Zwei Frauen in einer Gefängniszelle: leidend, gefoltert, verletzt. Die Uraufführung von "The Damned and the Saved" bei der Münchener Biennale ist voller Schmerz. Die Oper der schwedischen Komponistin Malin Bang verlangt viel von ihrem Publikum, ist aber trotzdem unterhaltsam.
Bildquelle: Smailovic/Münchener Biennale
Uraufführung – Kritik
"The Damned and the Saved" bei der Münchener Biennale
Die letzte Premiere der Münchener Biennale 2022: Auf der Bühne eine Art Forschungsstation, irgendwas zwischen Menschenlabor und Gefängnis, im Look einer aufgeschnittenen Raumkapsel, metallisch, phallisch. Zwei Zellen, zwei Frauen, die sich zuckend und menstruierend winden. Es verstreichen Minuten, bis das sparsam besetzte Ensemble unter der Leitung von Rei Munakata hereinschleicht, am rechten Bühnenrand Platz nimmt, und dann den Frauen zuschaut, sie begafft, wie sie in einer Art animalisch ekstatischem Zuckungstanz vor sich hinwimmern, in absurden Verrenkungen bis hinein in die Fingerspitzen.
Szene aus "The Damned and the Saved". | Bildquelle: Smailovic/Münchener Biennale Eine unkontrollierbare Kraft geht von diesen Frauen aus, die sich gebärden wie wilde Tiere, zurückgezogen in den letzten Winkel ihrer selbst, gefangen in einer, wie es in Pat To Yans Libretto heißt: Hölle ohne Ende. Ein Libretto, das mal bildhaft ist, und dann wieder brutal konkret. Ein Fluss aus Schmerz und Wut, so heißt es zum Beispiel an einer Stelle, fließt den Leuten aus den Herzen. Malin Bangs und Pat To Yans "The damned and the saved" spielt in einem nicht näher benannten repressiven System, einer Art Hölle eben. Über die eine Maschine als König herrscht. Totalitär, vernichtend. Das klingt nicht nur dystopisch, das sieht auch dystopisch aus. Aber auch: symmetrisch. Vom Bühnenbild bis hin zu den Kostümen, selbst die von Sabine Kohlstedt eingekleideten Musikerinnen und Musiker tragen immer zu zweit das gleiche Outfit. Lederflicken-Tanktop, Netzstrumpfhose, zerrissene Jeans, so in dem Stil. Dazu eine Musik, die vor allem aus perkussiven Knall- und Knatterelementen besteht, die in die Körper hineinfahren und den sonst eher geräuschhaften Klangteppich immer wieder rasiermesserscharf zerschneiden.
Die Darstellerinnen spielen durchweg großartig. Vor allem, wie sie Schmerz verkörpern, ist beeindruckend. Und die Inszenierung von Regisseurin Sandra Strunz und Choreograph Ted Stoffer verlangt ihnen einfach alles ab, neben stimmlichem Können vor allem Akrobatik und viel, viel Schweiß. Widerstand ist halt anstrengend. Noch so eine Message in diesem Stück. Neben der Botschaft, dass man Befreiung erst träumen muss, damit sie passieren kann. Hier wird die Macht der Masse verhandelt. Die Kraft des Widerstands und die Frage, wie Widerstand denn überhaupt aussehen kann. Am Ende steht ein poetisches Utopia, in dem sich die Menschen durch ihre Träume miteinander verbinden. Und: Dessert zubereiten ist vielleicht auch eine Art Widerstand. Die Musikerinnen und Musiker jedenfalls, die zunächst vor allem als Gehilfen des grausamen Maschinenkönigs herhalten mussten, schließen sich letztlich dem Widerstand an. Machtvolles Trommeln, kampfbereites Dröhnen, durchs Megaphon proklamierte Zerstörungswut. So geht ein irgendwie irrer Abend zu Ende. Kurzweilig, unterhaltsam und rausschmeißerisch.
BR-KLASSIK sendet einen Mitschnitt von "The Damned and the Saved" am 11. Juni 2022 ab 19.05 Uhr im Radio.
Sendung: "Allegro" am 16. Mai 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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