Musik gehört zum Menschsein dazu. Doch wie klang die Musik unserer Vorfahren, vor vielen tausend Jahren? Die Astrophysikerin Suzanna Randall hat darüber im Podcast "KOSMOS MUSIK" mit Musikarchäologen Adje Both gesprochen. Er rekonstruiert prähistorische Instrumente - und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen.
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Einfach zwei Steine aneinanderschlagen, fertig ist die Musik der Steinzeitmenschen – so ähnlich habe ich mir das bisher vorgestellt. Der Musikarchäologe Arnd Adje Both belehrt mich eines Besseren. Schon vor 100.000 Jahren gab es eine unglaubliche Anzahl verschiedener Instrumente. Allerdings wurden viele aus vergänglichen Materialien wie Holz, Tiersehen, Fruchtschalen hergestellt und sind nicht erhalten.
Mittelsteinzeitliches Schwirrgerät, gefunden in Pritzerbe, augestellt im Kreismuseum Jerichower Land. | Bildquelle: Gregor Rom Anders sieht es mit Instrumenten aus Knochen, Tierzähnen oder Geweihen aus. "Das sind die Objekte, über die wir uns auch tatsächlich unterhalten können", erklärt mir der Musikarchäologe. Und das machen wir dann auch. Arnd Adje Both führt mir ein Stück Geweih vor, in das ein paar Einkerbungen geschnitzt wurden. Möglicherweise eine Art Ratsche. Aber wozu war so ein Schrappinstrument in der Steinzeit gedacht? Musikarchäologen holen sich dazu gern Anregungen aus heutigen traditionellen Kulturen. Dort werden diese Instrumente zu rituellen Zwecken eingesetzt. Das trifft auch auf das sogenannte Schwirrholz zu. Es erinnert mich an eine überdimensionale Kette mit Anhänger. Ein handtellergroßes Holzplättchen, das vorne spitz zuläuft, wird an einer Kordel aufgehängt. In der Luft geschwungen, klingt es wie ein summender Insektenschwarm. Da nahm sicher jeder Säbelzahntiger Reißaus.
Schwirrhölzer werden sehr häufig in den eher tieferen Teilen von Höhlen gefunden, erzählt Both. Dort, wo auch die Höhlenmalereien zu finden sind. Als Schlafstätte dienten diese tieferen Bereiche der Höhlen jedenfalls nicht. "Sie waren wahrscheinlich zu rituellen Zwecken gedacht, beispielsweise um Kontakt mit den Ahnen oder mit Tiergeistern aufzunehmen. Dadurch sollte der Fortbestand Gemeinschaft gewährleistet oder das Jagdglück herbeigerufen werden." Dass solche Rituale oft in Höhlen stattgefunden haben, klingt für mich einleuchtend. Die Akustik dort ist außergewöhnlich, fast wie in einer Kathedrale. In Höhlen Musik zu machen war sicher effektvoll.
Warum ist Singen gut fürs Immunsystem? Wie klingt das Weltall? Und fördert Klavier spielen die Intelligenz? Auf diese und andere spannende Fragen antwortet der neue Wissens-Podcast "Kosmos Musik" mit der Astrophysikerin und angehenden Astronautin Suzanna Randall. Jede Woche donnerstags eine neue Folge: bei BR Podcast, in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.
Der Musikarchäologe Adje Both versucht dem Nachbau einer 38000 Jahre alten Flöte aus Geierflügelknochen Töne zu entlocken. | Bildquelle: Wolfgang Kumm/dpa Ob die Steinzeitmenschen auch schon Melodien oder ganze Lieder gespielt haben, können die Forscherinnen und Forscher nur vermuten. Es gibt keine schriftlichen Aufzeichnungen oder Bildquellen wie bei späteren Kulturen. Bleibt der experimentelle Ansatz: Musikern probieren einfach aus, was in so einem Instrument drinsteckt. Steinzeitliche Flöten aus perforierten Vogelknochen können unglaublich vielseitig klingen. "Auf denen können wunderschöne Melodien gespielt werden, aber du könntest auch Free Jazz spielen", lacht Arnd Adje Both. Der Steinzeitmensch beim Jammen auf der Knochenflöte - diese Vorstellung gefällt mir. Und vielleicht haben unsere Vorfahren Musik ja auch schon so geliebt und gespielt, wie wir es heute tun. Zur Entspannung und zum Abschalten vom Alltag. Wer weiß?
Sendung: "Allegro" am 10. Februar 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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