Während ihres Baus galt sie als Millionengrab, heute ist die Elbphilharmonie nicht nur das strahlende Wahrzeichen Hamburgs, sondern auch eines der berühmtesten Konzerthäuser der Welt. Zu ihrem fünften Geburtstag ist jetzt unter dem Titel "Geschichten und Geheimnisse der Elbphilharmonie“ ein Bildband herausgekommen, mit dem Autor Joachim Mischke große und kleine Geheimnisse dieses Jahrhundertbauwerks offenlegt.
Bildquelle: Hoffmann und Campe
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"Innen hui, außen aber auch", schreibt Joachim Mischke. Und weiter: "Das Gestaltungsprinzip der Elbphilharmonie lässt sich mit diesen fünf Worten in einem Satz bündeln. Eines der wichtigsten Trägermedien dieser Imponier-Strategie ist die gläserne Fassade. Durch ihre Gesamtfläche von etwa 16.000 Quadratmetern – etwa zwei Fußballfelder – ist sie das mit Abstand größte Unikat im nicht gerade kleine Spezialitäten-Sortiment dieses Gebäudes."
Das Äußere der "Elphi", wie sie liebevoll genannt wird, ist sensationell. Aber auch das Innere ist einzigartig. So ist zum Beispiel der Große Saal ein gigantisches Multifunktionsspielzeug. Der Musikautor und Journalist Joachim Mischke ist seit dem Bau der Elbphilharmonie überwiegend in Hamburg tätig und hat ein enges Verhältnis zu diesem ikonischen Konzerthaus. Fünf Jahre lang hat er es seit seiner Inbetriebnahme nun aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln kennengelernt.
Und so weiht er die Leser und Betrachter seines Bildbandes in 22 Kapiteln in so manche kleine Geheimnisse ein – etwa was die psychologischen Feinheiten der Innenarchitektur angeht: "Psychologisch fein sortiert und in der Gebäude-Architektur bewusst arrangiert, hat die Solisten-Garderobe ein kleines Stückchen Bedeutungsvorfahrt vor dem Nachbarzimmer. Niemand hat einen kürzeren, direkteren Weg aus seiner Rückzugszone ins Rampenlicht, selbst wenn es nur diese wenigen Zentimeter sein sollten."
Neben den imposanten, überwiegend von Thomas Leidig gemachten Fotos visualisiert Joachim Mischke interessante und manchmal kuriose Fakten. So werden die in der Pause in einer Saison verkauften Liter an Getränken als Schichten in einem Swimmingpool dargestellt. Auch der damit verbundene Glasbruch, die verkauften Brezeln, die Ticketnachfragen, die Dauer des längsten oder kürzesten Konzertes, die meistgestellten Fragen bei Konzerthausführungen oder die Hitliste der meistgespielten Stücke macht er mit anschaulichen Grafiken sichtbar. Beethovens Siebte führt sie an Dvořáks Neunte rangiert auf dem zweiten Platz.
Dieses Buch wird lieben, wer …
... sich für die Umsetzung von schier Unlösbarem interessiert.
Dieses Buch liest man am besten …
… in einem Gebäude der Moderne.
Dieses Buch ist wie geschaffen für …
... alle, die immer schon gerne hinter die Kulissen geschaut haben.
Innen wie außen spektakulär: die Hamburger Elbphilharmonie | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Joachim Mischke nimmt seine Leser und die Betrachter der detailfreudigen und außergewöhnlichen Fotos gleich zu Beginn über die gigantische Rolltreppe in ganz unterschiedliche Etagen und Ecken mit. Und er legt den Blick auf Bereiche frei, die dem Publikum gewöhnlich nicht zugänglich sind, wie den "Green Room", ein Ort für zwanglose Begegnungen von Künstlern und Künstlerinnen und auserwählten Gästen.
Er führt in die Künstlergardeoben oder ins Intendantenzimmer, ins Flügel-Lager, erzählt von der "Weißen Haut", die mit ihren rund 10.000 Gipsplatten mit Wellen und Tälern die Innenverkleidung des großen Konzertsaals bildet; außerdem vom Geheimnis der Akustik in den Sälen und Foyers oder dem imposanten Orgelkonstrukt der Firma Klais.
Auf 176 Seiten würzt Mischke seine Geschichten unterhaltsam mit viel Insiderwissen und persönlichen Erlebnissen bei Interviewterminen. An manchen Stellen trägt er etwas dick auf, so wie die Buchhersteller etwas zu viel Farbe verwendet haben. Geruchsempfindliche müssen das Buch vor der Lektüre gut durchlüften. Kein Scherz.
Und manchmal führen seine Geschichten weit über die Hansestadt hinaus. Das kann man nun mögen oder auch nicht. Aber ohne diesen sehr persönlichen Zugang zur Elbphilharmonie wäre so manches Detail wohl nicht zu Tage gebracht worden. Und so führt dieses Buch ein in die Welt eines Hauses, durch das die Hansestadt Hamburg eine fundamental andere Außenwahrnehmung im Rest der Musikwelt erlebt.
"Früher", erzählt Mischke, "ließen sich die Wiener Philharmoniker etwa so oft wie der Halleysche Komet für Gastspiele in Hamburg blicken. Das hat sich durch die schöne neue Adresse und das damit verbundene Prestige sehr geändert. Anfang März 2020, ganz knapp vor der Saalschließung durch das Corona-Virus, präsentierten die Wiener sogar ihren Beethoven-Sinfonie-Zyklus im Großen Saal. Alle neune in fünf Tagen. Früher komplett undenkbar."
Der Bildband "Geschichten und Geheimnisse der Elbphilharmonie" von Joachim Mischke mit zahlreichen Fotografien von Thomas Leidig ist bei Hoffmann und Campe erschienen und kostet 26 Euro.
Sendung: "Allegro" am 1. Dezember 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK