Von konsequenter Ablehnung bis hin zu hingebungsvoller Verehrung: Richard Wagner ist der wohl umstrittenste Komponist des 19. Jahrhunderts. Ein Grund dafür ist sein Antisemitismus. In der Sonderausstellung "Tabu Wagner? Jüdische Perspektiven" im Richard Wagner Museum Luzern wird das Thema aus einem neuen Blickwinkel betrachtet: Wie wirkte und wirkt Wagner auf Juden? Wie gingen und gehen diese mit seiner Judenfeindlichkeit um? Ist sein Werk deshalb ein Tabu?
Bildquelle: Archiv des Bayerischen Rundfunks
Im Rücken der zerklüftete Gipfel des Pilatus, vorne das Ufer des sanft plätschernden Vierwaldstätter Sees – in diesem landschaftlichen Idyll im Landhaus Tribschen unweit von Luzern komponierte Richard Wagner Teile seines "Rings des Nibelungen" und – zur Geburt seines Sohnes – das nach diesem benannte Siegfried-Idyll. Hier entstand 1869 aber auch die Neuausgabe seines antisemitischen Pamphlets "Das Judentum in der Musik". In ihm sprach Wagner den Juden jegliche künstlerische Kreativität ab und schwadronierte von der Auflösung oder gar Auslöschung des Judentums. Für das Wagner Museum Luzern ist das Entstehen des Textes an diesem Ort Anlass, sich gerade mit Wagners Antisemitismus verstärkt zu befassen.
"Bei uns hier in Luzern ist Wagners Antisemitismus sehr präsent und einfach ein wichtiges Thema", sagt Franziska Gallusser. Sie ist die Kuratorin der Ausstellung "Tabu Wagner? Jüdische Perspektiven". "Wir möchten mal das Thema von einer anderen Seite angehen und eben diesen Perspektivwechsel vollziehen und die jüdische Perspektive einnehmen." Dazu wurden 30 Personen jüdischen Glaubens ausgewählt, die man in der Ausstellung kennenlernen und deren Meinung zu Wagner erfahren kann.
Antisemitismus in der Klassischen Musik: Eine Spurensuche
Das Landhaus Tribschen vor der Eröffnung nach einer Auffrischung und Sanierung des Museums. | Bildquelle: picture alliance/KEYSTONE | URS FLUEELER
Viele früheren Wagner-Verehrer waren jüdischer Abstammung. Entsprechend zwiegespalten waren die Reaktionen von jüdischer Seite auf Wagners offen zur Schau gestellten Antisemitismus. Während Hermann Levi, der Uraufführungsdirigent des "Parsifal" in Bayreuth, meinte, Wagners Antisemitismus vor Wagners Gegnern in Schutz nehmen zu müssen, gab es aber auch Gegenwind für Wagner. "Es gab da zum Beispiel den Startenor Heinrich Sontheim, der überall an den großen Häusern gesungen hat und Karriere gemacht hat. Er hat nur einmal eine Wagner-Oper gesungen, das war der 'Tannhäuser'. Danach hat er es von Grund auf abgelehnt", erzählt die Kuratorin des Richard Wagner Museums. "Es gibt Anekdoten, dass sich Sontheim und Wagner wirklich gestritten haben, sogar öffentlich, und dass Sontheim zu Wagner gesagt hat: 'Also ich verstehe nicht, warum Sie möchten, dass ich in Ihren Opern singe, wenn Sie doch schreiben, ‘jüdische Menschen hätten keinerlei musikalische Begabung.' Das ging für Sontheim nicht zusammen. Er hat ganz klar gesagt, er singt keine Wagner-Rollen mehr."
Die Sonderausstellung im Richard Wagner Museum Luzern ist von April bis November 2025 zu erleben. Weitere Informationen finden Sie hier.
Die Luzerner Ausstellung dokumentiert ein weites Spektrum zwischen Ablehnung und Verehrung Wagners durch Juden – von der Gegenwart Wagners bis in unsere Tage – von Heinrich Heine, Gustav Mahler bis Daniel Barenboim. Besonders interessant ist ein bislang unveröffentlichtes Filmporträt über Leonard Bernstein, der Mitte der 80er-Jahre in Wien Wagners "Ring" dirigierte. Nach einer Walküren-Probe sieht man ihn Zigarette-rauchend vor Sigmund Freuds Wohnhaus stehen und darüber sinnieren, dass er mit seinem "Wagner-Problem" gerne zu Freud auf die Couch gehen würde.
Der Salon im Landhaus Tribschen im Richard Wagner Museum vor der Eroeffnung nach einer Auffrischung und Sanierung des Museum in Luzern. | Bildquelle: picture alliance/KEYSTONE | URS FLUEELER
Alle Beispiele jüdischer Reaktionen auf Wagner in der Luzerner Ausstellung sind optisch sehr ansprechend gestaltet – mit Bild- und Texttafeln, mit biografischen Notizen und zeit- und kunstgeschichtlichen Einordnungen. Auch wenn die Ausstellung lediglich vier Räume im ersten Stock der Villa umfasst, wird in ihr doch ein großes Spektrum jüdischer Wagner-Rezeption vorgestellt. Im Erdgeschoss ist nach wie vor die vor zwei Jahren aufwendig neu gestaltete, sehr sehenswerte Dauerausstellung über Wagners Zeit in der Villa Tribschen zu sehen.
Sendung: "Leporello" am 25. April 2025 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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