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Raphaela Gromes "Fantastische Komponistinnen, die man einfach nicht kennt"

Musik, völlig zu Unrecht vergessen. "Femmes" hat Raphaela Gromes ihr neues Album deshalb genannt. Darauf: Musik, epochenübergreifend fast nur von Frauen komponiert. Im Interview erzählt die Cellistin, wie sie an die Noten gekommen ist und welchen Schatz an bisher unentdeckten Werken es zu heben gilt.

Raphaela Gromes | Bildquelle: Wild und leise

Bildquelle: Wild und leise

BR-KLASSIK: Raphaela Gromes, zuletzt haben Sie Julius Klengel als Komponisten wiederentdeckt, auf Ihrer aktuellen CD spielen Sie nur Musik von Frauen. War es eigentlich mühsam, diese Werke zu finden und zusammenzustellen?

Raphaela Gromes: Überhaupt nicht. Ich hätte, glaube ich, noch drei oder vier weitere CDs damit einspielen können. Es gibt eine unglaubliche Masse an fantastischen Werken von Komponistinnen, die man einfach nicht kennt, die aber da und durchaus zu finden sind.

Notensuche - bei Komponistinnen keine leichte Aufgabe

BR-KLASSIK: Wie ging es dann weiter? Sie sichten das Material und sagen dann, okay, das Stück ist wirklich toll, das möchte ich einspielen. Oder gibt es auch Stücke, die eher mittelmäßig sind, aber von einer Frau, und deshalb macht man es halt trotzdem?

Raphaela Gromes: Es ist tatsächlich es gar nicht so leicht, erst mal an all das Material zu kommen, wenn man nicht weiß, wo man suchen soll. Also wenn man im Internet sucht oder bei Notenhändlern die Werke bestellt, kann es sein, dass man nicht wahnsinnig viel findet, weil viele der Werke auch nicht herausgegeben sind. Damals durften Frauen ja nicht studieren und haben deshalb -natürlich- bei keinen Verlagen irgendwelche Verträge unterschrieben. Das heißt, diese Werke wurden eigentlich auch eher für den Privatgebrauch genutzt, als dass sie wirklich an die Öffentlichkeit kamen.

Archive in Frankfurt und Paris sammeln Werke von Frauen

BR-KLASSIK: Und wie sind Sie dann vorgegangen?

Raphaela Gromes: In Deutschland haben wir das fantastische Archiv "Frau und Musik" mit Sitz in Frankfurt, dort gibt es einen unglaublichen Bestand an Werken von Komponistinnen. Die Noten haben sie dort auch teilweise, und die schicken die einem auch sofort zur Ansicht. Es gibt auch noch die Nationalbibliothek in Paris, dort haben wir auch tolle Werke finden können. Und es gibt eben zwei Verlage, die sich nur auf Komponistinnen spezialisieren. Hier in Deutschland den Furore-Verlag und Hildegard-Publishing in den USA. Und mit diesen vier Quellen haben Julian Riem und ich gemeinsam gearbeitet und geforscht. Und wirklich mehr als 100 Werke durchgeschaut.

Es gab durch alle Jahrhunderte hinweg auf jedem Kontinent Komponistinnen, die fantastisch komponiert haben.
Raphaela Gromes

BR-KLASSIK: Sie spielen Werke von Hildegard von Bingen, Clara Schumann oder Lera Auerbach. Wie haben Sie ausgewählt?

Raphaela Gromes: Es gibt zum Beispiel viele fantastische Cellosonaten von Komponistinnen oder auch Cellokonzerte. Für die CD haben wir uns jetzt entschieden, kürzere Werke zu nehmen. Cellosonaten oder Cellokonzerte sind dann oft gleich eine halbe Stunde lang, und uns war es jetzt ein Anliegen, einfach eine Vielzahl an Komponistinnen präsentieren zu können. Insgesamt sind es 23 geworden, völlig ohne das zu planen. Wir haben einfach geschaut, was gut zueinander passt, was eine gute Dramaturgie darstellt. Wir wollten Musik von Hildegard von Bingen bis in die Moderne, bis zu Lera Auerbach, zeigen. Einfach, dass es durch alle Jahrhunderte hinweg auf jedem Kontinent dieser Welt eigentlich Komponistinnen gab, die fantastisch komponiert haben.

Rapahela Gromes live und auf BR-KLASSIK

Am Sonntag, 5. Februar, 2023, 15:30 Uhr, spielt Raphaela Gromes gemeinsam mit den Festival Strings Lucerne im Münchner Prinzregententheater. Auf dem Programm stehen auch Werke von Clara Schumann und Pauline Viardot-García.
BR-KLASSIK stellt "Femmes", die neue CD von Raphaela Gromes am Samstag, 4. Februar, 2023, 15:05 Uhr in der Sendung "On Stage" vor.

Die Qualität von Komponistinnen ist oft unbekannt

BR-KLASSIK: Sehen Sie sich auch ein bisschen als Anwältin von diesen Komponistinnen?

Raphaela Gromes: Ich weiß es nicht, ich bin auf jeden Fall eine leidenschaftliche Interpretin von den Werken dieser Komponistinnen und merke schon, dass es einfach auch viele Musikerinnen und Musiker braucht, die dafür kämpfen, weil das noch nicht so im allgemeinen Verständnis angekommen ist. Auch nicht in der Veranstalter-Landschaft oder eben bei den Menschen, die Programme planen, dass wirklich Komponistinnen miteinbezogen werden. Ich denke, daher braucht es starke Befürworter, damit diese Programme auch gestaltet werden und die Komponistinnen da aufgenommen werden.

Weltersteinspielung von Matilde Capuis‘ "Tre Momenti"

BR-KLASSIK: Wie war das in Ihrem Umfeld? Mussten Sie die Beteiligten an der CD und die Veranstalter erst von einem solchen Programm überzeugen?

Cellistin Raphaela Gromes und Pianist Julian Riem | Bildquelle: wildundleise.de Raphaela Gromes und Julian Riem. | Bildquelle: wildundleise.de Raphaela Gromes: Alle, die an dem Projekt beteiligt waren und die mitgewirkt haben, waren dann auch am Ende absolut überzeugt und begeistert. Also Julian Riem, mein Pianist, war von Anfang an an meiner Seite und auch an der Auswahl der Werke beteiligt. Aber zum Beispiel auch das Orchester Festival Strings Lucerne, mit dem ich ja schon lange zusammenarbeite, war offen für alles. Bei der Aufnahme haben die dann aber auch noch einmal gesagt, was für unglaublich tolle Stücke sind. Etwa die Weltersteinspielung von Matilde Capuis‘ "Tre Momenti" für Cello und Streicher, da waren alle absolut begeistert, auch von der Tiefe dieses Werkes, von der unglaublichen Qualität. Und nicht zuletzt die Booklet-Texterin Susanne Wosnitzka, sie ist eine absolute Expertin auf dem Gebiet Komponistinnen, und sogar für sie waren spannende Neuentdeckungen dabei. Und ihr Booklet ist einfach hinreißend. Also unbedingt lesen.

Gromes` Wunsch: Mehr Programme mit Komponistinnen

BR-KLASSIK: Ihr Kopf ist voll, Ihr Herz wahrscheinlich auch – wie geht man jetzt damit um? Sie möchten die Musik ja wahrscheinlich auch transportieren?

Raphaela Gromes: Natürlich schlage ich Veranstaltern Programme mit bekannten Stücken plus Stücken von Komponistinnen vor. Wir haben jetzt sogar eine tolle Tour zusammenbekommen, auf der Julian Riem und ich die Werke von Komponistinnen spielen. Zum Beispiel in Polling im Bibliothekssaal, bei Hörtnagel. Es hat mich sehr gefreut, dass diese traditionelle Reihe wirklich auch so etwas Neues wagt, mit Sonaten und kleinen Stückchen von Komponistinnen. Und dann natürlich bei unserem CD-Release-Konzert in München. Da spiele ich dann mit den Festival Strings Lucerne nicht nur Robert Schumanns Cellokonzert, sondern eben auch Romanzen von Clara Schumann und Pauline Viardot-García.

BR-KLASSIK: Pauline Viardot-García?

Raphaela Gromes: Sie ist eine der besten Freundinnen von Clara Schumann gewesen und eine unglaubliche Frau. Eine ziemliche Diva, glaube ich. Sie war eine der berühmtesten Sängerinnen ihrer Zeit. Sie hat aber auch viel komponiert. Und da haben wir drei sehr, sehr mitreißende Werke von ihr für Cello und Orchester aufgenommen.

 Sendung: "Allegro" am 2. Februar 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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