Organist Christian Schmitt bringt die kaum bekannte schwedische Komponistin Elfrida Andrée mit nach Hof. Und dazu die Orgel aus der Philharmonie in Essen. Im BR-KLASSIK-Interview erzählt er außerdem von schwebenden Übezellen und abgewetzten Ledersohlen.
Bildquelle: © Uwe Arens
BR-KLASSIK: Die Komponistin und Organistin Elfrida Andrée kennt man bei uns ja kaum. Sie ist auf Gotland geboren, ging für die Frauenemanzipation auf die Barrikaden, war eine der ersten Organistinnen in Skandinavien überhaupt. Wie stellen Sie sich diese Frau eigentlich vor?
Christian Schmitt: Das ist eine sehr gute Frage. Ich habe mir dank Google ein paar Bilder angeguckt. Sie saß da am Instrument, an der Domorgel in Göteborg, wo sie ja lange Jahre Organistin war. Und da kann man schon ein bisschen erahnen, wie sie vielleicht gedacht hat, wie sie gefühlt hat in der Musik. Und da findet man natürlich auch einige Informationen. Mir war die Komponistin vorher auch vollkommen unbekannt.
BR-KLASSIK: Was macht ihre Musik aus?
Christian Schmitt: Ich denke, dass sie sehr geprägt wurde von Mendelssohn und Schumann, also von der deutschen Romantik. Ihre Schwester hat ja auch in Leipzig studiert, und das spürt man in dieser Musik. Also, der Zeitgeist ist doch früh- bis mittelromantisch. Wenn wir dieses Stück, die zweite Orgelsymphonie, sehen, dann ist es auch sehr festlich. Viele Bläser, Pauke, und eine große symphonische Orgel sind dafür vorgesehen. Insgesamt also sehr farbig, im ersten Satz mit vielen pianistischen Elementen, sehr lyrisch im zweiten Satz und sehr beschwingt und festlich im dritten Satz.
BR-KLASSIK: Gibt es in der Musik von Elfrida Andrée so etwas wie eine eigene Klangsprache? Irgendwas, was sie wiedererkennbar macht?
Komponistin und Organistin Elfrida Andrée im Jahr 1863 | Bildquelle: picture alliance / Heritage Images | Salomon August Andree Christian Schmitt: Das ist für mich schwer zu sagen, weil wir noch keine Probe mit dem Orchester und der Besetzung hatten. Ich übe das Stück jetzt seit zwei, drei Monaten für mich alleine, hier in Stuttgart, an meiner Hausorgel. Da bräuchte ich schon noch ein bisschen mehr Erfahrungen, auch noch mit anderen Stücken von ihr.
BR-KLASSIK: Was meinen Sie mit Hausorgel? Was sagen Ihre Nachbarn dazu?
Christian Schmitt: Meine Frau ist auch Profimusikerin, sie ist Soloflötistin im SWR Symphonieorchester, und wir haben vor zehn Jahren hier in Stuttgart eine Wohnung gekauft. Da war klar: Wir müssen was tun, um die Nachbarn nicht ständig zu belästigen. Und dann haben wir einen Schallraum gebaut, also einen Raum im Raum. Das muss man sich wie eine schwebende Konstruktion vorstellen, also überall Isolierung und wieder eine zusätzliche Decke und Parkett eingezogen. Und da steht eine kleine Orgel mit vier Registern und zwei Manualen drin. Das ist natürlich für mich wunderbar, und auch ein Luxus im Winter, wenn ich bei 20 oder bei 18 Grad hier üben kann. Ich habe 25 Jahre bei acht oder zehn Grad beim Üben gefroren. Und das wird ja leider nicht besser in den Kirchen heutzutage, wenn die Heizkosten gespart werden. Und da bin ich sehr dankbar, dass ich das Üben zuhause erledigen kann.
BR-KLASSIK: Die Schuhe, die Sie beim Orgelspielen tragen, sollten ja auch keine gefütterten Moonboots sein, sondern die müssen eine gewisse Geschmeidigkeit haben. Sind das spezielle Schuhe, die sie sich irgendwo anfertigen lassen? Oder machen Sie das mit Ballettschläppchen?
Christian Schmitt: Also ich hatte früher auch solche Ballettschühchen, sehr filigran. Aber ich spiele auch viel mit Orchester, bei den Bamberger Symphonikern, bei den Berliner Philharmonikern. Und dann sind Frack und Lackschuhe eigentlich Pflicht. Vor 15 Jahren bin ich draufgekommen, dass es eigentlich normale Schuhe mit einer Ledersohle sein sollen, die relativ anschmiegsam sind. Und am besten ist es, wenn diese Schuhe drei, vier Jahre alt sind, so richtig schön eingespielt. Also eigentlich, wenn man sie ausrangieren würde. So sind die Schuhe am besten.
BR-KLASSIK: Die Orgel wird oft als "Königin der Instrumente" bezeichnet. Das Konzert wird auch so überschrieben. Was macht sie für Sie zur Königin?
Christian Schmitt | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk Christian Schmitt: Für mich als Konzertorganisten ist sie immer noch ein faszinierendes Instrument und kann vom leisesten Pianissimo bis hin zum strahlenden Fortissimo den Klang selbst gestalten. Sie hat so viele eigene Möglichkeiten, Klang zu generieren. Und in der Kombination mit Orchester hat die Orgel Farben, die das Ganze bereichern können. Aber es kann auch ein Wechselspiel sein, ein Dialog. Und deswegen haben wir ja auch die Möglichkeit, die Orgel der Philharmonie Essen nach Hof zu bringen.
BR-KLASSIK: Gutes Stichwort: Beim Konzert wird eine gesampelte Orgel zum Einsatz kommen. Sind sie ein Computer-Nerd?
Christian Schmitt: Eigentlich nicht. Ich bin da relativ traditionell und spiele am liebsten auf richtigen Orgeln. Aber in meiner Karriere war es oft so, dass viele Konzertorte von Orchestern, von Chören oder von Veranstaltern einfach keine guten Instrumente hatten. Und wenn wir mit dem Bamberger Symphonikern ein Konzert in Kissingen gemacht haben, dann war das immer eine Notlösung mit einer elektrischen Orgel. Die hat man geliehen, dann war die Boxenanlage schlecht und so weiter. Und dann habe ich mir vor fünf Jahren überlegt: Das müsste man doch mal ändern. Und es gibt in Holland eine Firma, die sich so ein bisschen auf das Sampeln von Orgeln spezialisiert hat. Viele Organisten haben heute in ihrem Wohnzimmer eine Digitalorgel stehen. Da kann man sich über den Computer gewisse Orgeln aus der ganzen Welt runterladen und im Wohnzimmer spielen. Und da haben wir dann einen sehr guten Weg mit der Philharmonie Essen und dem Orgelbauer Kuhn aus der Schweiz gefunden, diese Orgel in den Sommerferien gesampelt und dann versucht, das möglichst praktikabel zu gestalten. Also, dass man das Instrument in vier transportable Boxen zerlegen und dorthin bringen kann, wo es gebraucht wird.
BR-KLASSIK: Aber Pfeifen hat das dann nicht mehr. Wie schaut das dann aus?
Christian Schmitt: Es hat einen relativ kleinen Orgelspieltisch mit drei Manualen. Weil die Idee ist auch, dass die Orgel als Instrument den Aufbau des Orchesters nicht so sehr stört, sondern dass es relativ platzsparend ist. Dann haben wir zwei große Stereoboxen und einen Subwoofer. Das war für uns die beste, praktikable Lösung. Wir haben auch experimentiert mit einem sogenannte 5.1.System, also mit fünf Boxen. Aber das ist in den Sälen sehr schwierig darzustellen mit der Orgel. Und deswegen haben wir zwei große Stereoboxen, die auf Stativen stehen, die ungefähr 1,5 Meter hochragen. Dann stört es die Kolleginnen und Kollegen im Orchester auch nicht, weil das natürlich schon eine gewaltige Klangquelle ist, die da rauskommt.
Sendung: "Leporello" am 09. April 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)