Die Mezzosopranistin Okka von der Damerau singt an der Seite der Münchner Philharmoniker Gustav Mahlers „Kindertotenlieder“. Schwere Kost – aber nicht nur düster und erdrückend. Ein Gespräch über den Umgang mit Last, den existentiellen Kaffee am Morgen und das Kleid am Abend.
Bildquelle: Mathias Leidgschwendner
BR-KLASSIK: Wenn ich um 6 Uhr auf Sendung gehe, muss ich meine Stimme entsprechend aufwärmen. Hast Du als Sängerin eine bestimmte Morgenroutine?
Okka von der Damerau: Also der Kaffee ist wichtig, ganz klar (lacht), wie bei den meisten Menschen auch vermutlich. Aber man beobachtet die Stimme anders, wenn man weiß, dass man tagsüber viel mit der Stimme zu tun hat, also singend oder sprechend. Dann fühle ich mich wie jemand, der vielleicht losjoggen will und denkt: Oh, heute fällt es mir eher schwer, oder heute geht es ganz leicht, das Laufen. So ist das auch mit der Stimme.
BR-KLASSIK: Gerade hast Du als Venus an der Bayerischen Staatsoper debütiert, wie war da die Stimme drauf, wie hast Du Dich gefühlt?
Okka von der Damerau: Wir hatten eine sehr lange Probe am Freitag, und da war es tatsächlich so, dass die Stimme immer noch müde war, also muskulär. Aber dann hat man ja so seine Tricks, sich in die richtige Temperatur zu schrauben.
BR-KLASSIK: Was ist denn eine gute Übung, ein besonderer Trick von Dir?
Okka von der Damerau: Das klingt vielleicht jetzt seltsam, aber ich habe tatsächlich vor der Opernvorstellung gezielt für die Konzerte, die jetzt anstehen, ein bisschen geübt. Denn selbst wenn man an einem Tag vielleicht noch etwas ganz anderes vorhat, kann eine Feinjustierung für Orchesterlied sicherlich nicht schaden, gerade für die Oper.
BR-KLASSIK: Gutes Stichwort: Du bist bei den Münchner Philharmonikern zu Gast mit einem Mahler-Programm. Gustav Mahler stand selber oft am Pult des Klangkörpers. Wenn Du die Chance gehabt hättest, unter ihm zu singen – was hättest Du ihn gefragt?
Okka von der Damerau: Ich weiß nicht, ob ich ihn wirklich gerne persönlich kennengelernt hätte. Wenn jemand solche Musik schreibt, kann der eigentlich keine "nette" Person sein, glaube ich. Weil zu vielschichtig und zu komplex, vielleicht auch zu kompliziert, um nett zu sein. Und das ist völlig in Ordnung! Außerdem möchte ich die Sachen auch so interpretieren, wie ich das empfinde, in der großen Hoffnung, dass es ihm gefallen hätte.
BR-KLASSIK: Die "Kindertotenlieder" sind nicht gerade ein lockeres Thema: Es geht eigentlich um das Schlimmste, was Eltern passieren kann: Das eigene Kind stirbt. Und Du übernimmst die Rolle der trauernden Mutter in diesen Liedern. Fühlst Du das eigentlich anders, seit Du selber Mutter bist?
Okka von der Damerau: Ich habe die Lieder, glaube ich, vorher gar nicht gesungen, höchstens übend im Studium oder so. Aber klar, als Mutter ist das natürlich anders. Ich glaube, dass ich mich in den letzten Jahren noch einmal sehr verändert habe durch Corona, durch die Situation in unserem Berufsleben, das ja sehr stark betroffen war von der Pandemie und den Existenzängsten. Und wenn nahestehende Personen sterben, dann geht das natürlich nicht spurlos an einem vorbei. Aber ich bin jemand, die gerne auch mit Trauer umgehen möchte, weil ich das wirklich schwierig finde, wenn Trauer und das Thema "Sterben" so ausgeklammert werden. Ich möchte diese Menschen, die tatsächlich betroffen sind, auch nicht ungesehen lassen. Es ist wichtig und richtig, dass man ihnen irgendwie auch gedanklich zur Seite steht und das thematisiert.
BR-KLASSIK: Mahler hat bei aller Trauer doch auch die Liebe über alles gestellt, diese Liebe, die er für das verstorbene Kind weiterträgt. Oder wie siehst Du das?
Okka von der Damerau: Genau, und wenn ich noch was ganz Profanes mit reinbringen darf, das aber da ansetzt: Ich bin immer noch unentschieden, was für ein Kleid ich tragen werde, weil ich nicht weiß, ob das schwarz sein muss. Für mich ist es eigentlich nicht schwarz. Es kann sein, dass ich das mache, um mich einfach ein Stück mehr zurückzunehmen. Das werde ich spontan entscheiden. Die Gefühle in diesem Zyklus gehen ja auch durch verschiedene Atmosphären. Da gibt es sicher was Tröstendes und dann Momente, die ganz leicht daherkommen, wo man aber merkt, das ist gar nicht leicht. Das ist das Tolle daran, dass Mahler das so komplex gemacht hat und nicht nur traurig oder schwer.
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