Ist das Schulfach Musik angestaubt? Nein, versichern Experten. Es sei sogar vielfältiger als je zuvor. Aber: Es gibt zu wenig Musiklehrer, der Unterricht fällt häufig einfach aus. Musik - ein Schulfach, das immer mehr ins Abseits rutscht. Genau das werfen Pädagogen der Politik vor. Das Kultusministerium hält dagegen - und auch Startenor Klaus Florian Vogt meldet sich zu Wort.
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Ortwin Nimczik vom Bundesverband Musikunterricht im Interview
"In Sonntagsreden betonen Politiker die große Bedeutung des Musikunterrichts, aber am Montag fehlt ihre Wertschätzung in der Praxis," - prangert Präsident des Bundesverbands Musikunterricht, Ortwin Nimczik, an. "Man braucht bestimmte Voraussetzungen, um guten, lebendigen und interessanten Musikunterricht zu machen - und die werden heruntergefahren", erklärt er im Interview mit BR-KLASSIK. Konkret bemängelt der Professor für Musikpädagogik in Detmold, es gebe zu wenig Musiklehrer an allgemeinbildenden Schulen. Außerdem fehlte in den Schulen auch oft die nötige Ausstattung: Musikräume mit ausreichend Platz und entsprechendem Instrumentarium. Bundesweit gebe es rund 40.000 Musiklehrer für etwa 13 Millionen Schüler, sagt Nimczik. Am problematischsten sei der Mangel von ausgebildeten Musikpädagogen an den Grundschulen, wo der Unterricht oft einfach ausfiele.
Musiklehrer ist ein anspruchsvoller Beruf.
"Der Unterrichtsausfall im Fach Musik ist in der Regel nicht höher als der in anderen Fächern," sagt dagegen Julia Graf vom Bayerischen Kultusministerium gegenüber BR-KLASSIK. Um den Unterricht - in allen Fächern - zu sichern und möglichem Unterrichtsausfall aufgrund von Krankheit vorzubeugen, gebe es an Grund- und Mittelschulen sogenannte "Mobile Reserven". An Gymnasien und Realschulen helfen Lehrerreserven und Aushilfslehrkräfte, Unterrichtsausfall zu vermeiden.
Der Musikunterricht hat in Bayern einen hohen Stellenwert.
Startenor Klaus Florian Vogt hält die Entwicklung des Musikunterrichts für "sehr bedenklich". | Bildquelle: BR Die klagenden Musikpädagogen bekommen nun auch Unterstützung von prominenter Seite. Der Tenor und Wagnersänger Klaus Florian Vogt hält die momentane Entwicklung für "sehr bedenklich". Vogt kritisiert in einem Interview mit der Abendzeitung das derzeitige Bildungssystem: "Im Zuge des achtjährigen Gymnasiums bleibt keine Zeit für privaten Musikunterricht außerhalb der Schule", so Vogt. "Und dann werden auch noch Musikstunden vom Stundenplan zu Gunsten von Mathematikunterricht gestrichen, der in meinen Augen völlig an der Praxis vorbei geht." Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder, die ein Instrument spielen, auch besser lernen können, begründet Vogt. Die Begeisterung für klassische Musik müsse in der Schule passieren. So wie es momentan laufe, könne man die Jugend allerdings nicht mehr für klassische Musik und Theater begeistern. "Unser musikalischer Nachwuchs stirbt aus", warnt der Tenor.
Das ist ein Kulturverlust und tatsächlich der falsche Weg.
Bildquelle: picture-alliance/dpa Wie kann der Musikunterricht attraktiv gestaltet werden? Dieser Frage geht der 3. Bundeskongress Musikunterricht nach, der unter dem Motto "Musik erleben - Musik reflektieren" steht. Rund 1.300 Lehrer kommen zu den 400 Kursen. Hier werden Orientierungshilfen angeboten, außerdem soll neben Fortbildungen und dem Austausch damit auch "ein politisches Signal" gesetzt werden, sagt Ortwin Nimczik. Viele junge Menschen würden sich lieber für das Studium eines Musikinstruments mit oft unsicherer Berufsperspektive entscheiden - und weniger für das Schulfach Musik mit besseren Aussichten auf einen festen Job. "Da steckt auch so ein bisschen ein Image-Problem dahinter." Eigentlich solle es umgekehrt sein: "Diejenigen, die - auch an der allgemeinbildenden Schule - unterrichten, müssen eigentlich die besten Leute sein", fordert der Professor für Musikpädagogik.