Nur Klassik? – Das käme wohl selbst für die hartgesottensten Musikredakteure in unseren Reihen nicht infrage. Und wieso sollte es Musikern da anders gehen? Einige wagen sogar als Praktiker den Genrewechsel. Friedrich Gulda war zum Beispiel ein ausgezeichneter Jazzer. Und was Pianisten können, das können Sänger schon lange. Wobei – mit dem Können ist das so eine Sache. Zumindest tun sie’s. Mit ziemlich unterschiedlichem Erfolg.
Bildquelle: picture alliance / Jörg Schmitt
Simon und Garfunkel sind nicht zu beneiden um die Scarborough-Fair-Hommage: Verbrochen hat dieses ungenierte Geschnulze ein Mann mit blondgelockter Betonfrisur, markantem Kinn und Störtebeckerblick. Sagt zumindest das Albumcover. Harte Schale, weicher Kern – was? Nein, Peter Hofmann ließ kein Klischee aus bei seinen Ausflügen in den Schmuserock.
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Peter Hofmann - Scarborough Fair
Dabei war der Mann in den Siebzigern der Posterboy der Bayreuther Festspiele. Lohengrin, Tristan, Parsifal – die Rolle des germanischen Helden stand ihm gut. Die Lederjacke war ihm allerdings lieber. Blöd nur, dass die aus einem Opern- noch lange keinen Rockstar macht. Zumindest keinen, der jenseits der bundesrepublikanischen Fernsehspießigkeit als einer durchgehen würde. Die bemerkenswerte Statik seiner Auftritte – nach dem Schema: erst gehen, dann stehen, dann recht romantisch in die Kamera sehen – mag auf der Opernbühne nicht weiter ins Gewicht gefallen sein. Im Fernsehen wirkte sie einfach nur stocksteif.
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Peter Hofmann - The House of the Rising Sun (Die Pyramide Folge 15.11.1982) (VOD)
Damit wir uns nicht missverstehen, solche Genrewechsel sind eine super Sache. Auch wenn sie peinlich sind. Sogar gerade dann. Hat man ja immerhin was zum Lachen. Zum Staunen allerdings seltener.
Ausflüge in den Jazz macht Thomas Quasthoff ja schon seit ein paar Jahren. Aber so cool wie hier hatte ich ihn ehrlich gesagt nicht im Ohr.
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Georgia On My Mind
Das schnurrt hinein ins Ohr. Glatt, aber ohne zusätzlichen Weichspüler. Zu Beginn seiner Jazz-Karriere klang das noch anders, irgendwie staatstragender, hollywoodesk:
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My Funny Valentine
Kann man sich schon anhören. Allerdings bekommt man recht schnell Sehnsucht nach einer Stimme, die weniger Perfektion, dafür ein bisschen mehr Authentizität, mehr Rotz, Rauch und Kotze, kurz: Geschichte ins Spiel bringt. Nach einem Chet Baker, einem Ray Charles oder Tom Waits.
Neben den Opernstars, die sich auf sängerische Ab- oder Nebenwege begegnen, gibt es auch jene, die den Rückweg wählen: "Zurück zu den Wurzeln!" jubeln die Nostalgiker, die sich der Musik ihrer Kindheit, oder ihrer Heimat widmen. Dort sollte es ja eigentlich kein Problem geben mit dem authentischen Ausdruck …
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Rojotango
Wenn das melodramatische Geknödel von Erwin Schrott eines zeigt, dann, dass Teddy Adorno doch recht hatte: Ursprünglich gibt’s nicht. Zurück kommt man nicht, schon gar nicht zurück zu den Wurzeln. Bedeutet: Opernsänger bleibt Opernsänger, auch wenn er wieder Kinderlieder trällert. Das muss allerdings kein Problem sein. Im Gegenteil: Passt Erwin Schrotts bebend dramatisches, ja opernhaftes Pathos nicht perfekt zu dieser Musik. Oder der leuchtende Belcanto von Juan Diego Florez – strahlt der nicht besonders hell in jenen Liedern, die der peruanisch-österreichischer Tenor den Straßen und Cafes seiner Geburtsstadt Lima abgelauscht hat? Das ist schon großes Kino – oder, nun ja … Oper.
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Juan Diego Flórez⭐♫"Cucurrucucú Paloma"/by Tomás Méndez
Dass man auch aus der klassischen Bühnensteife popkulturelles Kapital schlagen kann, hat übrigens der Countertenor Klaus Nomi bewiesen. In den Achzigern, also ungefähr zur selben Zeit als Peter Hofmann wie angefroren in deutschen Schlagershows herumstand, machte der die Szeneclubs in New Yorker unsicher: mit Spitzentönen, Robotergesten und einem seltsam kubistischen Kostüm – das übrigens perfekt zu den abstrakten Bayreuth-Bühnenbildern von Wieland Wagner gepasst hätte.
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Klaus Nomi - Total Eclipse 1981 Live Video HD
Crossovertechnisch mein absoluter Favorit!
Sendung: "Allegro" am 08. August 2019 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (5)
Sonntag, 18.August, 21:49 Uhr
Rosemarie Zimmermann
Peter Hofmann
Jeder hat das Recht seinem Geschmack nach die Meinung zu sagen
Wir alle Peter Hofmann Fans lieben ihn von ganzem Herzen egal was andere für einen Mist von sich geben .
Interessen Gemeinschaft der Peter Hofmann Freunde
Rosemarie Zimmermann
Dienstag, 13.August, 16:22 Uhr
BR-KLASSIK
Antwort an Dr. Michael Strobel
Vielen Dank für Ihre Nachricht. Peter Hofmann ist allerdings erst Ende der 90er Jahre erkrankt. Unser Autor bezieht sich auf das Video aus den 80er Jahren, wie dem Titel zu entnehmen ist (1982).
Dienstag, 13.August, 14:22 Uhr
Dr. Michael Strobel
Peter Hofmann
Dass Peter Hofmann so steif in deutschen Schlagershows herumstand, hatte mit seiner Erkrankung zu tun: Parkinson. Die Leute werden steif. Sie hätten mal meinen bedauernswerten Vater sehen sollen, wie steif der wurde. Also: immer ein bißchen aufpassen, was man so sagt.
Samstag, 10.August, 18:42 Uhr
BR-KLASSIK
Antwort an Gabriel Ascanio Hecker
Völlig korrekt! Juan Diego Florez' Geburtsstadt Lima liegt natürlich in Peru. Vielen Dank für Ihren Hinweis, wir haben den Fehler im Text korrigiert.
Samstag, 10.August, 15:04 Uhr
Gabriel Ascanio Hecker
Juan Diego Florez ist in Lima geboren – also in der Hauptstadt Perus und nicht in Venezuela.