Aufregung in letzter Minute: Kurz vor dem Start des Lucerne Festivals sagte Chefdirigent Riccardo Chailly aus gesundheitlichen Gründen ab. Was die Festivalbesucher nun erwartet, erklärt Intendant Michael Haefliger im Interview.
Bildquelle: Lucerne Festival
BR-KLASSIK: Ein roter Apfel, aus dem der Saft herausplatzt, lockt auf der Festivalwebsite derzeit, das Programm anzuklicken und ins Paradies einzutauchen. Wahlweise ist auch eine Tomate oder eine Birne zu sehen. Was haben Sie denn vor?
Das Lucerne Festival steht 2023 unter dem Motto "Paradies". | Bildquelle: Lucerne Festival Michael Haefliger: Das Thema "Paradies" ist in der heutigen Zeit sehr bedeutend. Was auch immer vom Paradies übrig geblieben ist, wir verlieren es aufgrund ökologischer und nicht zuletzt aufgrund geopolitischer Entwicklungen. Wir sehen das in der Ukraine mit dem Angriffskrieg Russlands, der immer noch stattfindet und der uns sehr besorgt. In der 3. Symphonie von Gustav Mahler heißt es: "O Mensch! Gib acht!" Es ist durchaus ein Thema, das nachdenklich stimmen will. Gleichzeitig will es auffordern: Jetzt oder nie! Es sind gesellschaftliche Herausforderung, die wir ansprechen.
BR-KLASSIK: Wie schlägt sich das Thema "Paradies" im Festivalprogramm nieder?
Michael Haefliger: Sehr stark in den Symphonien Gustav Mahlers. Wir werden ja mit der 3. Symphonie beginnen, eine große Hommage an die Natur, an das Hocherlebnis der Natur. Aber auch Haydns "Jahreszeiten" werden eine große Rolle spielen. Wir erleben sozusagen die Entwicklung vom Naturempfinden von der Klassik bis zur Spätromantik.
Das Lucerne Festival läuft vom 8. August bis zum 10. September 2023. Einzelheiten zum Programm finden Sie hier.
BR-KLASSIK: Neben den großen symphonischen Werken gibt es viele niederschwellige Angebote, also Straßenkonzerte oder Open-Airs, wo man mittanzen kann. Wen wollen Sie damit erreichen?
Michael Haefliger: Wir möchten natürlich eine breite Bevölkerung ansprechen. Es ist diese berühmte Gratwanderung zwischen hohen Ansprüchen und auch etwas für alle zu machen, gleichzeitig auf hohem Niveau und mit Erlebnischarakter, und das in den wunderschönen Straßen und Plätzen von Luzern. Ich glaube, jeder Mensch in Luzern möchte ein bisschen spüren, dass es auch sein Festival ist.
BR-KLASSIK: Vergangene Woche hat uns die Nachricht erreicht, dass Riccardo Chailly, der Chefdirigent des Lucerne Festivals, aus gesundheitlichen Gründen ausfällt. Was bedeutet diese Nachricht für das Festival?
Der Dirigent Paavo Järvi springt für den erkrankten Riccardo Chailly ein. | Bildquelle: © Kaupo Kikkas Michael Haefliger: Im Fußball wäre es so, also ob Rinaldo in den Weltmeisterschafts-Endspielen ausfällt und nach Ersatz gesucht werden muss. Es gibt aber wirklich viele hervorragende Dirigentinnen und Dirigenten, sodass man doch noch Ersatz findet, wenn man Glück hat. Wir haben dieses Glück mit Paavo Järvi. Ein Weltklassemann, der für uns seine Ferien geopfert hat. Seine Familie wird nicht ganz zufrieden sein mit ihm, aber uns freut es sehr! Ich war gerade in der ersten Probe, und es klingt wirklich toll.
Das große Eröffnungskonzert vom 11. August mit Gustav Mahlers Symphonie Nr. 3 mit Paavo Järvi, dem Lucerne Festival Orcehstra, der Luzerner Kantorei und den Damen aus dem Chor des Bayerischen Rundfunks übertragen wir im Videolivestream und auch im Radio.
BR-KLASSIK: Das ist eine gute Nachricht, denn das Lucerne Festival Orchestra feiert ja in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag. Was wünschen Sie sich zu diesem Jubiläum?
Michael Haefliger: Das Orchester ist einer der großartigsten Klangkörper der Welt. Ein Orchester, das sich zwei, drei Mal im Jahr trifft und dann zur Höchstleistung findet. Und dass es das noch lange geben wird, ist mein großer Wunsch!
Das Gespräch führte Antonia Goldhammer für BR-KLASSIK.
Sendung: "Allegro" am 8. August ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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