Am 18. November ist Nigel Kennedy in München zu Gast. Er spielt Bach und Gershwin - den er übrigens nahe bei den Beatles einordnet. Außerdem erklärt er, warum er kalte Perfektion nicht mag und wie er von Yehudi Menuhin und dem Jazzgeiger Stéphane Grappelli gleichermaßen gelernt hat.
Bildquelle: picture alliance / Daniel Reinhardt
Nigel Kennedy im Interview
"Es lebe der Unterschied!"
BR-KLASSIK: "Bach meets Kennedy meets Gershwin" heißt Ihr Programm in München. Dass Sie Bach-Fan sind, ist bekannt. Wie ist es mit Gershwin? Was bedeutet seine Musik für Sie?
Nigel Kennedy: Naja, so mit dreizehn habe ich seine Musik zusammen mit Stéphane Grappelli gespielt. Dann ging ich nach New York und sah dort ein paar Inszenierungen von Gershwins Bühnenwerken. Aber die waren einfach schrecklich. Die Sänger kreischten! Und dieses semi-klassische Schauspiel, das man aus Musicals kennt. Ich hasse das! Für eine Weile habe ich mich dann erstmal von Gershwin entfernt. Aber dann habe ich Aufnahmen mit dem tollen Gitarristen Frank Vignola gehört. Er hat für mich die Stücke von Gershwin wieder zum Leben erweckt. Dann habe ich selber ein paar Arrangements geschrieben, und damit das Ganze dann nicht wie eine ausnotierte Jamsession klingt, habe ich ein paar Gershwin-untypische Instrumente, zum Beispiel Cello, hinzugefügt. Also: Ich liebe Gershwin. Er hat diese positive Energie von New York, er mixt Jazz und Klassik, was mir sehr entgegen kommt. Und er hat diesen wunderbaren, jüdischen Klezmer-Hintergrund – in meiner Vergangenheit habe ich ja viel Klezmer gespielt. Er bringt also viele Elemente zusammen, mit denen ich mich sehr wohl fühle – die perfekte Hochzeit zwischen uns sozusagen.
Musik ist immer etwas Positives, sie bringt Menschen zusammen.
BR-KLASSIK: Ist es auf der Bühne eine große Umstellung von Bach zu Gershwin und zurück? Oder ist der Sprung gar nicht so groß?
Nigel Kennedy | Bildquelle: picture alliance / empics - Stefan Rousseau Nigel Kennedy: Ich glaube, das sind einfach zwei völlig verschiedene Ansätze. Wenn man von Bach zu Brahms wechselt, ist es ähnlich. Brahms denkt in großen Bögen, die Musik hat immer einen Zielpunkt, schafft große Formen. Gershwin schreibt mehr in Liedform, mehr die kleinere Form. Ich würde also sagen, Gershwin ist näher bei den Beatles. Aber es gibt einige Gemeinsamkeiten: Sie waren beide Meister der Harmonie und große Virtuosen auf Tasteninstrumenten. Und was die Unterschiede betrifft: Es lebe der Unterschied! Das ist ja das, was uns als Musiker antreibt, diesen Kontrast zu haben. Es gibt immer etwas Neues zu entdecken. Musik ist ein großes Abenteuer, das niemandem schadet. Musik ist immer etwas Positives, sie bringt Menschen auf eine Weise zusammen, die sie vielleicht nicht erwartet hätten. Und sie ist immer wechselseitig.
Mit Publikum liegt auf einmal Spannung in der Luft.
BR-KLASSIK: Musik bringt Menschen zusammen, sagen Sie. Sie kommunizieren wahnsinnig viel mit Ihren Musikern, aber auch mit dem Publikum. Wie wichtig ist das für Ihre Musik?
Nigel Kennedy: Das ist doch der wahre Grund, warum wir auftreten. Natürlich kann es glücklich machen, alleine zu Hause zu üben. Aber ohne Publikum wäre es nur etwas Intellektuelles oder eine physische Übung, um sicherzugehen, dass man das Instrument noch beherrscht. Aber mit Publikum liegt auf einmal Spannung in der Luft, in der Musik und auch zwischen den Musikern. Wir haben eine ganz andere Beziehung, wenn ich mit meiner Band zu Hause oder in einem Hotelzimmer probe. Das ist natürlich auch wundervolle Arbeit und ich mag Arbeit und Proben. Aber es kann dich niemals darauf vorbereiten, wie die Energie in einem Konzertsaal sein wird.
BR-KLASSIK: Wie schaffen Sie das dann im Studio, wenn sie CDs aufnehmen, da die Energie herzustellen?
Nigel Kennedy: Sehr gute Frage! Ich glaube, das kann man niemals nachbilden. Glenn Gould war ja jemand, der nur im Studio aufgenommen hat. Er hat wohl ein paar unangenehme Erfahrungen bei Live-Konzerten gemacht. Ich persönlich nehme im Studio eine Sache immer nur dreimal auf, und wenn es nicht funktioniert, dann war’s das halt, (lacht) dann ist es halt nicht dabei. Es muss immer spontan bleiben, sobald du versuchst, total technisch zu sein und nur an Fehler denkst, zerstörst du den Geist der Musik. Ich mache lieber eine Aufnahme mit Fehler als eine ohne Gefühl.
Man hat immer seine eigene DNA.
BR-KLASSIK: Sie haben vorhin Stéphane Grapelli erwähnt, bei dem Sie Unterricht hatten – was hat er Ihnen beigebracht?
Nigel Kennedy: Vor allem hat er mir beigebracht, nicht Yehudi Menuhin zu sein (lacht). Wir haben an der Yehudi Menuhin School studiert und alle haben versucht, zu sein wie Sir Yehudi. Und es gab Müsli und Vollkornbrot und sowas. Und es lief in etwa so ab, dass Yehudi erstmal sein Yoga machte, seine Frau sein Haar kämmte, während sich der Meister spirituell vorbereitete. Und bei Stéphane war es so: Er hat erstmal was geraucht und vor einem Auftritt einen Brandy genommen. Das waren zwei völlig verschiedene Welten und eine klare Botschaft am Ende: Wenn ich nur beim Einen gewesen wäre, hätte ich vielleicht so gespielt wie der, und andersrum genauso. Aber letztlich kann man nie so spielen wie jemand anderes. Man hat immer auch seine eigene DNA, die man nicht verleugnen kann.
Sonntag, 18. November 2018, 20:00 Uhr
Philharmonie im Gasteig
"Bach meets Kennedy meets Gershwin"
Sendung: "Leporello" am 15. November 2018, 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)