manche würdigen ihn lediglich als Pionier des Jodelns und Schöpfer des "Jodeldiploms". Aber wussten Sie, dass er auch eine Symphonie komponierte? Die Verbindung von Komik und Harmonie war ihm schicksalhaft in die Wiege gelegt worden. Und die Liebe zu Richard Wagner sowieso.
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Am 12. November 1923 um 21:50 Uhr erblickte Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow im Zeichen des Pirols das Licht der Welt. Denn über dem Wappenschild der Familie von Bülow sitzt dieser goldgelbe, schwarzflügelige Sperlingsvogel als Helmkleinod. Der Gesang des possierlichen Pirols klingt wohltönend und melodisch. Daran sollte sich der zunächst völlig durchschnittliche Junge, der alsbald nur noch Vicco gerufen wurde, noch oft erinnern.
Der Pirol - auf Französisch: Loriot | Bildquelle: picture alliance / blickwinkel Nach dem Krieg studiert Vicco 1947 bis 1949 Malerei und Grafik an der Kunstakademie in Hamburg. Er fertigt seinen ersten Cartoon – für Schüler der hehren Kunstakademie gilt das als nieder, schäbig und anrüchig. Auf jeden Fall etwas, das man besser verschweigt. Was also tun? Ein Pseudonym musste her! Aber welches? Natürlich: Der Pirol aus dem Familienwappen! Der heißt auf Französisch: Le Loriot. Und so steht "Loriot" in Versalien unter dieser allerersten Karikatur Vicco von Bülows. Vicco von Bülow schien seine Berufung gefunden zu haben: Cartoonist. Er entwarf das charakteristische loriotsche Knollennasenmännchen und zeichnete zunächst für das Hamburger Magazin "Die Straße", dann für die Zeitschriften "Quick" und "Stern".
Ich will den Kerl nie wieder im Stern sehen!
Loriot: "Herren im Bad" | Bildquelle: dpa-Bildfunk Für letztere gestaltete Loriot ab 1953 seine erste regelmäßige Serie: "Auf den Hund gekommen". Es ging um Hunde und Menschen in ganz alltäglichen Situationen – allerdings in vertauschten Rollen. Ironische Komik über menschliche Hybris, die von ihrem Publikum ein gehöriges Maß an Selbstironie erwartete. Doch diese war beim deutschen Leser der 1950er-Jahre nur bedingt vorhanden. Nach vehementen Leserprotesten stellte Chefredakteur Henri Nannen die Serie nach nur sieben Folgen ein und sagte: "Ich will den Kerl nie wieder im Stern sehen!" Loriot aber zeichnete unverdrossen weiter und wurde - der Missgunst ironiefreier Mitbürger zum Trotz - mit seinen Knollennasenmännchen nach und nach berühmt.
Ab Mitte der 1950er-Jahre bevölkerten die Knollennasenmännchen auch Werbeaufträge, unter anderem für Bier, Fotografie-Produkte, Weinbrand und eine Tabakmarke. Der Cartoonist Loriot wurde zum Autor und Co-Regisseur der Fernsehreihe "Cartoon" für den Süddeutschen Rundfunk und darüber hinaus von 1967 bis 1972 auch der Moderator der Sendung. Der Rest ist Fernsehgeschichte: der Zeichentrick-Hund Wum, dem er selbst auch die Stimme lieh, geschaffen für die Aktion Sorgenkind in der ZDF-Quizshow "Drei mal Neun"; 1974 "Loriots Telecabinet", ab 1976 die Serie "Loriot" mit Zeichentrickfilmen, gespielten Sketchen und seiner unvergleichlichen Partnerin Evelyn Hamann. Die Moderationen auf dem grünen Sofa, das Jodeldiplom – "Holleri Du Dödel Di", "Weihnachten bei Hoppenstedts", "Früher war mehr Lametta": allesamt Sternstunden deutschen (Fernseh-)Humors.
Doch der Pirol hatte Vicco neben Zeichentalent, Schalk und Humor noch etwas anderes in die Wiege gelegt: die Liebe zur Musik. Schon die Großmutter hatte dem kleinen Vicco Bach, Mozart und Puccini auf dem Klavier vorgespielt. Und dann war da ja auch noch die Plattensammlung seines Vaters mit einer Unzahl von Opernarien. Nach einer überstandenen Blinddarmoperation wünschte sich der zwölfjährige Vicco zum Trost: "Ich möchte in die Oper." Keineswegs zufällig wohnte Loriot später, in seiner Stuttgarter Zeit, in Laufweite zum Opernhaus, wo er auch als Komparse auftrat. Einziger Wermutstropfen: Es gab kein Instrument, das sich freiwillig von ihm spielen ließe – bemerkte Loriot einmal selbstironisch.
Das hielt seine musikalische Karriere aber nur bedingt auf: 1982 dirigierte Loriot erstmals die Berliner Philharmoniker. Er leitete das "humoristische Festkonzert" zum 100. Geburtstag des weltberühmten Orchesters und trat damit in die Fußstapfen seines Vorfahren Hans von Bülow, des ersten Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, dem ersten Ehemann von Cosima (Richard Wagners späterer Gattin), Leiter der Uraufführungen von "Tristan und Isolde" und "Die Meistersinger von Nürnberg" und erster aller bedingungslos Wagner ergebenen Künstler.
Der Kunst des Bayreuther Meisters ebenso verfallen war Loriot: Seine Mopshunde nannte er Wotan und Mime, seine Sketche beinhalteten Pausengespräche der Bayreuther Festspiele, in abendlichen Aufführungen erklärte Loriot endlich den "Ring des Nibelungen" auf verständliche Weise – inklusive der nicht von der Hand zu weisenden Erkenntnis: "Wenn die Rheintöchter etwas entgegenkommender gewesen wären, hätte man sich drei weitere aufwendige Opern sparen können."
Loriot bei der Probe zur konzertanten "Candide" von Leonard Bernstein | Bildquelle: picture alliance / Eventpress | Eventpress Auch wenn Loriot immer wieder augenzwinkernd bescheiden betonte, seine Begabung habe nicht ausgereicht, um einen musikalischen Beruf zu ergreifen, so fand Loriot doch eine spezielle Tätigkeit, seine Talente mit seiner eigentlichen Liebe zu verbinden: Die Opernregie. Aber selbst hier schlich sich, beispielsweise in der Inszenierung seiner Lieblingsoper "Martha" von Friedrich von Flotow, immer wieder die Figur Richard Wagner ein.
Loriot zeigte Bernsteins "Candide" als konzertante Fassung, die beim Publikum wohl nur ankam, weil Loriot die Operette mit erklärenden Texten versehen hatte und diese auch selbst vortrug. Loriot führte verlässlich durch die Absurditäten der Vorlage des Philosophen Voltaire und erzählte ebenso pointiert Saint-Saens' "Karneval der Tiere". Schließlich brachte er sogar seinen eigenen Opernführer heraus. Und er komponierte sogar: Zum Beispiel die "Hustensymphonie". In diesem 1982 entstandenen und den Berliner Philharmonikern gewidmeten Werk integrierte Loriot virtuos bronchiale Geräuschsymptome in den Orchesterpart.
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the coughsymphony (by loriot - the best german comedian!!!)
Von 1963 bis zu seinem Tod 2011 lebte Loriot am Starnberger See: als Preuße mit einer besonderen Beziehung zu Wagner und zu Möpsen. Und wer sich das Wappen derer von Bülow ganz genau anschaut, der kann erkennen, dass der Pirol etwas im Schnabel hält: einen goldenen Ring. Na, wenn das mal nicht der Ring des Nibelungen ist ...
Sendung: Klassik Plus - Musikfeature am 10.11.2023 ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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