BR-KLASSIK

Viele Melodien von Wagner, Beethoven oder Brahms sind wunderschön - und begleiten uns bis ins hohe Alter. Vorausgesetzt: Das Erinnerungsvermögen spielt mit. Ein Konzert für Menschen mit Demenz haben am Donnerstag die Nürnberger Symphoniker gegeben.

In der kleinen Nürnberger Meistersingerhalle fand am Donnerstag eine ganz besondere Premiere statt. Die Nürnberger Symphoniker gestalteten zusammen mit der Gerontopsychiatrischen Fachkoordination Mittelfranken erstmals ein Konzert speziell für an Demenz erkrankte Menschen und ihre Angehörigen: Klassische Musik gegen das Vergessen. Mit dabei war das Ehepaar Inge Nossol und Willy Nossol. Er ist seit Längerem an Demenz erkrankt.

Die Liebe zur Musik ist geblieben

Auf den ersten Blick ist alles wie bei jedem anderen Konzert auch. Auf der Bühne spielen die festlich, ganz in schwarz gekleideten Nürnberger Symphoniker Mozarts "Kleine Nachtmusik". Vor der Bühne ist der Zuschauerraum sehr gut gefüllt. In der zweiten Reihe sitzen, ebenfalls herausgeputzt und mit leuchtenden Augen, Inge und Willy Nossol. Willy Nossol kann sich noch in jedem Detail etwa an den Auftritt einer Straßengeigerin auf dem Nürnberger Hauptmarkt vor 15 Jahren erinnern. An vieles andere aber nicht mehr. Seine Demenz schreitet voran. Die Liebe zur Musik ist ihm geblieben.

Inge und Willy Nossol | Bildquelle: BR/Matthias Rued Das Ehepaar Nossol ist schon seit vielen Jahrzehnten der Klassik verfallen. Und bleibt es weiterhin, trotz der Krankheit ihres Mannes, erzählt Inge Nossol. Mit ihm geht sie viel in Konzerte mit vor allem "altem" Programm. Für Unbekanntes, Neues habe bei ihm die Geduld irgendwann nicht mehr gereicht. Dass er nun praktisch den ganzen Tag singt, habe sie anfangs noch genervt, erzählt sie. Damals, als sie noch nichts von der Demenz wusste. Jetzt sagt Inge Nossel, dass Singen ihrem Mann "Spaß macht und gut tut."

Voll konzentriert verfolgen die Eheleute Nossol das Konzert der Symphoniker. Intendant Luzius Hemmer führt ins Programm ein. Er erwähnt das Wort Demenz aber nicht. Die Nürnberger Symphoniker wollten schon lange ein Konzert speziell für Menschen mit Demenz machen. Denn hier dient die Musik nicht nur dem Genuss: Sie hilft auch gegen das Vergessen, erzählt Nina Gremme von der Angehörigenberatung Nürnberg. Primär sei das einfach schöne Musik. Doch bei manchen Menschen wecke diese Musik so genannte Erinnerungsinseln. "Musik bleibt im Gedächtnis oft länger haften als das, was wir kognitiv gewöhnt sind. Und dann ist klassische Musik ein Stück Biographiearbeit."

Ein bewusst schwungvolles Programm mit Klassikern

Aber diese speziellen Konzerte der Nürnberger Symphoniker sollen auch für die Angehörigen schön sein. Auf dem Programm stehen bewusst schwungvolle Lieder von Mozart, Strawinsky, Grieg. Echte Klassiker. Zu beachten gab es bei der Vorbereitung aber auch ganz praktische Überlegungen. Etwa dass ein Konzert am Freitagabend um 20 Uhr nicht in Frage gekommen wäre. Deshalb wurden ein Werktag und ein Nachmittag ausgewählt. "Und die richtige Länge ist auch wichtig", sagt Nina Gremme, "um die Konzentrationsspanne nicht zu überfordern." Überdies haben die Musiker von den Nürnberger Symphonikern an einer Schulung teilgenommen, um Grundkenntnisse über Demenz zu erwerben.

Nach genau fünfzig Minuten ist das erste Konzert speziell für Demenzkranke in der Nürnberger Meistersingerhalle auch schon vorüber. Inge Nossol hat es sehr gut gefallen. Sie hätte gern noch ein paar Stücke mehr gehört. Aber für ihren Mann Willy war die Dosis Musik genau richtig. Er strahlt - und hat schon wieder ein Lied auf den Lippen.