Während in Venedig die Kunstbiennale läuft, findet 550 km weiter nördlich noch eine Biennale statt. Keine für bildende Künste, sondern eine für Musiktheater: die Münchener Biennale. 1988 von Komponist Hans Werner Henze gegründet, und heute eines der wichtigsten Zentren für zeitgenössisches Musiktheater überhaupt.
Bildquelle: Manu Theobald
Höher, schneller, weiter, oder aber: neuer. Lange Zeit war dieses drängende Vorwärts prägend für die europäische Musik- und Kunstentwicklung. Auch für die Münchener Biennale, dieses experimentierfreudige Festival für neues Musiktheater, das in diesem Jahr endlich wieder mit Publikum und direktem, analogem Austausch stattfinden kann. Sieben Produktionen, und alle drehen sich um diese eine, diese schönste Sache der Welt. Und nein, es ist nicht die Liebe. Oder doch, aber anders: "Good Friends" lautet das Motto der diesjährigen Münchener Biennale.
Freundschaft als inhaltlicher Fixpunkt, von dem aus Künstlerinnen und Künstler wie Malin Bång, Ann Cleare, Øyvind Torvun, Polina Korobkova oder Bernhard Gander und Serhij Zhadan in die Zukunft hineindenken und -musizieren. Da gibt es zum Beispiel den "Good Friends Club" von Lucia Kilger und Nicolas Berge. An vier Abenden im Mai kann man Mitglied einer hybriden Community werden. "Der Club ist Dein Freund!", schreiben die Macher*innen. Mehr als nur eine behauptete Freundschaft? Lässt sich herausfinden im Schwere Reiter in München.
Eröffnet wird die diesjährige Münchener Biennale aber in der Muffathalle und mit einer anderen Produktion: Der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan, der im Osten der Ukraine lebt, wo schon seit Jahren eine kriegsähnliche Situation herrscht, hat ein Libretto über Grenzsituationen geschrieben, und der österreichische Komponist Bernhard Gander hat es vertont. "Lieder von Vertreibung und Nimmerwiederkehr" ist eine hyperaktuelle Produktion, wie Daniel Ott fast bedauernd zugibt. Für ihn und Manos Tsangaris, mit dem er das Festival seit 2016 künstlerisch leitet, gehört das Mitdenken politischer und gesellschaftlicher Positionen aber grundsätzlich dazu. Und so streckt sich das thematische Spektrum der diesjährigen Biennale von Rassismus über problematische Völkerfreundschaft bis hin zu Online-Freunden.
Samstag, 7. Mai 2022 bis Freitag, 13. Mai 2022
Weitere Infos und Tickets finden Sie auf der Homepage des Festivals.
Was Ott und Tsangaris dabei im Sinn haben, ist ein "waches Musiktheater", in das der Alltag hineinschwappen darf, in dem politische und soziale Realitäten einen Platz haben können (aber nicht müssen). Ein Musiktheater, das die Sinne schärft. Auch Widersprüchliches und Holpriges findet hier seinen Platz. Das Improvisieren und Ausprobieren sowieso, partizipative, kollaborative Projekte in verschiedenen Spielstätten – die Münchner Volkshochschule und das Institut für Theaterwissenschaft sind beispielsweise involviert – und immer wieder, auch wenn’s floskelig klingt, der Versuch den berühmten Graben zwischen Publikum und Bühnengeschehen zu überbrücken, indem die Leute vom Zuschauen zum Teilnehmen, zum Mitmachen angeregt werden. Und vielleicht entsteht dabei ja auch die ein oder andere Freundschaft.
Sendung: "Piazza" am 7. Mai 2022 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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